Welternährung

Keine Lösung

Die Regierungen in Entwicklungsländern versuchen verstärkt, ausländische Agrarinvestoren anzuziehen. Die Folgen sind – ­besonders in Afrika – große öffentlich-private Partnerschaften (Public Private Partnerships – PPPs). Zivilgesellschaftliche Organisationen halten dies nicht für den richtigen Ansatz, um Armut und Hunger zu bekämpfen.
Öffentlich-private Partnerschaften kommen fast nur großen Agrarbetrieben zugute: Bäuerinnen in Tansania. Kai-Uwe Wärner/picture-alliance Öffentlich-private Partnerschaften kommen fast nur großen Agrarbetrieben zugute: Bäuerinnen in Tansania.

An der 2012 auf dem G8-Gipfel in Camp David gegründeten Neuen Allianz für Ernährungssicherung sind die G8-Länder, zehn afrikanische Staaten und mehr als 100 Unternehmen beteiligt. Ihr erklärtes Ziel war bei der Gründung, in zehn Jahren 50 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien. Das soll durch mehr Investitionen des Privatsektors in die afrikanische Landwirtschaft erreicht werden.

Die afrikanischen Länder verpflichten sich nun in Kooperationsabkommen zu Reformen. Diese zielen vor allem darauf ab, die Rahmenbedingungen zugunsten kommerzieller Agrarinvestitionen zu verändern. Im Gegenzug stellen Geberländer finanzielle Entwicklungshilfe und Unternehmen Investitionen in Aussicht.

Nichtstaatliche Organisationen (NGOs) und Bauernverbände wurden an den Verhandlungen der Kooperationsabkommen nicht oder lediglich auf einer Ad-hoc-Basis beteiligt. Dabei bedrohen die Reformen oft Kleinbauern existenziell.

Ein Schlüsselelement der Groß-PPPs ist der Transfer von Land an Investoren, besonders in sogenannten Wachstumskorridoren. Staaten wie Tansania, Malawi und Burkina Faso verpachten Unternehmen Land, das fruchtbar und gut zu erreichen ist. Die Regierungen werben Investoren mit niedrigen Preisen und langen Zeitspannen. Mosambik bietet beispielsweise Pachtverträge über 50 Jahre für nur einen Dollar pro Hektar und Jahr bei reduzierten Unternehmenssteuern von zwei bis fünf Prozent an. Burkina Faso verpachtet Land je nach Investitionshöhe für 18 bis 99 Jahre.

Bei der Landvergabe bevorzugen Regierungen meist Unternehmen. So sind in ­Burkina Faso 78 Prozent der bewässerten Flächen für Investoren vorgesehen und nur 22 Prozent für kleinbäuerliche Betriebe. Kleinbauern haben kaum die Chance, mehr Land zu erhalten, um ihr Einkommen zu verbessern und um Grundnahrungsmittel für sich, ihre Familien und die heimische Bevölkerung anzubauen. Stattdessen wird die großflächige, industrielle Landwirtschaft gefördert. Die Ungleichheit bei der Landverteilung nimmt so zu, und immer mehr Land gerät in die Hände von wenigen Investoren oder Eliten. Eine Untersuchung der unabhängigen Organisation GRAIN hat das für mehr als 100 Länder bekräftigt.

Die Neue Allianz für Ernährungssicherung unterstützt darüber hinaus Bemühungen, in Afrika einen profitablen Markt für Saatgutkonzerne zu etablieren. Es besteht die Gefahr, dass Bauern wegen Patenten auf Saatgut die Rechte an ihrem ­eigenen Saatgut verlieren und althergebrachtes Saatgut verdrängt wird. Letzteres begrenzt die Produktionskosten und ist zudem an lokale Klimabedingungen angepasst. Es ist generell widerstandsfähiger. Traditionelle Sorten sind weniger anfällig für Krankheiten und Schädlinge. Wie das Ziel, 50 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien, konkret erreicht werden soll, ist unklar. Die Absichtserklärungen von Unternehmen, Investitionen zu tätigen, sind nicht öffentlich verfügbar. Deshalb ist unklar, ob und wie sie Beiträge zur Armutsminderung leisten. Leider ist die Neue Allianz generell sehr intransparent. Es werden nur vage Angaben zu Zielen, Zielgruppen und konkreten Vorhaben gemacht.

Die Reformen der Entwicklungsländer zielen einseitig darauf ab, Privatinvestoren zu gewinnen. Mehr Wachstum und mehr Produktivität sollen die Armut reduzieren, so das Credo. Ignoriert wird, dass heute Menschen nicht hungern, weil zu wenig Nahrung produziert würde, sondern weil sie kaum Zugang zu Land, Wasser und fairen Märkten haben und zu wenig Geld haben, um sich ausreichend Lebensmittel zu kaufen. Die Themen Verteilungsgerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit blendet die Neue Allianz aus.


Hungerrisiko

Groß-PPPs bergen ein immenses Hungerrisiko. Denn sie verschärfen Ungleichheit und sehen keine zielgruppenspezifischen Maßnahmen für arme Menschen vor. Die Expansion der industriellen Landwirtschaft drängt die Mehrheit der marginalisierten Bauern weiter an den Rand. Diese Kleinbauern werden weiterhin von der Entwicklung abgekoppelt. Maßnahmen, die nur bessergestellten Landwirten zugutekommen und die Ärmsten schlechter- oder zumindest nicht besserstellen, sind nicht der richtige Ansatz, um Armut und Hunger zu bekämpfen.

Oxfam ist der Auffassung, dass es effektivere, praxistaugliche Ansätze für öffentliche Investitionen gibt, die eher ländliche Armutsgruppen erreichen und gleichzeitig die Umwelt schützen. Ein Bündnis von zwölf Organisationen, darunter Oxfam, FIAN, der BUND, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und der Weltladen-Dachverband, fordern deshalb in Deutschland im Rahmen einer gemeinsamen Unterschriftenaktion „Keine Entwicklungshilfe für Agrarkonzerne“. Entsprechend der „Neuen Vision für die Landwirtschaft“ des Weltwirtschaftsforums zielt auch die German Food Partnership (GFP) darauf ab, die landwirtschaftliche Produktivität in Entwicklungsländern zu steigern und die Produktionskette zu verbessern. Für Projekte wollen das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Privatunternehmen und die Bill & Melinda Gates-Stiftung insgesamt 80 Millionen Euro bereitstellen. Ein Schwerpunkt wird auf Schulungen für Bauern gelegt.

GFP-Unternehmen sind beispielsweise bei der „Better Rice Initiative“ in Indonesien direkt an der Entwicklung und Durchführung von Trainingsprogrammen beteiligt und finanzieren Agrarberater. Der Chemiekonzern BASF hat für das GFP einen Projektmanager eingestellt, der ein Team von Koordinatoren leitet. Die GFP-Unternehmen können bei der GFP zudem für ihre Produkte werben, die auf Demonstrations- und Versuchsflächen eingesetzt werden. Anders als Bauernverbänden und der Zivilgesellschaft räumt das BMZ Großkonzernen weitreichende Möglichkeiten ein, das Konzept zu prägen.  Aus Sicht von Bayer Crop Science ist es klar, worum es geht: „Unser Business ist der Verkauf von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut.“

Zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland sind dagegen, dass deutsche Entwicklungsgelder Unternehmen beim Verkauf unterstützen und ihnen neue Märk­te erschließen. Ohnehin ist das Entwicklungsmodell der input- und kapitalintensiven Landwirtschaft problematisch. Es ist ökologisch destruktiv, die Agrarproduktivität durch den Einsatz von immer mehr synthetischem Dünger, Pestiziden, Hybridsaatgut und Agrartechnik nach dem Muster der Grünen Revolution zu steigern. Das ist keine nachhaltige Alternative zu traditionellen Anbaumethoden und Saatgutsorten.

Entwicklungspolitisch bedenklich ist insbesondere, dass nicht die Menschen, die unter Hunger leiden, im Mittelpunkt stehen. Kleinbauern oder ihre Organisationen wurden nicht von Anfang an beteiligt. Dabei verlangt eine menschenrechtliche Perspektive, vorrangig marginalisierte Gruppen zu fördern und einzubeziehen
 

Marita Wiggerthale ist bei Oxfam für das Thema Welternährung zuständig.
mwiggerthale@oxfam.de