Deutschland

Deutschland braucht mehr als doppeltes Tempo für Klimaziele

Die deutsche Wirtschaft erholt sich von der Pandemie. Doch sie muss sich in kurzer Zeit erheblich verändern, damit das Land seine verschärften Klimaziele erfüllt.
Robert Habeck zeigt die Emissionsentwicklung in Deutschland, Januar 2022. picture alliance / Geisler-Fotopress / Frederic Kern / Geisler-Fotopress Robert Habeck zeigt die Emissionsentwicklung in Deutschland, Januar 2022.

Deutschland ist wirtschaftlich relativ robust durch die Pandemie gekommen. Zwar brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Coronaj-Jahr 2020 ein. Doch schon 2021 erholte sich die Konjunktur: Das BIP stieg um 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr, die Arbeitslosenquote lag durchschnittlich bei 5,7 Prozent. Gründe dafür sind neben der stabilen Ausgangslage auch massive staatliche Unterstützungen und das arbeitspolitische Instrument der Kurzarbeit.

Da zur Bekämpfung der Coronak-Krise weniger Finanzmittel nötig waren als geplant, will die neue Bundesregierung davon 60 Milliarden Euro in einen Transformations- und Klimafonds stecken. Tatsächlich sind die klimapolitischen Herausforderungen Deutschlands so enorm, dass jeder Cent willkommen ist. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Jahr das ursprüngliche Klimagesetz gekippt hatte, musste Deutschland seine Emissionsziele verschärfen. Das neue Ziel lautet, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu mindern. Spätestens 2045 soll Deutschland klimaneutral wirtschaften (siehe Artikel von Hans Dembowski auf www.dandc.eu).

Derzeit befindet sich das Land allerdings auf keinem guten Weg. Kurzfristig sanken die Emissionen zwar cCorona-bedingt. Doch von 2021 bis 2023 werden sie wohl zu hoch sein, wie der neue grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, in seiner „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ prognostiziert. Die bisherigen Maßnahmen seien in allen Sektoren unzureichend, und das Tempo der Emissionsminderung müsse sich bis 2030 mehr als verdoppeln, heißt es in dem Programm, das Habeck im Januar vorstellte. Um die Klimaziele zu erreichen, will die neue Regierung unter anderem:

  • zwei Prozent der Landesfläche für Windkraft verfügbar machen – viermal mehr als bisher,
  • auf gewerblichen Neubauten verpflichtend Solarstrom erzeugen lassen,
  • die Produktion grünen Wasserstoffs hochfahren,
  • bis 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge schaffen und
  • die Verfahren für den Bau erneuerbarer Energien beschleunigen.

Die Spitzenverbände der Wirtschaft sind diesen Plänen im Wesentlichen nicht abgeneigt. Sie wissen, dass Deutschland ein enormer struktureller Wandel bevorsteht. Von der Politik erwarten sie vor allem Rahmenbedingungen, die internationale Wettbewerbsfähigkeit erlauben – etwa eine zuverlässige Infrastruktur, niedrige Energie- und Stromkosten sowie weniger Bürokratie.

Von Umweltorganisationen kommt einerseits Zustimmung für Habecks Pläne, insbesondere für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Andererseits argumentieren sie, die deutschen Klimaziele seien noch immer nicht kompatibel mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens. Auch der Klimabewegung Fridays for Future gehen die Maßnahmen nicht weit genug.

Auch die Umsetzung der Regierungspläne stößt schon jetzt auf Widerstände. Beispielsweise gelten in einigen Bundesländern Regelungen, die dem geplanten Ausbau der Windkraft entgegenstehen. Vielerorts protestiert die Bevölkerung gegen den Bau neuer Stromtrassen oder Windräder. Mit Blick darauf betonte Robert Habeck, dass es sich nicht nur um eine technische Debatte handele, sondern eine gesellschaftliche, mit erheblichen sozialen und kulturellen Dimensionen.

Worin sich Politik und Wirtschaft einig sind: Die Transformation des Landes hin zu mehr Nachhaltigkeit und Klimaschutz birgt nicht nur Konfliktpotentzial, sondern auch große Chancen. Deutschland könnte es so gelingen, innovative Lösungen für Probleme zu entwickeln, die auch in anderen Ländern von Interesse sind. So ließen sich Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Wohlstand nachhaltig sichern. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg.


Link
Eröffnungsbilanz Klimaschutz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz:
https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/Energie/220111_eroeffnungsbilanz_klimaschutz.html


Jörg Döbereiner ist Redakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@dandc.eu