Zivilgesellschaft

Kritik an G8-Mitgliedern

Human Rights Watch hat im Januar seinen jährlichen Weltbericht in Berlin veröffentlicht. Die internationale regierungsunabhängige Organisation spart westliche Staaten von Kritik nicht aus.
Gegner der Überwachungspolitik der US-Regierung in Washington. Jim Lo Scalzo/picture-alliance/dpa Gegner der Überwachungspolitik der US-Regierung in Washington.

Aus Sicht von Human Rights Watch (HRW) bedroht das globale elektronische Überwachungsprogramm der US-Regierung weltweit das Recht auf freie Rede. Diese Politik verletze nicht nur die Privatsphäre, sondern könne auch Regierungen, die Meinungsfreiheit einschränken, ermutigen, ihre eigenen Bürger auszuspähen und Online-Kommunikation zu begrenzen. Ken Roth, der Geschäftsführer von HRW, warnt, die USA seien zum schlechten Vorbild geworden.

Ankündigungen von Präsident Barack Obama, das Programm zu modifizieren, bezeichnet Roth als „zu wenig". Er fordert eine Balance zwischen dem Schutz von Privatsphäre und Gesellschaft. Er betont, das Weiße Haus habe nicht gezeigt, dass Datensammeln Terroranschläge verhindert habe.

HRW kritisiert zudem rechtsstaatlich regierte Länder dafür, dass sie dem Whistleblower Edward Snowden keinen Schutz vor einem Spionageprozess in den USA gewährten. „So konnte sich Russland, das Snowden temporär Asyl gewährt, als Schützer der Privatsphäre aufspielen", bemängelt Roth – und zwar zu einer Zeit, in der die Repression unter Präsident Vladimir Putin in diesem Land schlimmer geworden sei „als je zuvor seit Sowjetzeiten".

HRW weist darauf hin, dass die russische Regierung den Druck auf Homo­sexuelle mit einem Gesetz erhöht habe, das es verbietet, lesbische, schwule, bi­sexuelle und transsexuelle Lebensweisen positiv darzustellen. Zudem behandelten jüngste Rechtsänderungen zivilgesellschaftliche Organisationen wie Spione. Weitere Vorwürfe sind, dass Folter und „Verschwundene" im Kampf gegen islamistische Aufständische im Nordkaukasus mittlerweile gängig seien und dass gegen Putinkritiker drakonische Maßnahmen ergriffen würden.

HRW beanstandet auch, dass Migranten auf den Baustellen für die Olympischen Winterspiele in Sotchi inhuman behandelt würden. Genannt werden dabei geringe oder gar keine Bezahlung, lange Arbeitstage und schlechte Unterkünfte. Dass Putin kürzlich politische Gefangene wie Michail Chodorkowski, Mitglieder von Pussy Riot und Greenpeace-Aktivisten freiließ, wird derweil als Versuch gewertet, das weltweite Ansehen des Präsidenten vor dem Sportereignis aufzupolieren. Roth merkt an, es sei positiv, dass Putin offenbar auf internationalen öffentlichen Druck reagiere.

Roth sagt, solcher Druck sei nun auch nötig, damit der UN-Sicherheitsrat eine Resolution beschließt, die den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad dazu bringe, humanitäre Helfer in sein Land zu lassen. Russland und China blockieren aus Roths Sicht den Sicherheitsrat und lassen internationale Ermittlungen krimineller Vergehen in Syrien nicht zu. Dabei sei klar, dass „die Gräueltaten in Syrien nicht einfach ein Nebeneffekt des Krieges sind. Assad verfolge nämlich „eine Strategie der Kriegsverbrechen" (siehe auch Kurzmeldung, S. 50).

Aus Sicht des HRW-Chefs werde die internationale Staatengemeinschaft ihrer Schutzverantwortung (Responsibility to Protect – R2P) in der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan (siehe auch Artikel auf S. 82 f.) besser gerecht. Dort müsse der Gewalt Einhalt geboten werden. Auf der Basis des R2P-Prinzips hätten die UN, die Afrikanische Union und diverse nationale Regierungen Peacekeeping in den Krisengegenden gestärkt. Es könne aber noch mehr getan werden, urteilt Roth.

Eine internationale Fehlentwicklung ist für HRW der zunehmende undemokratische Missbrauch von Mehrheitsverhältnissen („abusive majoritarianism"). In vielen Ländern unterdrückten Regierungen, die von der Mehrheit unterstützt werden, Minderheiten und Dissidenten. In Ägypten habe sich die Regierung der Muslimbrüder autoritär und undemokratisch gebärdet, das gelte aber auch für die Militärs, die diese Regierung im vergangenen
Sommer stürzten (siehe auch Kommentar auf S. 87).

Was die EU angeht, beanstandet Roth die Migrations- und Asylpolitik. Manchen Regierungen sei es wichtiger, Flüchtlinge auf See abzufangen als Leben zu retten. Die EU solle aufhören, das Ankunftsland als Asylland festzulegen. Roth äußerte Sorge über einen globalen Trend zur Intoleranz gegenüber Minderheiten.

Ellen Thalman