Gefahr für die Gesundheit
Mehr Aufklärung über giftige Chemikalien in Produkten nötig
Jeder sollte wissen, welche Kleidung er kaufen sollte und welche lieber nicht. Synthetische Fasern aus Polyester, Nylon oder Acryl sind beliebt, denn sie knittern nicht, sind preiswert und leicht. Weltweit machen sie 60 Prozent der Kleidung aus. Doch sie verursachen eine Menge Probleme.
Synthetische Fasern sind eine Form von Plastik. Polyester wird aus Polyethylenterephthalat (PET) hergestellt, aus dem auch Wasserflaschen, Lebensmittelverpackungen und andere Produkte gefertigt werden. PET macht zehn Prozent des Plastiks auf dem globalen Markt aus und ist die dritthäufigste Plastikart nach Polyethylen (33,5 Prozent) und Polypropylen (19,5 Prozent).
Plastikfasern lassen sich schwer beseitigen. Weil sie sich in der Regel nicht auf natürlichem Weg zersetzen, sind sie langlebig. Zu Mikroplastik zerrieben, können sie lebende Organismen schädigen. Werden sie verbrannt, werden schwarzer Rauch und gefährliche Dämpfe freigesetzt, und es bleibt ein harter Klumpen zurück. Tatsächlich kommen schon bei der Herstellung unzählige giftige Chemikalien zum Einsatz.
Nicht abbaubare Schadstoffe
Etwa 0,58 Kilogramm der verschiedensten Chemikalien sind nötig, um ein Kilogramm Garn herzustellen. Allein im Färbeprozess werden normalerweise mehr als 1600 verschiedene chemische Stoffe – Formaldehyd, Phthalate, per- und polyfluorierte Verbindungen (PFCs) –, darunter langlebige, organische Schadstoffe und endokrine Disruptoren, also hormonverändernde Substanzen, genutzt. Farbstoffe enthalten mitunter Schwermetalle, die Nerven oder Leber schädigen oder Krebs auslösen können.
Chemikalien verleihen Textilien bestimmte Eigenschaften: Bromierte und chlorierte Flammschutzmittel etwa verhindern, dass Stoffe leicht brennen und können sich in Kinderkleidung, Polstermöbeln und Kinderautositzen befinden. Sie können aber die Schilddrüsenfunktion beeinträchtigen, Gedächtnis- und Lernstörungen verursachen, die geistige und physische Entwicklung stören, die Intelligenz mindern, zu vorzeitiger Pubertät führen und die Fruchtbarkeit reduzieren.
Formaldehyd hält Kleider in Form und wirkt Knitterfalten entgegen. Jedoch ist bekannt, dass es die Atemwege reizt und karzinogen wirkt. Es wurde sogar schon in Babywindeln gefunden.
Perfluorierte Chemikalien machen Kleidungsstücke wasserfest und weniger anfällig für Flecken. Sie sind in Jacken und wasserdichten Anzügen selbst für Babys enthalten, irritieren das Hormonsystem und können Leberschäden verursachen.
Wer das Gesundheitsrisiko durch Kleidung reduzieren möchte, sollte auf biozertifizierte Naturfasern wie Baumwolle oder Leinen achten und zu weniger stark gefärbten Stoffen greifen. Besonders wichtig ist das beim Kauf von Anziehsachen für Kinder. Deren Gesundheit ist durch solche Toxine in besonders hohem Maß gefährdet.
Recht auf Information
Konsumenten sollten über derlei Risiken Bescheid wissen. Bisher halten sich Hersteller mit Informationen aber zurück und verwehren ihren Kunden so die Möglichkeit, sich zu schützen.
Doch immer mehr Käufer wollen über giftige Inhaltsstoffe in Textilien informiert werden. Sechs von zehn Verbrauchern weltweit möchten erfahren, ob die Kleidung oder Heimtextilien, die sie kaufen, Schadstoffe enthalten. Auch das Interesse an der Einhaltung von Umwelt-, Arbeits- und Sozialstandards im Herstellungsprozess wächst. Das jedenfalls zeigt eine kürzlich veröffentlichte Erhebung von Oeko-Tex, einem internationalen Verband aus 18 unabhängigen Forschungsinstitutionen, der auf Warenprüfung und Zertifizierung spezialisiert ist.
Health and Environment Justice Support (HEJSupport) ist ebenfalls eine international agierende Nichtregierungsorganisation, die ich selbst mitleite. 2020 haben wir öffentlich gemacht, was bekannte Marken wie H&M, Zara, Tommy Hilfiger oder Adidas tun, um Kunden aufzuklären. Es zeigte sich, dass diese bedeutenden Unternehmen weit davon entfernt sind, wichtige Informationen offenzulegen. Unser Bericht enthält Empfehlungen, wie das verbessert werden kann.
Kleider sind nicht die einzige Quelle für gesundheitsschädliche Chemikalien im Alltag. Auch andere Konsumgüter enthalten Schadstoffe, Spielzeug beispielsweise.
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Gefahrenquelle Spielzeug
Ein weltweiter Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen ist das International Pollutants Elimination Network (IPEN). Seit 2012 untersucht das Netzwerk toxische Inhaltsstoffe in Spielwaren, auch in solchen für sehr kleine Kinder. Im Fokus stehen Schwermetalle, hormonverändernde Substanzen und persistente organische Schadstoffe. 30 Prozent aller analysierten Proben zeigten bisher beunruhigende Werte von einem oder mehreren giftigen Metallen (Arsen, Kadmium, Chrom, Blei und Quecksilber), die in Spielzeug nichts verloren haben.
Sorgen bereiten dort auch Phthalate. Diese sogenannten Weichmacher, die Kunststoffe elastischer machen, wirken auf das Hormonsystem und können entweichen, wenn ein Gegenstand erhitzt oder auch nur gelagert wird. Das kann während der ganzen Lebensspanne eines Produktes passieren – von der Produktion über die Nutzung bis zum Recyceln oder Entsorgen. Viele Spielzeugproben enthielten diese Chemikalien, die zu Unfruchtbarkeit, Übergewicht, Asthma, kardiovaskulären Erkrankungen und Krebs führen können.
Manche Phthalate wurden in einigen Ländern verboten, in anderen werden sie weiter genutzt. Das zeigt, dass einzelstaatliche Rechtsvorschriften oft nicht mehr zeitgemäß sind. Zwar untersagt die EU den Einsatz einer ganzen Reihe von Phthalaten. Doch in Spielzeugen tauchen sie dort dennoch auf, und zwar irritierenderweise ohne jeden Verbraucherhinweis. Die Unternehmen warnen nicht vor potenziellen Gesundheitsgefahren für Kinder.
Plastik ist auch in vielen anderen Produkten enthalten. Bei der Produktion können mehr als 140 verschiedene Chemikalien zum Einsatz kommen, um das Material flexibel, weich, hart, feuerfest, transparent oder matt zu machen. Viele gefährden die Gesundheit.
Bisphenol A (BPA) beispielsweise härtet Plastik. Es ist in Trinkflaschen und Lebensmittelbehältern enthalten, in Babyfläschchen und Tassen, die aus Polycarbonaten hergestellt werden. Forscher bringen BPA mit Herzkrankheiten, Diabetes und Lebererkrankungen in Zusammenhang. Der Stoff stört das endokrine System und kann zu Unfruchtbarkeit, vorzeitiger Pubertät oder Übergewicht bei Kindern führen. Wer Trinkflaschen kauft, besonders für Babys und Kleinkinder, ist gut beraten, den Code für die Plastikart auf dem Produkt zu checken: In Plastik mit den Codes 1, 2, oder 5 wurde BPA üblicherweise nicht verwendet, während Code 3 und 7 darauf hinweisen, dass es BPA oder Phthalate enthält. In der EU ist BPA in Babyflaschen verboten. Aber es können andere – ebenso gefährliche – Substitute eingesetzt werden.
Recyceln ist problematisch
Umweltschützer favorisieren Recycling, doch bei Plastik kann das sehr problematisch sein. Recyceln bedeutet schmelzen und umformen. Doch auch recyceltes Plastik enthält viele verbotene oder nur eingeschränkt genehmigte Gefahrenstoffe. Plastikabfall ist ein Rohstoff, der gefährliche Substanzen enthält. Daraus werden neue Produkte hergestellt und international vertrieben, die einmal mehr die Gesundheit der Menschen gefährden.
Die IPEN-Studie untersuchte Spielzeug aus recyceltem Plastik aus 26 Ländern. 90 Prozent der Proben enthielten drei verschiedene bromierte Flammschutzmittel. Nach dem Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (POP-Konvention) sollten diese überhaupt nicht mehr verwendet werden. In recycelten Kunststoffen kommen sie dennoch häufig vor, ohne dass Konsumenten über die Risiken informiert werden.
Mit offenen Karten spielen
Konsumenten sollten die volle Wahrheit erfahren. Enthalten Produkte Schadstoffe, sollen diese vollständig deklariert werden müssen. Das sollte insbesondere geschehen, wenn es sich um Produkte für Säuglinge und Kinder handelt. Ihre Gesundheit ist besonders gefährdet, wenn sie giftigen Chemikalien ausgesetzt werden.
Immerhin hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) damit begonnen, Informationen darüber zu sammeln. Hersteller, Importeure oder Lieferanten mit Sitz in der EU müssen ihre Artikel in einer Datenbank registrieren. Das ist ein guter Anfang, um giftige Substanzen in Produkten zu vermeiden, die in der EU verkauft werden.
In den am wenigstens entwickelten Ländern der Erde sind solche Regulierungen zum Schutz der Bevölkerung jedoch in der Regel nur schwach. Gerade dort aber sind Menschen in zunehmendem Maß Gesundheitsgefahren durch Produkte ausgesetzt.
Link
HEJSupport, 2020: Sustainable Fashion? How companies provide sustainability information to consumers.
https://hej-support.org/wp-content/uploads/2020/03/hejSupport_SustainableFashion_March2020_Web_with-active-links.pdf
Olga Speranskaya ist eine der beiden Co-Direktorinnen der Nichtregierungsorganisation Health and Environment Justice Support (HEJSupport), die Büros in Dachau, Moskau und Ottawa hat.
olga.speranskaya@hej-support.org