Climate engineering
Zeit gewinnen
Einige der optimistischeren Klimaszenarien des Weltklimarats (International Panel on Climate Change – IPCC) basieren auf einer deutlichen, zeitnahen Reduzierung von Treibhausgasemissionen. Angesichts der derzeit schwachen Minderungsmaßnahmen sind diese Szenarien jedoch nicht sehr realistisch. Im November unterzeichneten mehr als 11 000 Wissenschaftler aus aller Welt eine Erklärung über eine globale Klimakrise. Ihr zufolge ist ein umfassender Wandel dringend erforderlich.
Eine Möglichkeit, die Erderhitzung zu bekämpfen, könnten gezielte technologische Manipulationen des Klimasystems sein. Climate Engineering, auch Geo-Engineering genannt, ist die Nutzung von Aerosolen und künstlicher Wolkenproduktion, um die Sonneneinstrahlung ins All zu reflektieren. Schwefelinjektionen in die Atmosphäre simulieren natürliche Effekte von Vulkanausbrüchen, die in der Vergangenheit nachweislich die globalen Lufttemperaturen gesenkt haben.
Befürworter bezeichnen Climate Engineering als das geringere Übel im Vergleich zu den dramatischen Folgen eines unbekämpften Klimawandels. Falls Reduzierungsstrategien scheiten, könnten neue Technologien als Plan B dienen. Es bleibt jedoch unklar, wie ein solches Scheitern definiert ist und wann der Zeitpunkt für die Umsetzung von Alternativen erreicht ist.
Auf jeden Fall sollte jetzt in Forschung investiert werden, sagt Andreas Stamm vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE). Seiner Meinung nach ist Climate Engineering ein verantwortungsvoller Ansatz. „Wir brauchen dringend bahnbrechende Innovationen, ob wir sie nun nutzen oder nicht. Wenn wir uns jetzt nicht für diese Technologien entscheiden, ist es vielleicht zu spät“, sagte Stamm auf einer vom DIE organisierten Podiumsdiskussion im Herbst.
Während also einige Experten argumentieren, dass es unsere Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen sei, jetzt angemessene Technologien zu entwickeln, warnen andere, dass es verantwortungsvoller wäre, in Zukunft davon abzusehen, potenziell neue Risiken zu schaffen.
Im hochkomplexen Erdsystem könnte Climate Engineering tatsächlich unvorhersehbare Nebenwirkungen haben, erklärt Ulrike Niemeier vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Die tropische Konvergenzzone, heute die Region der Regenwälder, würde wahrscheinlich kühler und trockener werden. Regionale Ökosysteme könnten schwer beeinträchtigt werden. Einige Regionen könnten daher unter Climate Engineering leiden, obwohl sich das globale Klima stabilisieren würde, warnt Niemeier.
Darüber hinaus zeigen Modellierungen, dass bei einem plötzlichen Abschalten des Climate Engineering die Temperaturen innerhalb kürzester Zeit schnell ansteigen würden. Deshalb darf einmal implementiertes Climate Engineering nicht einfach gestoppt werden. Das schafft eine Zwangslage für zukünftige Generationen.
Die globale Reichweite des Climate Engineering wirft auch politische Bedenken auf. So droht Ungerechtigkeit, wenn sich Macht in den Ländern konzentriert, die sich eine Umsetzung leisten können. Um Konflikte zu vermeiden, seien internationale Vereinbarungen und gemeinsame Governance deshalb dringend erforderlich, argumentiert Niemeier.
Für die Rostocker Umweltethikerin Frederike Neuber sind Klimaschutz und Climate Engineering keine alternativen Ansätze, sondern Ergänzungen. Climate Engineering dürfe nicht als Ersatz für Reduzierungsmaßnahmen missbraucht werden und damit ein Fortführen ausbeuterischer Konsum- und Produktionsmuster fördern. „Reduzierung ist die einzige Strategie, die der eigentlichen Ursache des Problems entgegenwirkt. Es sollte die oberste Verantwortung und vor allem Verpflichtung sein“, betont Neuber.
Link
World Scientists’ Warning of a Climate Emergency:
https://academic.oup.com/bioscience/advance-article/doi/10.1093/biosci/biz088/5610806