Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Müllmanagement

Alles andere als Abfall

Gerade die in Schwellen- und Entwicklungsländern schnell wachsenden „Megacities“ und urbanen Ballungsräume müssen Lösungen für ihre rasant zunehmenden Müllmassen finden. Der Aufbau nachhaltiger Abfallmanagementsysteme stellt jedoch eine große Herausforderung dar und ist langwierig. Die KfW Entwicklungsbank plant, ihr Engagement im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu intensivieren, und entwickelt dabei neue Konzepte, um die Potenziale des Sektors zu mobilisieren. Ein Beispiel ist Tunesien. Dieser Beitrag entstand im Rahmen einer KfW-Beilage zu E+Z/D+C.
Zum Recycling ist eine sortenreine Müllsammlung sehr wichtig: Plastikverschlusskappen in Tunesien. KfW Photo Archive/photothek.net Zum Recycling ist eine sortenreine Müllsammlung sehr wichtig: Plastikverschlusskappen in Tunesien.

W erden Abfälle nicht entsorgt, ist dies nicht nur ein Ärgernis, sondern es birgt viele Risiken in sich. Müllablagerungen verschandeln die Landschaft und kontaminieren nutzbare Flächen. Sie sind Brutstätten für Krankheitsüberträger und Nahrungsquelle für Ratten und Ungeziefer. Besonders die ärmere Bevölkerung ist hiervon schutzlos betroffen. „Wilde“ Müllkippen verunreinigen das Trinkwasser und gefährden Gewässer, Luft, Boden, Flora und Fauna. Auch das Klima leidet darunter. Zehn bis 15 % der gesamten nationalen Treibhausgasemissionen eines Landes könnten durch gutes Abfallmanagement und Recycling vermieden werden.

Die Kommunen – in der Regel für die Müllentsorgung zuständig – sind der komplexen Aufgabe kaum gewachsen. Die Abfallentsorgung „verschlingt“ einen großen Teil ihrer oft knappen Mittel. Kommunen in Entwicklungsländern verwenden zwischen 20 und 50 % ihres Budgets allein für die Sammlung von Abfällen. Dennoch erhalten viele Bewohner keine geregelten Entsorgungsdienstleistungen. Ein Teil der Abfälle – hauptsächlich in den Armutssiedlungen – wird überhaupt nicht abtransportiert und bleibt im Wohnumfeld liegen.

Ein Land, das die KfW Entwicklungsbank seit Ende der 1990er Jahre beim Aufbau einer geordneten Abfallwirtschaft unterstützt, ist Tunesien. Seit 2002 konnte das Land über seinen nationalen Träger „ANGed“ sukzessive eine Basisentsorgungsinfrastruktur schaffen, die etwa 85 % der Bevölkerung erreicht. Sie besteht vor allem aus Abfallumladestationen und geordneten Deponien und erfüllt die Grundanforderungen an eine umweltverträgliche Entsorgung.

Bereits im Jahr 2008 wurden erste Konzepte entwickelt, um die Müllentsorgung in Tunesien hin zu einer Kreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln, erklärt Wolfgang Pfaff-Simoneit, Technischer Sachverständiger im Team Wasser- und Abfallwirtschaft MENA (Middle East/North Africa) bei der KfW. Kreislaufwirtschaft bedeutet, dass die eingesetzten Rohstoffe wieder vollständig in den Produktionsprozess zurückgelangen sollen, wobei neben dem Recycling von Gütern die Verwertung der organischen Abfälle, die über 60 % des Aufkommens ausmachen, im Fokus steht. Die Umwälzungen der tunesischen Revolution, die 2010 begann, haben die Rahmenbedingungen für die Planung und Umsetzung von Entsorgungsanlagen grundlegend verändert. Die Bevölkerung stelle das Verwaltungshandeln in Frage und die Akzeptanz von Entsorgungsanlagen sei drastisch zurückgegangen. Die ANGed ist nun dabei, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. Sie ist gefordert, ihr Handeln gegenüber der Öffentlichkeit zu begründen und demokratische Formen und Verfahren der Partizipation der Zivilgesellschaft zu praktizieren. Die KfW unterstützt daher ANGed und tunesische Behörden bei der Entwicklung partizipativer Formen des Verwaltungshandelns (‚Change Management‘) und der Durchführung eines nationalen Dialogs zur Abfallentsorgung.

„Entsorgungsanlagen werden besser akzeptiert, wenn die Menge der Abfälle so weit wie möglich reduziert wird“, erklärt Pfaff-Simoneit. Dann können die für die Entsorgungsanlagen benötigten Flächen reduziert und Umweltrisiken minimiert werden. Für Tunesien habe sich das bisherige Konzept der geordneten Deponie aufgrund der Abfalleigenschaften und klimatischen Bedingungen nicht bewährt, sagt der KfW-Experte.

„Für Tunesien eignet sich eine mechanisch-biologische Abfallbehandlung in besonderer Weise“, so Pfaff-Simoneit, was ein Pilotversuch 2014/2015 belegt hat. Die erforderliche Ablagerungsfläche kann drastisch reduziert und Treibhausgasemissionen können nahezu vollständig vermieden werden. Aufgrund der positiven Ergebnisse hat die tunesische Regierung Ende 2016 beschlossen, sämtliche Deponien mit Anlagen zur mechanisch-biologischen Abfallbehandlung nachzurüsten und neue Anlagen von vornherein mit dieser Technologie auszustatten.

Auch in Tunesien bestätigt sich eine wichtige Erkenntnis zur Abfallwirtschaft: Es ist in Entwicklungsländern nicht sinnvoll, Müll mit möglichst wenig Personal und hohem Maschineneinsatz zu sammeln und zu trennen. Die Sammlung und Sortierung von Abfällen bietet erhebliche Chancen, dauerhafte Jobs auch an wenig qualifizierte Menschen zu vergeben. „Es kostet meist nicht mehr, wenn viele Menschen angestellt werden“, erklärt Pfaff-Simoneit. Denn Arbeitskräfte sind nicht teuer, wohl aber die Anschaffung importierter Müllautos und anderer Maschinen. Um Abfälle dauerhaft und wirtschaftlich wiederverwerten zu können, ist es sehr wichtig, sie früh zu trennen und die verwertbaren Bestandteile möglichst sortenrein zu erfassen. In Tunesien übernehmen das Recycling derzeit vor allem informelle Sammler. Maßnahmen im Abfallsektor sollen deshalb auch immer darauf abzielen, die Arbeits- und Lebensbedingungen der informellen Kräfte zu verbessern.


Link
KfW-Beilage in E+Z/D+C:
https://www.kfw-entwicklungsbank.de/PDF/Download-Center/PDF-Dokumente-Medienkooperation-mit-E-Z/2017_10_Engagement_fuer_saubere_Meere.pdf