Ausbildung
Die Schwierigkeit, ein Künstler zu werden
Netsa Arts Village ist ein Künstlerkollektiv in Addis Abeba. „Netsa“ heißt „frei“. Die Namensgebung kommt nicht von ungefähr: Henok Getachew, der Koordinator, sagt, dass dieses Künstlerdorf einen Freiraum für ungehinderte Kreativität bietet. Solche freien Spielräume für Künstler sind in Afrika selten und kostbar.
Mit den Künsten lässt sich durchaus Geld verdienen, vor allem mit Musik. Laut Regierungsstatistiken machte die südafrikanische Musikindustrie 2011 einen Umsatz von 2,2 Milliarden Rand, das sind mehr als 290 Millionen Dollar. 2010 trug der Kunsthandwerkssektor 3,3 Milliarden Rand zum Bruttoinlandsprodukt bei, und bildende Künste erzielten einen Umsatz von 2 Milliarden Rand. Das heißt jedoch nicht, dass Musiker, Kunsthandwerker oder Maler auch ausreichend zum Leben verdient hätten.
Außerhalb des offiziellen Radars und ohne Anerkennung bemühen sich afrikanische Künstler, Schaffensfreiräume zu erobern, aber die meisten Projekte haben ernste Geldprobleme und müssen informell arbeiten. Das Goethe-Institut Südafrika hat zusammen mit dem Institute for Arts Education (IAE) der Zürcher Hochschule für Künste kürzlich eine Studie darüber herausgegeben. Sie beruht auf intensiver Forschung in mehreren afrikanischen Ländern und enthält Fallbeispiele aus Südafrika, dem Senegal, der DR Kongo und Äthiopien.
Die Studie zeigt, dass mangelnde Ausbildungschancen ein großes Problem sind. Die meisten afrikanischen Künstler haben in ihrem Fach nur wenig formale Schulung. Künstlerische Hochschulen sind privat und teuer, oder überfüllt. In der Regel haben sie viel zu wenig Geld, und in manchen Ländern existieren gar keine.
Helmut Vogt ist der Verwaltungsdirektor der senegalesischen Tanzschule École des Sables. Er sagt: „Man kann mit dem Schulbetrieb kein Geld verdienen – schon gar nicht, wenn die Zielgruppe Tänzer aus Afrika sind, die für ihre Ausbildung nicht zahlen können.“ Seine und andere Ausbildungsstätten hängen von Zuschüssen ab, die fast ausschließlich aus westlichen Ländern kommen. Vogt sagt, Anträge schreiben mache einen Hauptteil seiner Arbeit aus. Laut Studie ist es eine permanente Herausforderung, die künstlerische Unabhängigkeit zu bewahren, wenn man parallel versucht, es den Gebern Recht zu machen. Viele Gruppen, die Tanz, Theater oder andere Künste betreiben, müssen dies aber.
Manche Künstler finanzieren ganze Ausbildungsprogramme oder Projekte aus eigener Tasche. Das gilt zum Beispiel für Studios Kabako, eine Tanz-, Theater- und Musikschule in Kisangani in der DR Kongo. Faustin Linyekula, ein international bekannter Tänzer, kommt für ungefähr 90 Prozent der laufenden Kosten auf. Er steht entsprechend unter hohem Finanzdruck und muss deswegen oft auf Tour gehen.
Netzwerke sind ebenfalls wichtig. Es gibt einige Organisationen wie das ARTerial Network, ein Netzwerk afrikanischer Künstler. „Zusammenarbeit ist von einer bestimmten ethische Haltung gegenüber dem Leben und der Kultur geprägt“, sagt Linyekula von Studios Kabako. „Ich glaube an Guerilla-Netzwerke, in denen wir zusammenarbeiten möchten.“
Künstler müssen auch reisen können, um neue Ideen zu entwickeln. Ihre wichtigste Rolle ist möglicherweise, Freiräume zu schaffen, um Perspektiven in die Zukunft zu eröffnen. In Hinsicht auf die DR Kongo meint Linyekula: „Wir leben in diesem Land, wo alles auseinanderbricht, und wir können trotzdem sagen: Es ist möglich, hier zu sein, es ist möglich, sich Dinge von hier aus vorzustellen und hier Dinge zu tun.“
Sheila Mysorekar
Weiterführende Links:
Lauré al-Samarai, N.: Creating Spaces. Non-Formal Art/s Education and Vocational Training for Artists in Africa between Cultural Policies and Cultural Funding. Institute for Arts Education (IAE), Zürich, Schweiz.
http://iae.zhdk.ch/iae/deutsch/forschung-entwicklung/forschungsbasierte-dienstleistung/creating-spaces-laufend/
Contact Zones Nairobi:
http://www.contact-zones-nrb.com/home.php?il=39&l=deu