Governance

Kluft von Arm und Reich verhindert Klimagerechtigkeit

Die Lasten der Klimakrise müssen gerecht verteilt werden – sowohl zwischen reichen und ärmeren Weltregionen als auch zwischen den Reichen und Armen innerhalb einzelner Gesellschaften.
Der Taifun Noru verursachte 2022 in der Provinz Bulacan auf den Philippinen heftige Überschwemmungen. picture alliance / EPA | ROLEX DELA PENA Der Taifun Noru verursachte 2022 in der Provinz Bulacan auf den Philippinen heftige Überschwemmungen.

Die Klimakrise ist extrem ungerecht: Die stärksten Auswirkungen drohen Ländern mit niedrigen Einkommen, die am wenigsten zum Entstehen der Krise beigetragen haben, aber auch die geringsten Möglichkeiten haben, sich auf Klimafolgen einzustellen.

So groß die Unterschiede zwischen den Weltregionen auch sind – noch größer sind sie laut Climate Inequality Report mittlerweile zwischen Arm und Reich. Herausgegeben hat den Bericht das World Inequality Lab, ein internationaler Zusammenschluss von Wissenschaftler*innen. Ihnen zufolge verursacht das reichste Prozent der Weltbevölkerung in absoluten Zahlen deutlich mehr Klimaemissionen als die ärmsten 50 Prozent.

Massive Ungleichheiten bestehen innerhalb von Gesellschaften. Dem World Inequality Lab zufolge stoßen in allen Weltregionen die jeweils reichsten zehn Prozent erheblich mehr Treibhausgase pro Kopf und Jahr aus als die ärmere Hälfte. In Nordafrika und dem Nahen Osten sowie südlich der Sahara emittieren sie etwa 15-mal mehr, in Ostasien knapp 14-mal mehr und in Süd- und Südostasien 12-mal mehr. Zum Vergleich: In Europa beträgt der Faktor knapp sechs und in Nordamerika knapp sieben. Die absoluten Werte der reichsten zehn Prozent sind in Nordamerika mit Abstand am höchsten. Die arabischen Länder und Ostasien liegen vor Europa.

Innerhalb einzelner Gesellschaften trifft die Klimakrise marginalisierte Gruppen am stärksten, darunter Frauen und benachteiligte Minderheiten. Wer aber ohnehin benachteiligt ist und weder Ersparnisse noch Grundbesitz hat, kann sich auch schlechter vor Klimafolgen schützen.
Vor allem klafft die Kluft der Klimaungerechtigkeit aber zwischen den Generationen auf. Junge Leute haben die Klimakrise nicht herbeigeführt, müssen aber noch am längsten mit ihr leben – ihre Lebensaussichten verdüstern sich permanent. Sowohl Marginalisierte als auch die junge Generation müssen deshalb bei Entscheidungen, die sie betreffen, mitreden können.

Enorme Veränderungen sind nötig: Insbesondere reiche Länder müssen ihre Emissionen viel stärker reduzieren als bisher. Sie müssen endlich ihr Versprechen erfüllen, ärmeren Staaten jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutz und -anpassung zur Verfügung zu stellen. Der Fonds für Klimaschäden, beschlossen auf dem vergangenen Klimagipfel in Scharm el-Scheich, ist ein Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit. Er muss zügig gefüllt werden.

Die nötige Umstellung der Ökonomien weg von fossilen Energieträgern hin zur klimaneutralen Kreislaufwirtschaft bringt manchen Bevölkerungsgruppen Nachteile. Zur Klimagerechtigkeit gehört deshalb „Just Transition“, ein gerecht gestalteter Übergangsprozess. Es muss verhindert werden, dass betroffene Gruppen und Regionen in Armut abstürzen. Klar ist aber auch, dass nicht alle Nachteile kompensiert werden können.

Dass der Lebensstil der Reichsten die Klimakrise überproportional stark befeuert, muss politische Konsequenzen haben. Wenn es bei globaler Nachhaltigkeit gerecht zugehen soll, müssen sie Privilegien verlieren. Extreme Ungleichheit lässt sich mit Steuern und Gesellschaftspolitik reduzieren. Zusätzliche Staatseinahmen können Klimaanliegen dienen. Dass Konzerne weiterhin mit klimaschädlichen Geschäftsmodellen Milliardengewinne machen, ist nicht zeitgemäß. Gerichte prüfen bereits, ob sie nach aktuellem Recht stärker in die Verantwortung genommen werden können. Das Umweltrecht lässt sich aber auch verschärfen – auf nationaler wie internationaler Ebene.

Jörg Döbereiner ist Redakteur bei E+Z/D+C.
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