Engagement des Privatsektors
50 Stadtbahnlinien pro Jahr
Allein in Asien werden laut James Leather von der Asiatischen Entwicklungsbank (Asian Development Bank – ADB) jährlich bis zu 100 Milliarden Dollar für die öffentliche Verkehrsinfrastruktur benötigt. Etwa 50 Stadtbahnlinien müssten jedes Jahr gebaut werden, um den Bedürfnissen von immer mehr Stadtbewohnern gerecht zu werden, schätzt er: „Der Bedarf an Investitionen des Privatsektors ist riesig.“ Ein positives Beispiel, das er auf dem Development Finance Forum der KfW im Dezember in Frankfurt erwähnte, ist Bangkok. Die thailändische Hauptstadt nutzte ÖPPs für den Bau von Nahverkehrszügen und Mautstraßen. „Die Regierung hätte es allein nicht getan“, sagt Leather.
Auch Lateinamerika braucht mehr und bessere Verkehrsinfrastruktur. „In Brasilien müssen wir sie mehr als verdoppeln“, sagt Anie Amicci von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES. Die Beiträge des Privatsektors seien unerlässlich, allerdings sei „das Investitionsumfeld schwierig“. Die Straßenbahn in Rio de Janeiro (siehe KfW-Beilage in E+Z/D+C Druckheft 09-10/2018) sei ein Best-Practice-Beispiel. Doch laut Amicci ist es schwierig zu kopieren, denn die Privatwirtschaft verlange mehr Garantien, als die Kommunen bisher böten. Sie sieht große Herausforderungen für Brasilien, denen sich die Regierung stellen müsse. Wichtig sei ein geeigneter Regulierungsrahmen: „Wir sind dabei, Verkehrsbehörden auf nationaler und kommunaler Ebene einzurichten, die einen guten Überblick über das System haben.“ Zu den Herausforderungen gehöre auch, den informellen Verkehr zu formalisieren und ein einheitliches Ticketsystem für alle Verkehrsmittel einzuführen. Zudem benötige der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) Subventionen, „denn die Fahrpreise werden die Kosten in Brasilien niemals decken“.
Für Reinhard Fitz von der österreichischen Firma Doppelmayr, die in der bolivianischen Hauptstadt La Paz und anderen Ballungsräumen weltweit Seilbahnen für den Nahverkehr gebaut hat, liegt der Schlüssel für Investitionen in einer „starken Partnerschaft“. „Wir brauchen eine verlässliche Zusammenarbeit, die Regierung sollte von Anfang an beteiligt sein“, sagt er. Sein Unternehmen will Garantien, dass Subventionen fließen, wenn die Einnahmen unter ein bestimmtes Niveau sinken. Andererseits sollten die Partner aus dem öffentlichen und privaten Sektor die Einnahmen teilen, wenn sie ein bestimmtes Niveau überschreiten. Fitz weist auch darauf hin, dass Investitionen bereits in Projektvorbereitungsphasen nötig sind – etwa für Machbarkeitsstudien – und hält eine Beteiligung der öffentlichen Hand hierbei für geboten, da der ÖPNV eine öffentliche Dienstleistung sei.
Diese Ansicht wird in Lateinamerika laut Paloma Ruiz von der lateinamerikanischen Entwicklungsbank Corporación Andina de Fomento (CAF) mehrheitlich nicht geteilt. Subventionen seien daher die Ausnahme. Ruiz fordert einen Sinneswandel: „Das Auto ist nicht mehr der König“, und „die Verbesserung der Beförderung ist Teil der Verbesserung der Lebensqualität“. In Lima zum Beispiel, wo es fast keinen ÖPNV gebe, stiegen die Mittel- und Oberschicht zunehmend aufs Fahrrad um – nicht aus Umweltbewusstsein, sondern weil der Verkehr schrecklich sei und Fahrräder schneller als Autos. Ruiz fordert, die Bedingungen für Fußgänger zu verbessern und Stadtbahnen und Schnellbussysteme (Bus Rapid Transit – BRT, siehe Nicholas Hollmann in E+Z/D+C e-Paper 2016/10, Schwerpunkt) in Großstädten einzuführen. „Das ist eine große Entwicklungsherausforderung.“