Gesundheit
Eine vermeidbare Krankheit

Bei Lena, einer 44-jährigen Fischhändlerin aus Kenia, wurde im vergangenen Jahr Gebärmutterhalskrebs festgestellt, nachdem sie monatelang Schmerzen und Blutungen gehabt hatte. Vor der Diagnose hatte sie nie von dieser Art Krebs gehört. Auch ihre 18, 22 und 24 Jahre alten Töchter nicht. Erst als die Mutter mit der Behandlung begann, erfuhren sie, dass die Krankheit früh erkannt und verhindert werden kann.
Gebärmutterhalskrebs wird durch eine chronische Infektion mit dem humanen Papillomavirus (HPV) verursacht. Es gibt mehrere Subtypen dieses Virus, aber den Gebärmutterhalskrebs verursachen meist die Subtypen 16 und 18. Sie gelten als Hochrisiko-Subtypen.
Die Infektion wird durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen, und es ist die chronische Infektion mit den Hochrisiko-Subtypen, die zu Gebärmutterhalskrebs führt. Da Mädchen sich bereits im Teenageralter anstecken können, sollte die Prävention idealerweise beginnen, ehe sie das erste Mal Sex haben.
HPV-Tests
Durch HPV verursachte frühe Veränderungen am Gebärmutterhals sind keine Ursache für Krebs. Sie können mit wenig Aufwand entfernt werden. Unbehandelt können sie jedoch mit der Zeit zu Krebs führen. Dank der langen Zeitspanne zwischen dem Auftreten von Veränderungen und der Entstehung von Krebs können Anomalien über Screening-Tests erkannt und behandelt werden.
Dafür gibt es zwei Ansätze. Der älteste ist der Pap-Abstrich. Dabei werden abnormale Zellen am Gebärmutterhals mikroskopisch untersucht und nachgewiesen. Der neuere Ansatz, der von der WHO empfohlen wird, besteht darin, HPV-Tests auf DNA-Basis für das Screening zu verwenden.
Meist schafft es das körpereigene Immunsystem, eine Infektion abzuwehren, ohne dass Krebs entsteht. Der Nachweis einer HPV-Infektion am Gebärmutterhals bedeutet also nicht gleich ein Krebsrisiko – außer wenn das Immunsystem wie im Falle einer HIV-Infektion bereits geschwächt ist. Kritisch ist vielmehr eine chronische Infektion mit den Hochrisikosubtypen.
In den meisten Ländern mit hohen Einkommen ist die Gebärmutterhalskrebsvorsorge in die medizinische Grundversorgung und Krankenversicherung integriert. Deutschland etwa kombiniert Pap-Abstriche und DNA-basierte HPV-Tests für das Screening. Frauen zwischen 20 und 34 Jahren erhalten einen jährlichen Pap-Abstrich, ab 35 Jahren dann alle drei Jahre einen Pap-Abstrich sowie einen HPV-Test. In Großbritannien wird jede bei einem Hausarzt registrierte Patientin automatisch per Post zum Test eingeladen: 25- bis 49-Jährige alle drei Jahre, 50- bis 64-Jährige alle fünf Jahre.
Lenas Töchter wurden noch nicht getestet, denn die kenianische Krankenversicherung bezahlt keine Vorsorge. Auch zwei der drei Chemotherapien, die Lena benötigt, zahlt die Versicherung nicht, weil Lena nicht genug ins System eingezahlt hat.
HPV-Impfung
Die HPV-Impfung als weitere wichtige Maßnahme gegen Gebärmutterhalskrebs ist in Kenia kostenlos – aber davon hatten Lena und ihre Familie noch nie gehört. Die Impfung verhindert Neuinfektionen, behandelt aber keine bestehenden. Am besten findet sie vor einer HPV-Exposition statt. Wann Mädchen (in einigen Ländern auch Jungen) gegen HPV geimpft werden können, ist von Land zu Land unterschiedlich – je nachdem wann Mädchen Studien zufolge normalerweise anfangen, Geschlechtsverkehr zu haben.
Laut WHO lag die Durchimpfungsrate gegen HPV bei 15-jährigen Frauen in Europa und auf dem amerikanischen Kontinent im Jahr 2023 bei 30 bzw. 67 Prozent. Es gibt also nach wie vor Verbesserungsbedarf. Dennoch sind die Raten erheblich höher als in Afrika und Südostasien, wo durchschnittlich nur 15 bzw. ein Prozent geimpft sind. Fehlende Informationen über die Impfung und die Krankheit stellen auch hier ein großes Problem dar.
Die WHO leitet die „Globale Strategie zur schnelleren Beseitigung von Gebärmutterhalskrebs als Problem der öffentlichen Gesundheit“. Bis zum Jahr 2030 sollen demnach alle Länder einen 90-70-90-Plan durchführen: 90 Prozent aller Mädchen sollen bis zum Alter von 15 Jahren vollständig mit dem HPV-Impfstoff geimpft sein, 70 Prozent der Frauen sollen bis zum Alter von 35 Jahren und erneut bis zum Alter von 45 Jahren mit einem hochentwickelten Test untersucht werden, und 90 Prozent der Frauen mit Krebsvorstufen oder invasiven Krebserkrankungen sollen eine wirksame Behandlung erhalten.
Dieser Plan und weitere Strategien werden in den nächsten 100 Jahren mehr als 74 Millionen Fälle von Gebärmutterhalskrebs und mehr als 62 Millionen Todesfälle verhindern. Leider werden Afrika und Südostasien mit dem derzeitigen Stand der Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen nicht in der Lage sein, Gebärmutterhalskrebs bis 2100 zu eliminieren. Auch der Rest der Welt wird sich mehr anstrengen müssen, wenn der globale Plan umgesetzt werden soll. Neben Aufklärungs- und Informationskampagnen braucht es mehr internationale Solidarität.
Afrikas Hürden
Nur 17 afrikanische Länder haben ein HPV-Screening für Gebärmutterhalskrebs eingeführt, allerdings nicht auf nationaler Ebene.
Die Screening-Deckungsrate liegt also selbst dort bei gerade mal elf Prozent. Ebenso haben nur 28 afrikanische Länder HPV-Impfungen in ihre Routineimpfprogramme aufgenommen. Nur vier von ihnen erreichten bis zum Jahr 2023 eine Durchimpfungsrate von 90 Prozent. Laut der WHO-Regionaldirektorin für Afrika, Matshidiso Moeti, „ist die Belastung durch Gebärmutterhalskrebs in Afrika ein deutliches Beispiel für die Auswirkungen globaler Ungleichheiten, die Barrieren wie knappe Ressourcen, mangelnde Priorisierung durch Geldgeber und letztlich begrenzte Kapazitäten zur Bewältigung der Krankheit verschärfen.“ Afrikanische Gesundheitsminister*innen und Partnerorganisationen, die im vergangenen August in Brazzaville, Republik Kongo, zusammenkamen, betonten die dringende Notwendigkeit eines gerechten Zugangs zu erschwinglichen HPV-Impfstoffen und HPV-DNA-Tests, um die Eliminierung von Gebärmutterhalskrebs voranzutreiben. Den Ländern fehlen auch geeignete Verteilungsmechanismen.
Es ist zudem wichtig zu wissen, dass das derzeitige Routineimpfsystem auf sehr junge Kinder ausgerichtet ist. Diese sind relativ einfach über Kliniken zu erreichen, die das Globale Erweiterte Impfprogramm (Expanded Program of Immunization, EPI) durchführen. Diese Programme waren nicht besonders erfolgreich bei der Bereitstellung von Impfstoffen für Kinder, die älter als ein oder zwei Jahre sind. Die jüngsten Herausforderungen bei der Einführung des Malaria-Impfstoffs zeigen, vor welchen Schwierigkeiten das EPI-System bei der Bereitstellung von Impfstoffen für ältere Kinder und Erwachsene steht. Es müssen mehr opportunistische Zugänge gefunden werden, etwa über Allgemeinmediziner oder Gesundheitsdienste für Mütter. Um sich darauf zu konzentrieren, wie HPV- und andere Impfstoffe älteren Kindern und Erwachsenen effektiv verabreicht werden können, ist ein neues und eigenständiges EPI erforderlich.
Der von UNICEF im Namen der Impfallianz GAVI angewandte Ansatz der gebündelten Beschaffung möchte Impfstoffe für Länder mit niedrigen Einkommen bezahlbar machen. Die Preise konnten dank dieser Strategie deutlich gesenkt werden, und bis Ende 2022 wurden mehr als 16 Millionen Mädchen gegen HPV geimpft.
Da allerdings ein nachhaltiger Finanzierungsmechanismus fehlt, bleibt der Ansatz anfällig. Letztendlich müssen afrikanische Länder die Kapazitäten entwickeln, um ihre eigenen HPV-Impfstoffe – und andere – herzustellen. Derzeit werden nur etwa ein Prozent der benötigten Impfstoffe auf dem Kontinent selbst produziert. Das macht Afrika auf prekäre Weise von globalen Lieferketten und deren Unwägbarkeiten abhängig.
Wir wissen genug über Gebärmutterhalskrebs, um ihn besiegen zu können. Wir verfügen über die Technologie und können die benötigten Instrumente herstellen. Wenn wir unsere Bereitstellungsmechanismen etwas anpassen, sollten wir Frauen und Mädchen überall mit den lebensrettenden Diensten erreichen können, die es braucht, um der Krankheit vorzubeugen und sie als Problem der öffentlichen Gesundheit zu beseitigen.
Frank Ekow Baiden ist außerordentlicher Professor für Public Health und Dekan der Fred N Binka School
of Public Health an der University of Health and Allied Sciences in Ghana.
fbaiden@uhas.edu.gh