Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Ökologische Transformation

Krise als Chance

Seit Beginn der Pandemie haben Staaten weltweit Förderprogramme für die Wirtschaft aufgelegt – in historisch beispiellosem Umfang. Allerdings spielt ökologische Nachhaltigkeit in den meisten Fällen keine Rolle. Dabei bieten „grüne“ Konjunkturprogramme bieten eine große Chance, die Corona-Krise gemeinsam mit den globalen ökologischen Krisen zu bekämpfen. Allerdings wird diese Chance bisher nur unzureichend genutzt.
Nachhaltige Verkehrsoptionen beleben die Wirtschaft - Metrobaustelle 2019 im indischen Nagpur. Nachhaltige Verkehrsoptionen beleben die Wirtschaft - Metrobaustelle 2019 im indischen Nagpur.

Nach Beginn der Covid-19-Pandemie analysierte das Umweltbundesamt (UBA) in einer Metastudie rund 130 Analysen und Stellungnahmen zu Konjunkturprogrammen, die auf nachhaltige Entwicklung zielen. Die Untersuchung zeigte, dass in der Wissenschaft und bei internationalen Organisationen wie Weltbank, Internationaler Währungsfonds (IWF), Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie dem UN-Umweltprogramm (UNEP) ein breiter Konsens in Bezug auf die Notwendigkeit solcher Programme und ihrer Vorteile besteht.

Studien belegen, dass sogenannte „grüne“ Maßnahmen sehr gut zur Konjunkturbelebung beitragen können, teilweise sogar besser als konventionelle Maßnahmen. So zahlen sich Investitionen in erneuerbare Energien gesamtwirtschaftlich stärker aus als staatliche Förderung fossiler Energien. Auch Investitionen in den Naturschutz können einen sehr hohen Multiplikatoreffekt haben, was bedeutet, dass sie hohe Nachfrage- und Beschäftigungswirkungen nach sich ziehen. Ausgaben in eine nicht nachhaltige Landnutzung wirken sich hingegen eher negativ auf die Wirtschaft aus.

Kriterien für grüne Konjunkturmaßnahmen

Die Wissenschaft ist sich weitgehend einig darüber, welche Kriterien grüne Konjunkturmaßnahmen erfüllen sollten. Wichtig ist, dass sie:

Manche Förderbereiche sind für Nachhaltigkeitskonjunkturprogramme besonders geeignet. Dazu zählen nichtfossile Energieerzeugung, energetische Gebäudesanierung, Maßnahmen für nachhaltige Mobilität und die ökologische Transformation der Industrie. Unter den letztgenannten Aspekt fallen beispielsweise der Aufbau einer auf Wasserstoff basierenden Wirtschaft sowie die Förderung von Technologien, die eine höhere Energie- und Materialeffizienz ermöglichen. Sehr positiv bewertet werden oft auch Maßnahmen zur Klimaanpassung und sogenannte naturbasierte Lösungen (Nature Based Solutions) wie etwa Aufforstung.

Welche Maßnahmen im Einzelnen umsetzbar und sinnvoll sind, hängt auch von den landesspezifischen Gegebenheiten ab, etwa von der Wirtschaftsstruktur, den administrativen, technischen und finanziellen Kapazitäten eines Landes sowie von der Verfügbarkeit von Projekten, die bereits geplant sind und schnell umgesetzt werden können.

Auswertungen bestehender Green-Recovery-Programme zeigen deutliche Unterschiede. Während in Industrieländern die Palette der Förderbereiche sehr breit ist, konzentrieren sich die Maßnahmen in Schwellen- und Entwicklungsländer oft auf den Ausbau erneuerbarer Energien – vor allem von Solarenergie – und auf Maßnahmen zum Erhalt des Naturkapitals, also von wirtschaftlich bedeutsamen Ökosystemleistungen wie Wälder oder Meeresschutzgebiete.

Gefahr von Strohfeuereffekten

Studien zu grünen Konjunkturprogrammen während der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 zeigen, dass die Gefahr von Strohfeuereffekten besteht. So gingen die globalen Treibhausgasemissionen im Jahr 2009 zwar leicht zurück, im Jahr 2010 wuchsen sie jedoch schon wieder kräftig. Wesentliche Gründe für den Anstieg waren die niedrigen Energiepreise und hohe staatliche Ausgaben für Aktivitäten, die auf fossilen Energien beruhen.

Es ist daher erforderlich, alle Konjunkturmaßnahmen auf umwelt- und klimaschädliche Wirkungen zu prüfen und grüne Konjunkturprogramme in strukturelle Reformen einzubetten. Dazu gehört unter anderem, umweltschädliche Subventionen abzubauen und eine CO2-Bepreisung umzusetzen. Außerdem müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut und Vorgaben für grüne Investitionen gemacht werden.

Wichtig ist auch die Ausweitung grüner Finanzinstrumente, der Aufbau grüner Infrastrukturen – etwa Ladesäulen für Elektromobilität, Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Stromnetze – und Qualifizierungsmaßnahmen, damit die sozial-ökologische Transformation nicht durch Fachkräftemangel gehemmt wird.

Politik hinkt hinterher

Mehr als zwei Jahre nach dem Beginn der Corona-Krise stellt sich die Frage, inwiefern die Politik die genannten Vorschläge aus der Wissenschaft beherzigt hat und in welchem Umfang grüne Maßnahmen zur Konjunkturbelebung eingesetzt wurden. Die Antwort darauf ist eher ernüchternd: Aus globaler Perspektive war der Anteil grüner Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Krise relativ gering, wobei große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern bestehen.

Das Global Recovery Observatory, eine vom-UN Umweltprogramm (UNEP), dem IWF und der GIZ ins Leben gerufenen Plattform, die Wissensaustausch und grüne Steuerpolitik fördert, verfolgt die Covid-19-Konjunkturausgaben der Länder. Nach seinen Schätzungen beliefen sich die wetlweiten Ausgaben insgesamt auf rund 18 Billionen US-Dollar (Stand August 2022). Der größte Teil davon waren kurzfristige Rettungsmaßnahmen. Nur etwas mehr als 3 Billionen US-Dollar wurden für Maßnahmen zuw Wiederbelebung der Wirtschaft ausgegeben, davon knapp ein Drittel für grüne Maßnahmen.

Verglichen mit der Finanzkrise 2008/2009 hat der Stellenwert grüner Konjunkturmaßnahmen immerhin deutlich zugenommen. Dies gilt unter anderem für zahlreiche EU-Länder, auch weil der Wiederaufbaufonds der EU erhebliche Finanzmittel für grüne Maßnahmen bereitstellte.

Global betrachtet entfällt der größte Teil der grünen Konjunkturausgaben auf relativ wenige Staaten, wobei es sich vor allem um Industrieländer handelt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass Entwicklungs- und Schwellenländer über weit geringere Finanzmittel verfügen. Im Jahr 2020 gaben die Industrieländer laut UNEP pro Kopf 17-mal mehr für Konjunkturprogramme aus als Entwicklungs- und Schwellenländer. Dies unterstreicht, wie wichtig Schuldenerleichterungen und eine gezielte finanzielle Unterstützung durch die Industrieländer sind, um grüne Maßnahmen auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern zu ermöglichen.

Die positiven Umweltwirkungen werden zudem häufig durch negative Wirkungen anderer Konjunkturmaßnahmen konterkariert. Der IWF stellte fest, dass in der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) 1,4 Prozent der 2020 getätigten Corona-Ausgaben eine positive Klimawirkung hatten, während 1,7 Prozent klimaschädlich waren.

Analysen des Global Recovery Observatory kommen zu dem Ergebnis, dass nur 3 Prozent der Ausgaben zur Wirtschaftsbelebung einen positiven Effekt auf das Naturkapital haben, aber 17 Prozent der Ausgaben einen negativen Effekt. Bezogen auf das Ziel der Luftreinhaltung halten sich die Ausgaben mit einem positiven und einem negativen Effekt in etwa die Waage. Diese Ergebnisse sind erschreckend und unterstreichen, wie wichtig es ist, alle Konjunkturmaßnahmen einem Umwelt- und Nachhaltigkeitscheck zu unterwerfen. Ob die Welt insgesamt infolge der Corona-Programme grüner aus der Krise hervorgehen wird, lässt sich derzeit nicht sagen. Für ein abschließendes Urteil ist es noch zu früh, da einige Programme noch laufen und quantitative Wirkungsanalysen oft noch fehlen.

Durch den Krieg in der Ukraine befindet sich die Welt nun erneut in einer Wirtschaftskrise. Auch hier wird es entscheidend sein, mit welchen Maßnahmen die Krise bekämpft wird. Werden die stark gestiegenen fossilen Energiepreise als Chance genutzt, um Energieeffizienz, grüne Energien und postfossile Produktionsverfahren verstärkt zu fördern, kann die Krise zum Katalysator einer nachhaltigen Entwicklung werden. Dabei brauchen die Entwicklungs- und Schwellenländer dringend Unterstützung, denn der aktuelle Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise und die wirtschaftliche Krise engen ihre Finanzierungsspielräume zusätzlich ein. Besteht die Antwort auf den rapiden Anstieg der fossilen Energiepreise und die Knappheiten bei der Gasversorgung dagegen in weiteren Subventionen für fossile Energien und in der Erschließung neuer fossiler Energiequellen, dürften die Ziele des Pariser Klimaabkommens kaum mehr zu erreichen sein.


Quellen

Umweltbundesamt, 2020: The Green New Consensus. Studie zeigt breiten Konsens zu grünen Konjunkturprogrammen und strukturellen Reformen. 

Green Fiscal Policy Network (UNEP, IMF, GIZ) und Universität Oxford: Global Recovery Observatory.

IMF Working Paper, 2021: Monitoring the climate impact of fiscal policy – lessons from Tracking the COVID-19 response.


Andreas Burger leitet das Fachgebiet Wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Umweltfragen, nachhaltiger Konsum am Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau.
andreas.burger@uba.de