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Krieg in Syrien

Einblicke in ein kriegsgebeuteltes Land

Seit inzwischen fast acht Jahren tobt ein unerbittlicher Krieg in Syrien. Doch die Welt scheint daran zunehmend das Interesse zu verlieren. Die Journalistin Rania Abouzeid gibt in einer bewegenden Reportage den Menschen in Syrien ein Gesicht.
Die Akteure im Land haben die Situation schon lange nicht mehr selbst in der Hand: Mitglied der Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces – SDF) in den Trümmern der Altstadt von Rakka 2017. Morukc Umnaber/picture-alliance/dpa Die Akteure im Land haben die Situation schon lange nicht mehr selbst in der Hand: Mitglied der Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces – SDF) in den Trümmern der Altstadt von Rakka 2017.

Syrien als einheitlicher Staat existiere nur noch in Erinnerungen und Geschichtsbüchern. An seine Stelle seien mehrere Syriens getreten, schreibt die in Beirut lebende, preisgekrönte Journalistin Rania Abouzeid. In ihrem Buch „No turning back“ lässt sie die unterschiedlichsten Menschen zu Wort kommen und versucht so, der syrischen Tragödie auf den Grund zu gehen.

Was 2011 mit friedlichen Protesten und ein paar Graffiti von Jugendlichen begann, führte im Laufe des immer weiter eskalierenden Krieges zur Auflösung einer ganzen Nation, erklärt die Autorin. Bereits 2013 haben die UN aufgrund der schwierigen Informationslage aufgehört, die Opfer des syrischen Krieges zu zählen. Schätzungen zufolge liegt die Zahl inzwischen bei über einer halben Million. Die Hälfte der syrischen Bevölkerung von 23 Millionen ist auf der Flucht.

Abouzeid bedauert, dass der Westen das Interesse an einer der größten humanitären und geopolitischen Katastrophen unserer Zeit verloren habe. Zu erschreckend seien die Bilder des Krieges, die Lage zu unübersichtlich und ein Ende nicht absehbar. Dabei seien die Folgen längst nicht nur in den Nachbarländern, sondern auch in der EU spürbar – durch die Ankunft von Millionen von Flüchtlingen.

Über fünf Jahre lang reiste Abouzeid immer wieder nach Syrien, an die Frontlinien, in die Türkei, in den Libanon, nach Washington und in diverse europäische Städte, um in zahlreichen Gesprächen mit Menschen in Syrien und auf der Flucht zu ergründen, wie es zu dieser scheinbar ausweglosen Situation kam. Das Ergebnis ihrer Recherchen ist keine weitere nüchterne Berichterstattung von außen, sondern eine bewegende Reportage aus dem Innern des Landes.

Da ist die Geschichte von Suleiman, der zu Beginn des Kriegs ein reicher Geschäftsmann mit Familienbeziehungen zum Regime von Präsident Baschar al-Assad war. Er hatte keine Veranlassung zu protestieren, kannte die Spielregeln. Doch der Mut der Protestierenden und die Aussicht auf politischen Frieden haben ihn in ihren Bann gezogen. Er begann die Proteste zu filmen und im Netz hochzuladen. So geriet er in die Ziellinie von Assads Sicherheitskräften und musste das Martyrium syrischer Foltergefängnisse durchleiden.

Eine Schlüsselfigur ist sicherlich Mohammad, der bereits vor Ausbruch der Revolte dem Regime feindlich gegenüberstand und mit dem radikalen Islam sympathisierte. Mohammad verbrachte viele Jahre in Syriens berüchtigten Foltergefängnissen, in denen er die Schule der Radikalisierung durchlief. Abouzeid erspart dem Leser weder die Grausamkeiten in den Gefängnissen noch Mohammads brutale Vorgehensweise später als Al-Nusra-Kommandant gegen seine Feinde.

Allen Geschichten ist eines gemeinsam: der Schlüsselmoment, in dem das Leben des jeweiligen Menschen auf den Kopf gestellt und er oder sie in den Krieg hineingezogen wurde.

Im Gegensatz zu anderen Kriegsreportern berichtet Abouzeid nicht, was sie sieht und erlebt, sondern lässt die Menschen erzählen. Ihre Geschichten fügen sich wie die Teile eines Puzzles zu einem großen Ganzen: der Tragödie des syrischen Krieges. Die Reportage macht deutlich, dass es keine Gewinner in diesem Krieg geben kann; Verlierer sind die Menschen, egal auf welcher Seite des Konflikts sie stehen.

Die Reportage zeigt aber auch, wie eine ursprünglich friedliche Protestbewegung nach und nach von unterschiedlichen Mächten und Interessen gekapert wurde. Die Akteure im Land haben die Situation schon lange nicht mehr selbst in der Hand.

Mit ihrer bewegenden Reportage gelingt es der Autorin, das Schicksal der Menschen in Syrien wieder in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Denn wer „No turning back“ gelesen hat, wird Nachrichten aus dem kriegsgebeutelten Land mit anderen Augen sehen – er sieht die Menschen dahinter.

Angesichts alarmierender Informationen über die verheerende Menschenrechtslage stellt sich die Frage, ob es eine Chance auf Frieden in einem wiedervereinten Syrien geben kann. In einem aktuellen Lagebericht erläutert das Auswärtige Amt, dass Polizeikräfte, Sicherheits- und Geheimdienst systematisch Folterpraktiken insbesondere gegenüber Oppositionellen und vermeintlich Oppositionellen anwendeten. Dabei schrecke das Regime auch nicht davor zurück, Frauen und selbst Kinder zu foltern.


Buch
Abouzeid, R., 2018: No turning back. Life, loss and hope in wartime Syria. London: Oneworld.

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