Sozialer Wandel

Mexiko stärkt Frauenrechte – allerdings langsam

Mit der Geschlechtergleichstellung geht es in Mexiko voran – aber noch recht langsam. Die Politik rühmt sich ihrer Leistungen, obwohl sie kaum etwas aus eigener Überzeugung heraus umsetzt. Nur auf Druck internationaler Organisationen und der Frauenbewegung hin kommen Veränderungen in Gang.
Delfina Gómez, erste Gouverneurin von Edomex, mit Präsident Andrés Manuel López Obrador. picture-alliance/AP Photo/Marco Ugarte Delfina Gómez, erste Gouverneurin von Edomex, mit Präsident Andrés Manuel López Obrador.

Die Zahlen klingen gut: Die Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador rühmt sich damit, Frauen in öffentlichen Ämtern, in der Regierung und im Kongress zu fördern. Und tatsächlich ist der Frauenanteil in Politik und Verwaltung deutlich höher als früher.

In diesem Jahr wurde im bevölkerungsreichsten Bundesstaat, der seinerseits México heißt und die gleichnamige Hauptstadt umgibt, gewählt. Erstmals gab es zwei Spitzenkandidatinnen. Die Siegerin gehört zur Mitte-links-Partei Morena von López Obrador. Delfina Gómez wird nun die erste Gouverneurin von Edomex, wie der Estado de México gern abgekürzt wird. Der Nationalstaat heißt offiziell Estados Unidos Mexicanos (Vereinigte Mexikanische Staaten).

Zehn der 32 Bundesstaaten werden nun von Frauen regiert. Zudem sind derzeit acht der 19 Bundesministerien weiblich besetzt. Derweil sind nur 525 Bürgermeisterämter in der Hand von Frauen, während 1486 von Männern geführt werden.

Allgegenwärtiger Machismo

Diese Zahlen können – und sollten – als Fortschritt verstanden werden. Dennoch kommt das Land in Sachen Gleichberechtigung nur recht langsam voran und ist vom Ziel noch weit entfernt. Die Politik nimmt sich des Themas an – tut das aber vor allem auf Drängen internationaler Organisationen und feministischer Gruppen hin und nicht so sehr aus wirklicher Überzeugung. Viele Politiker beherrschen den feministischen Diskurs rhetorisch gut, weil das politisch nützlich ist und Frauen nun mal auch wählen. Am Ende setzen die meisten aber kaum etwas praktisch um.

Machohafte oder offen frauenfeindliche Gepflogenheiten halten sich dagegen hartnäckig. Im öffentlichen Dienst werden immer wieder Fälle von Vorgesetzten bekannt, die sich zwar auf dem Papier dem Gender Mainstreaming verschrieben haben, dann aber keinen Mutterschaftsurlaub akzeptieren, Beschwerden über sexuelle Übergriffe ignorieren oder – schlimmer noch – selbst Frauen belästigen. Es kommt vor, dass Politiker oder Staatsbedienstete öffentlich für Gendergleichstellung eintreten, weil es so von ihnen verlangt wird. Gleichzeitig aber spielen sie die Leistungen und die Würde von Frauen beispielsweise in den sozialen Medien systematisch herunter. Es gibt auch nicht wenige Meldungen über Sicherheitskräfte, die in ihren Familien selbst Gewalt ausüben.

Die Kultur des Machismo trägt ihren Teil dazu bei. Das toxische Verständnis von Männlichkeit führt zu Gewalt gegen Frauen. Sie ist aber seit Jahrhunderten in den Sitten und Gebräuchen verankert und wird oft nicht wahrgenommen. International hat Mexiko wegen häufiger Frauenmorde (Femizide) aber einen angeschlagenen Ruf.

Anlässlich des internationalen Frauentags am 8. März 2023 erklärte Präsident López Obrador, die „vierte Transformation“, wie er seine aktuelle Amtszeit nennt, sei feministisch. Was davon zu halten ist, muss sich noch zeigen. Angesichts der wütenden Forderungen der Demonstrierenden kann es schnell passieren, dass er die Feministinnen doch noch zu Gegnerinnen erklärt. Gut möglich, dass er ihnen vorwirft, sie wollten seine Regierung diskreditieren, um davon abzulenken, dass er legitime Forderungen ignoriert. Ungeachtet seiner großen Worte sind Frauenmorde Teil des Alltags. Die Täter bleiben weitgehend straffrei, denn die Strafverfolgung bleibt trotz verschiedener Reformen ineffizient und nachlässig.

Druck internationaler Organisationen

Tatsächlich sind die meisten Fortschritte im Bereich Frauenrechte internationalen Abkommen und Organisationen wie der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte zu verdanken. Institutionen wie UN Women, UNICEF und ECLAC (die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika), aber auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie Save the Children beschreiben in regelmäßigen Berichten die Situation in Bezug auf Kindesmissbrauch, Menschenhandel, Kinderheirat, Arbeitsdiskriminierung und andere Formen von Gewalt. Das zeigt, dass feministische Anliegen, die international vorangebracht werden, durchaus Konsequenzen im Alltag haben.

Ein wichtiger Schritt war kürzlich die Änderung des Unterhaltsgesetzes. Elternteile, die keinen Unterhalt für ihre Kinder zahlen, sollen in einem Register erfasst werden. So sollen die Rechte minderjähriger Kinder geschützt werden. Die Maßnahme begünstigt aber auch Mütter, die allein für Erziehung und Unterhalt aufkommen müssen.

Die Frauenbewegung setzt Impulse

Die Frauenbewegung nutzt mittlerweile den Weltfrauentag regelmäßig, um Themen öffentlich zu betonen, die über geschlechtsspezifische Gewalt hinausgehen. Staatliche Stellen reagieren darauf.

In diesem Jahr etwa kündigte das Nationale Fraueninstitut (Inmujeres – Instituto Nacional de las Mujeres) an, sich stärker für Technologiebildung für Mädchen einzusetzen. Zuvor hatten die UN auf die „Bedeutung einer vollen, gleichberechtigten und sinnvollen Beteiligung und Führung von Frauen und Mädchen in Wissenschaft, Technologie und Innovation“ hingewiesen. In Mexiko sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Bildungswesen und auf dem Arbeitsmarkt immer noch groß.

Auch um reproduktive Rechte haben sich feministische Organisationen in den vergangenen zehn Jahren stärker gekümmert. Ein Resultat sind staatliche Bemühungen, die hohe Zahl von Teenagerschwangerschaften zu reduzieren.

Das Oberste Gericht hat 2021 entschieden, dass das alte pauschale Abtreibungsverbot verfassungswidrig war. Schwangerschaftsabbrüche sind nun generell zulässig, wenn eine Vergewaltigung die Ursache war, das Leben der Mutter in Gefahr ist oder das Kind eine genetische Missbildung hat. In fünf Bundesstaaten ist Abtreibung in den ersten 12 Wochen auch aus anderen Gründen erlaubt.

Trotz aller Schwierigkeiten haben sich in Mexiko feministische Gruppen und zahlreiche öffentliche Einrichtungen der Geschlechtergleichheit, dem 5. UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung (SDG – Sustainable Development Goal), verschrieben. Auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen werden Maßnahmen umgesetzt, die auf mehr Gendergerechtigkeit abzielen – oder zumindest den Eindruck erwecken, das zu tun.

Virginia Mercado ist Wissenschaftlerin an der Universidad Autónoma del Estado de México und Lehrkraft für Friedens- und Entwicklungsstudien.
virmercado@yahoo.com.mx