Klima
Investitionen jetzt!
„Der Klimawandel ist ein unfaires Problem und er bedroht die Entwicklungsziele ernsthaft“, sagte bei der deutschen Präsentation des Weltentwicklungsberichts (WDR) 2010 Co-Autor Alexander Lotsch in Berlin. Selbst wenn es gelingt, die globale Erderwärmung auf zwei Grad Celsius bis ins Jahr 2050 zu begrenzen, werden rund 100 bis 400 Millionen Menschen weltweit mehr an Hunger leiden als bisher, wie der Weltbankmitarbeiter ausführte. Die Trinkwasserversorgung für ein bis zwei Milliarden Menschen sei nicht gesichert, Naturkatastrophen und Überschwemmungen nähmen zu. Verursacht hätten das zu zwei Dritteln die Industrienationen – betroffen von den Folgen seien aber zu 75 bis 80 Prozent die Entwicklungsländer.
Doch nach Meinung von Lotsch ist eine „klima-smarte“ Welt noch möglich, wenn schnell, gemeinsam und anders als bisher gehandelt werde. Zentral sei die vollständige Umstellung des globalen Energiesystems. Für kohlestoffarmes Wirtschaftswachstum müsse erheblich in die technologische Entwicklung investiert werden. Um die Weltenergiesysteme von Grund auf zu transformieren, werden dem Report zufolge jährlich Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen in Höhe von 100 bis 700 Milliarden Dollar benötigt. Bislang wird jedoch nur ein Bruchteil dessen aufgewendet.
Aber die Zeit läuft: „Wenn wir warten, steigt der Meeresspiegel und viele Optionen gehen verloren. Es muss heute investiert werden, denn das hat langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft. Und Anpassung braucht Zeit“, warnte Lotsch.
„Es ist ein politisches Ausrufezeichen, dass die Weltbank das Thema in den Mittelpunkt rückt“, sagte der Gründer des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans-Joachim Schellnhuber. „Das war vor fünf bis sieben Jahren noch undenkbar.“ Die Krux mit dem Klimawandel sei, dass niemand wirklich daran glaube, dass die Prognosen Wirklichkeit werden könnten, sagte Schellnhuber. Bisher erscheine es noch als Science Fiction, dass das gefühlte Klima in Oslo den heutigen Temperaturen in Zentralspanien entsprechen könnte. Doch laut Schellnhuber wird das in weniger als vierzig Jahren so sein. Und in Berlin werde es im Jahr 2050 so warm sein wie heute in Nordafrika.
„Eine gelungene Entwicklung ist die beste Voraussetzung dafür, mit dem Klimawandel fertig zu werden“, sagte Manfred Konukiewitz vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Niederlande und Bangladesch hätten das gleiche Problem, führte er als Beispiel an, dass jeweils ein Drittel des Landes unter dem Meeresspiegel liege. Die Holländer hätten aber, anders als die Bengalen, Kapital und Fachwissen, um sich auf höhere Wasserstände einzustellen.
Dem WDR 2010 geht es nicht um Klimaschutz oder Wachstum, sondern um Klimaschutz und Wachstum. Aus Gründen der Gerechtigkeit, so heißt es, müssen Industrieländer Entwicklung und kohlenstoffarmes Wachstum in ärmeren Ländern technisch und finanziell unterstützen.
Eine besonders wichtige Rolle spielt dabei der globale Emissionshandel, meinte Schellnhuber. Er könne für einen Ausgleich sorgen zwischen Verursachern und Leidtragenden des Klimawandels. Er warnte: Wenn alle ein Konsumniveau hätten wie die USA, wäre nicht mehr viel zu retten.
Schellnhuber sagte, es gehe darum, „unbeherrschbaren Klimawandel“ zu vermeiden. „Ohne Klimaschutz ist Entwicklung eine Utopie“, führte er aus und verglich die heutige Lage der Menschheit mit der Titanic. „Es ist irrelevant, soziale Missstände auf dem Schiff zu beklagen, wenn dieses gerade dabei ist, zu sinken.“ (eli)