Rechtsstaat
Juristische Herausforderungen
Zankäpfel waren unter anderem die Rolle der Religion, die Gewissens- und Meinungsfreiheit und die Gleichberechtigung der Geschlechter. Artikel 1 schreibt dem Islam nun zwar eine zentrale Rolle für die Nation zu, ohne jedoch seine Bedeutung für den Staat eindeutig festzulegen. Allerdings muss der Staatspräsident muslimischen Glaubens sein. Artikel 6 garantiert Glaubens- und Gewissensfreiheit, legt aber gleichzeitig fest, dass der Staat das „Heilige“ beschützen soll.
In Bezug auf die Frauenrechte blieb das frauenfreundliche tunesische Personenstandsrecht in seiner bisherigen Form unangetastet. Neu ist die grundgesetzliche Verankerung der politischen Repräsentation von Frauen in sämtlichen gewählten staatlichen Gremien. Zudem wird der Staat verpflicht, Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen.
Im Dezember 2013 verabschiedete die Mehrheit der Abgeordenten das „Gesetz zur Regelung der Übergangsjustiz“ (Loi sur la Justice Transitionelle). Es soll den Übergang Tunesiens zur Demokratie sichern, indem es die Menschenrechtsverletzungen der Diktaturen von Zine el-Abidine Ben Ali (1987 bis 2011) und Habib Bourguiba (1956-1987) aufarbeitet. Auf seiner Basis hat kürzlich eine 15-köpfige „Wahrheits- und Würdekommission“ (Instance Verité et Dignité) die Arbeit aufgenommen. Ihr gehören kompetente und respektierte Fachleute an. Fraglich ist aber, wie das Gremium mit sehr knapper finanzieller und personeller Ausstattung 55 Jahre Unrechtsregime bewältigen soll.
Tunesien hat Grundlagen geschaffen, um die Vergangenheit aufzuarbeiten und die Demokratie zu stabilisieren. Der Erfolg ist aber noch längst nicht sicher. (ms)
Link:
Bundeszentrale für politische Bildung zu Tunesien:
www.bpb.de/internationales/weltweit/innerstaatliche-konflikte/182896/tunesien