Öffentliche Gesundheit

Impfungen für Afrika

Seit die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1974 das Expanded Programme on Immunisation (EPI) eingeführt hat, gibt es in Afrika deutlich weniger Krankheiten. Dieser Aufsatz behandelt einige der wichtigsten Erfolge sowie politische und technische Hintergründe.
Ein sambisches Kind wird gegen Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus geimpft. Lineair Ein sambisches Kind wird gegen Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus geimpft.

Dank des EPI wurde Immunisierung zum integralen Bestandteil des Gesundheitssektors afrikanischer Länder. Zunächst wurden Kinder gegen sechs Krankheiten geimpft: Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus, Polio, Tuberkulose und Masern. Über die Jahrzehnte wurden die Impfprogramme immer besser. Heute gibt es in Afrika zusätzlich Schutzimpfungen gegen folgende sechs Krankheiten: Röteln, Hepatitis B, Haemophilus influenzae, Rotavirus, Pneumokokken und Gebärmutterhalskrebs.

Dass man Infektionskrankheiten wie Polio und Masern in Afrika in den Griff bekommen hat, gilt als Erfolg des EPI. Natürlich ist es für das Gelingen solcher Programme entscheidend, wie effizient und kompetent nationale Institutionen agieren – politische Instabilität und andere Probleme können dies beeinträchtigen.

Die nationale Impfquote wird anhand der Anzahl der Säuglinge im Land bemessen, die drei Mal den Impfstoff DPT3 erhalten haben. DPT3 schützt vor Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus. EPI hat den Impfschutz in afrikanischen Ländern deutlich erhöht: Noch 1974 erhielten weniger als fünf Prozent der Kinder in Afrika die notwendigen drei Gaben DPT3. 2000 waren es 52 Prozent, 2015 schließlich 76 Prozent. Auch sterben sehr viel weniger Menschen an Masern. Neue lebensrettende Impfstoffe wurden mit großem Erfolg eingeführt, etwa in Südafrika, wo dank der Einführung der Rotavirus-Impfung innerhalb eines Jahres 60 Prozent weniger Kinder unter fünf in die Klinik mussten.

Die größte Errungenschaft ist jedoch, dass schwere Gesundheitsrisiken eliminiert werden konnten oder kurz vor der Eliminierung stehen. Ein erster Triumph war die Ausrottung der Pocken. Der letzte bekannte natürliche Pockenfall wurde 1977 in Somalia gemeldet, 1980 erklärte die WHO die Welt für pockenfrei. Wichtige Erkenntnisse aus der Bekämpfung der Krankheit konnten für EPI genutzt werden:

  • erfolgreiche Impfprogramme erfordern starke Systeme zur Krankheitsüberwachung, weil man ganz genau wissen muss, wie Infektionen sich ausbreiten, und Gesundheitseinrichtungen zügig auf neu auftretende Fälle reagieren müssen,
  • Impfprogramme sollten durch ergänzende Maßnahmen, wie umfassende Aufklärung, unterstützt werden,
  • technische Innovation ist enorm wichtig. Generell bedarf es Kapazitätsaufbau, politischer Zusagen, internationaler Zusammenarbeit und angemessener Ressourcen. Das funktioniert nur, wenn Gesundheitssysteme effizient gestaltet und verwaltet werden. Ihre maximale Wirkung können Impfstoffe nur bei einer hohen Durchimpfungsrate entfalten: auf Bezirks-, Provinz-, und nationaler Ebene sowie innerhalb einer Weltregion.


Krankheiten ausmerzen

Mittlerweile wurde auch das Poliovirus fast ausgerottet. Vor dem EPI gab es drei Arten von Polio-Wildviren (WPV1, WPV2 und WPV3), die Lähmung und Tod von Millionen von Kindern verursachten. Die verbesserten Polio-Impfungen führten zu deutlich weniger Fällen von Lähmung durch Polio. Trotzdem wurden in den späten 1980er Jahren in Afrika immer noch mehr als 1000 Kinder täglich in Folge der Krankheit gelähmt. Seit 1999 ist WPV2 ausgerottet. WPV3 wurde zuletzt 2012 gemeldet. Von 2014 bis 2015 wurde nicht eine wilde Polio-Infektion in Afrika registriert. Dennoch wurde ein Ausbruch von WPV1 zuletzt im August 2016 in Nigeria gemeldet.

Impfungen gegen Polio sind nicht ohne. Die traditionell verwendete Impfung mit dem trivalenten oralen Polioimpfstoff tOPV enthält ein geschwächtes, aber lebendes WPV2-Virus. Selten mutiert es und verursacht – meist in unterimpften Populationen – vom Impfstoff abgeleitete Polio. Zu solchen Einzelfällen kam es 2017 und 2018 in Somalia und der Demokratischen Republik Kongo. Heute sind bessere Impfstoffe verfügbar, tOPV wird nach und nach abgesetzt. Afrika ist dabei, Polio ausrotten.

Jedes Jahr starben mehrere tausend Kinder in Afrika an mütterlichem und frühkindlichem Tetanus (MTN). Meist kommt es bei nicht ordnungsgemäß durchgeführten Geburten zu Infektionen, die durch eine Impfung vermeidbar wären. 43 der 54 afrikanischen Länder hatten Tetanus bis zum Januar 2018 ausgerottet. Impfprogramme und ein guter Zugang zu Gesundheitsversorgung sind zentral.

Auch der Kampf gegen Meningitis schreitet voran. Es gibt weltweit verschiedene Arten des Bakteriums, von dem ein spezifischer Typ (Meningococcal A) in der Vergangenheit tausende Afrikaner tötete. Am schlimmsten betroffen sind die 26 Länder im sogenannten „Meningitis-Gürtel”, von Senegal bis Äthiopien, wo es alle paar Jahre Epidemien gibt. 1996/97 starben bei einem Ausbruch 25 000 Menschen, zehn Prozent der Infizierten. Die afrikanischen Regierungen erklärten die Meningitis-Prävention daraufhin zur obersten Priorität.

Internationale Partner wie die WHO, die Bill und Melinda Gates-Stiftung sowie die US-amerikanischen Zentren für Seuchenkontrolle und -prävention unterstützten sie dabei. Das Meningitis Vaccine Project wurde ins Leben gerufen, ein Projekt zur Immunisierung gegen Meningitis, das Serum Institute of India (SSI) begann mit der Impfstoffentwicklung und konnte MenAfriVac® für einen halben Dollar pro Dosis produzieren. Den Preis für diesen ersten speziell für Afrika entwickelten Impfstoff legten die afrikanischen Gesundheitsmi­nister fest.


Der Weg zum Erfolg

2010 wurde MenAfriVac® im Meningitis-Gürtel eingeführt. Bis 2017 wurden mehr als 270 Millionen Menschen geimpft – mit riesigem Erfolg: Es wird berichtet, dass es in den 21 Ländern, die den Impfstoff verwenden, 99 Prozent weniger Meningitis-Fälle der Gruppe A-Bakterien gab. Bis 2020 sollen mehr als 400 Millionen Menschen mit MenAfriVac® geimpft werden – dadurch werden eine Million Fälle von Meningitis A und somit rund 150 000 Todesfälle und 250 000 Fälle schwerer Behinderung verhindert.

Die internationale Zusammenarbeit erwies sich in vielerlei Hinsicht als unerlässlich. Tatsächlich regten multilaterale Programme häufig auch afrikanische Maßnahmen an, wobei EPI nicht die einzige war. Erwähnenswert sind auch:

  • die Globale Initiative zur Ausrottung von Polio, die die WHO 1988 ins Leben rief,
  • die von privaten und öffentlichen Organisationen unterstützte Children’s Vaccine Initiative von 1991, mit spezieller Zielgruppe Kinder, geleitet von WHO, UNICEF, UNDP, Weltbank und Rockefeller-Stiftung,
  • die UN-Millenniumsentwicklungsziele (Millennium Development Goals – MDGs) von 2000,
  • die Global Immunisation Vision and Strategy (GIVS) 2006,
  • der globale Impfaktionsplan (Global Vaccine Action Plan – GVAP) der WHO von 2012 und
  • die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) ab 2016.

Im Rahmen des GVAP haben sich Staats- und Regierungschefs – unter anderem aus Afrika – verpflichtet, bis 2020 einen nationalen Impfschutz von 90 Prozent zu erreichen. Dazu haben die afrikanischen Regierungschefs 2016 in Addis Abeba den recht ehrgeizigen Regional Strategic Plan for Immunisation (RSPI) verabschiedet, die meist als Addis Declaration on Immunisa­tion (ADI) bezeichnet wird.

Die Mobilisierung von Ressourcen auf nationaler, regionaler und globaler Ebene ist mühsam. Bedeutsam war daher die Gründung der Globalen Impfallianz (Global Alliance for Vaccines and Immunization – GAVI) durch die Gates-Stiftung im Jahr 2000 mit einer Spende von 750 Millionen Dollar. Einen Teil der Impfkosten tragen jedoch die afrikanischen Länder.

Um die Impf-Akzeptanz zu stärken, feiern seit 2011 immer mehr Länder die African Vaccine Week. Auf technischer Ebene hat die Zusammenarbeit bei der Krankheitsüberwachung große Fortschritte gemacht. 1998 entschied man sich zur Einrichtung des Integrated Disease Surveillance Systems in Afrika, außerdem wurden Überwachungsnetze für einzelne Krankheiten eingerichtet, wie etwa das Africa Rotavirus Surveillance Network. Seit 2006 hat es das Ziel, verlässliche Informationen über Krankheiten in einer Region zu liefern und evidenzbasierte Entscheidungen zu erleichtern.

Forschung ist unverzichtbar. Um den Erfolg zu maximieren, müssen alle Kenntnisse sorgfältig überprüft werden. Technisch ist das sehr anspruchsvoll, auch weil innovative Methoden getestet werden. Die Forschung zu durch Immunisierung vermeidbaren Krankheiten in der Region hat sich von 1974 bis 2017 enorm entwickelt. Sie konzentriert sich in der jeweiligen Region auf die Krankheiten, die auf dem ganzen Kontinent auf der Prioritätenliste stehen.

Trotz großer Erfolge ist Afrika längst nicht in der Lage, die Möglichkeiten, die die vorhandenen Impfstoffe bieten, optimal zu nutzen. Die Impfquote liegt weiterhin unter den angestrebten 90 Prozent und die Finanzierung der lebensrettenden Impfstoffe hängt von GAVI ab. Es muss sich noch einiges tun. Mehr Geld und stärkeres Engagement der nationalen Regierungen in der Region sind nötig. Auch müssen Immunisierung und entsprechende Lösungen weiter erforscht werden.

Benjamin M. Kagina ist Forschungsbeauftragter und Immunologe der Vaccines for Africa Initiative (VACFA) an der School of Public Health and Family Medicine der Universität Kapstadt. VACFA führt evidenzbasierte Impfforschung durch und will die Immunisierungsprogramme in Afrika stärken. Die VACFA kooperiert unter anderem mit der WHO und der Impfallianz GAVI, um nationale Impfgruppen in verschiedenen afrikanischen Ländern zu schulen.
benjamin.kagina@uct.ac.za

Hannah Hussey ist Ärztin am Groote Schuur Hospital in Kapstadt und arbeitet eng mit dem VACFA-Team zusammen.

Rudzani Muloiwa ist Kinderarzt und Teil des VACFA-Teams.

Gregory D. Hussey ist Professor für Medizin und leitet die VACFA.