Neue Quartiere
Informelle Siedlungen
Anders als 70 Jahre zuvor, als die Palästinaflüchtlinge ins Land kamen, entschied sich der libanesische Staat dieses Mal dagegen, Lager zu errichten und die Menschen zentral zu versorgen. Ein Grund sind die Erfahrungen mit den palästinensischen Lagern, die sich in dauerhafte Quartiere verwandelt haben. Der Staat will verhindern, dass das mit den syrischen Lagern noch mal passiert (siehe Haupttext).
So verteilen sich die syrischen Flüchtlinge übers ganze Land und sind weitgehend auf sich gestellt. Über ein Drittel hat sich in der östlichen Grenzregion des Libanon in der Bekaa-Ebene niedergelassen. Es ist ein landwirtschaftlich geprägtes Gebiet mit schlecht ausgebauter Infrastruktur und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Das Bild von informellen Siedlungen prägt die Landschaft – sie bestehen aus mit Plastikplanen und Holz errichteten Hütten, die auf ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen gebaut wurden. Das Land wird von den Flüchtlingen gepachtet oder von den Besitzern kostenlos zur Verfügung gestellt.
Diese Siedlungen liegen oftmals außerhalb der Ortschaften an Hauptstraßen oder landeinwärts. Die Straßen, die zu diesen Siedlungen führen, sind in schlechtem Zustand oder unbefestigt. Viele Bewohner gehen zu Fuß zur nächsten Hauptstraße, um ein Sammeltaxi oder einen privat betriebenen Minibus zur Stadt zu nehmen. Ebenso wie im restlichen Land gibt es auch in der Bekaa-Ebene keinen öffentlichen Nahverkehr. Die Bahnlinie, die früher libanesische Städte an der Küste und die Bekaa-Ebene miteinander und sogar mit Damaskus oder Aleppo verbunden hat, ist Mitte der 1970er Jahre kurz nach Ausbruch des Bürgerkrieges eingestellt worden.
Im Winter verschlechtert sich der Zustand der unbefestigten Straßen, und sie werden manchmal unpassierbar. Für die Bewohner der informellen Siedlungen, die an den Hauptstraßen liegen, ist es zwar leichter, Transportmittel zu finden, allerdings stellen die stark befahrenen Straßen auch ein Sicherheitsrisiko für Fußgänger und spielende Kinder dar. Bürgersteige oder Fahrradwege gibt es nicht. Die Straße von der Ortschaft Bar Elias nach Baalbek etwa, die an zahlreichen informellen Siedlungen vorbeiführt, hat wegen der vielen Unfälle den Beinamen „Straße des Todes“ bekommen.