Klimakrise
Solares Geoengineering ächten
Im Januar 2022 riefen 13 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem offenen Brief Regierungen weltweit dazu auf, solares Geoengineering, das auf planetarer Ebene ansetzt, zu ächten. Ich habe mich diesem Aufruf angeschlossen – aus guten Gründen.
Globales solares Geoengineering soll die Sonneneinstrahlung insgesamt verringern, um die globale Erhitzung zu bremsen. Der bekannteste Vorschlag lautet, Aerosole in die Stratosphäre einzubringen und die Erde damit vereinfacht gesagt etwas zu verdunkeln. Verfechter sagen, das sei nötig, da die Minderung von Treibhausgasemissionen zu langsam vorankomme.
Zur Abwehr der Gefahren der Klimakrise sollte die Menschheit aber nicht noch viel größere technologische, politische und ethische Risiken eingehen. Aerosole in dieser Atmosphärenschicht hätten unabsehbare globale Auswirkungen. Niemand weiß, was das für das regionale Wetter, für Sonneneinstrahlung, Winde und Niederschläge bedeutet, und welche Folgen dies für unsere Versorgung mit Wasser und Nahrung hätte (siehe Sundus Saleemi auf www.dandc.eu). Es ist schwer, Risiken und Wirksamkeit von solarem Geoengineering vor Anwendung abzuschätzen. Aus unserer Sicht bergen selbst Experimente zu Forschungszwecken ein hohes Risiko. Zudem würde die Anwendung dieser Technologie dem Argument Vorschub leisten, sich mit dem Umbau der Gesellschaft für ein post-fossiles und umweltverträgliches Zeitalter noch Zeit zu lassen.
Aufgrund der großen Unsicherheiten bräuchte es globale Willensbildungsprozesse hinsichtlich der Orte, der Art und Dauer des Einsatzes, des Ausmaßes der angestrebten Abkühlung und der Haftung für möglicherweise entstehende Schäden. In solche Entscheidungen müssten alle betroffenen Länder und die dort lebenden Menschen einbezogen werden. In vielen Ländern mit geringem Einkommen ist die Landwirtschaft bereits jetzt besonders anfällig für Klimafolgen. Voraussichtlich wäre die Landbevölkerung dort von unvorhergesehenen oder unkontrollierbaren Auswirkungen des solaren Geoengineerings existenziell betroffen. Aus diesem Grund haben sich etwa in Schweden indigene Bevölkerungsgruppen massiv gegen ein derartiges Experiment gewehrt und es schließlich verhindert.
Da Länder mit niedrigem Einkommen potenziell besonders betroffen wären, sollten sie das Recht haben, solares Geoengineering zu kontrollieren. Doch andere Länder, die den Einsatz dieser Technologie ermöglichen könnten, würden das wohl kaum zulassen – insbesondere, wenn sie sich so Zeit für die eigene Dekarbonisierung erkaufen möchten.
Für eine legitime Entscheidung über den Einsatz von solarem Geoengineering bräuchte es also nicht nur mehr Wissen, dessen Erwerb riskant ist. Es bräuchte auch demokratisch kontrollierte globale Institutionen, die in der Lage sind, getroffene Entscheidungen durchzusetzen.
Überdies müssten auch die Rechte künftiger Generationen und anderer Lebewesen berücksichtigt werden. Denn die negativen Auswirkungen würden nicht nur die Überlebenschancen von Menschen, sondern auch von anderen Arten betreffen. Da solares Geoengineering, das auf planetarer Ebene wirken soll, nicht besonders teuer ist, erfordert es aus technischer Sicht keine umfangreiche internationale Zusammenarbeit und könnte von Ländern oder Ländergruppen auch gegen den Willen anderer eingesetzt werden. Es besteht also das grundlegende Risiko, dass der Einsatz dieser Technologie eigentlich unregierbar ist.
Aus diesen Gründen halten wir es für angebracht, solares Geoengineering, das auf planetarer Ebene ansetzt, weltweit zu ächten – als Technologie in Forschung und Patentierung sowie als politische Option in internationalen Abkommen oder in nationalen Klimaplänen. Unser Appell richtet sich vor allem an Regierungen und die UN. Aber auch andere können mitmachen: Geldgeber können die Technologie von der Liste förderungswürdiger Aktivitäten streichen, Stiftungen können sich dem Aufruf anschließen, ebenso Universitäten, Forschungsinstitute, zivilgesellschaftliche Organisationen und Verbände, Kommunen sowie einzelne Bürgerinnen und Bürger.
Link
Biermann, F., et al. 2022: Solar geoengineering: The case for an international non-use agreement.
https://wires.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/wcc.754
Imme Scholz ist stellvertretende Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik und wechselt demnächst in den Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung.
iImme.sScholz@die-gdi.de