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Geschlechtsspezifische Gewalt

Frauen fordern das Patriarchat heraus

Frauen in Uganda sind es leid, sexuelle Belästigung still zu erdulden, und wehren sich nun dagegen. Sie nutzen den internationalen Hashtag #MeToo, um Fälle von Belästigung öffentlich zu machen. Aber sie protestieren nicht nur online, sondern tragen ihren Protest auch auf die Straße.
Frauendemonstration in Kampala in Uganda. Lindsey Kukunda Frauendemonstration in Kampala in Uganda.

Im Mai 2019 veröffentlichte eine Gruppe männlicher Studenten eine Liste mit Namen von 230 Mädchen, die angeblich „leicht ins Bett zu kriegen“ seien. Auf der Liste standen auch ihre Telefonnummern und Universitäten. Es wurde jedoch nichts dagegen unternommen, weder von den Universitäten noch von der Polizei, obwohl es sich um einen klaren Fall von übler Nachrede und Veröffentlichung privater Daten handelte. Lediglich andere Frauen bemerkten, was geschehen war.

Wenn Frauen nicht selber dagegen vorgehen, wird nichts gegen sexuelle Belästigung und geschlechtsspezifische Gewalt getan. Zwischen Mai 2017 und Juni 2018 wurden mehr als 40 ugandische Frauen ermordet oder entführt. Feministinnen nutzten die sozialen Medien, um im Juni vorigen Jahres einen Frauen-Protestmarsch in Ugandas Hauptstadt Kampala zu organisieren. Buchstäblich in der letzten Minute erteilte die Polizei die Erlaubnis dafür.

Zum ersten Mal nahm ich an einer Demonstration teil, bei der die Sicherheitskräfte die Demonstranten schützten, anstatt sie mit Tränengas zu beschießen – wie sonst üblich in Uganda, sobald Menschen zusammenkommen, um öffentlich zu protestieren.

Für mich bedeutete diese Frauendemo #MeToo im Einsatz: Die vielen Stimmen im Online-Aktivismus kamen zusammen in einer Offline-Aktion. Dies war der Startschuss von öffentlichen Protesten gegen die grassierende Gewalt gegen Frauen. Nun erheben mehr und mehr ugandische Frauen ihre Stimme. Leider zeigt aber die negative Reaktion der Gesellschaft, wie systematisch sexueller Missbrauch weiterhin ist.

Natürlich zeigt man Mitleid, wenn Frauen getötet werden. Aber wenn wir die „Freiheit“ von Männern kritisieren, Frauen unter dem Deckmantel von Patriarchat oder Kultur zu belästigen und zu missbrauchen, dann erwartet uns das „Tränengas“ des digitalen Zeitalters: Social-Media-Mobbing. Obendrein hören wir die sehr laute Stille der Gesetzeshüter. All dies zeigt, dass die ugandische Gesellschaft weiterhin frauenfeindlich eingestellt ist.

Laut Tina Musuya, Geschäftsführerin des Zentrums zur Vorbeugung häuslicher Gewalt (CEDOVIP), ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz „weit verbreitet“. Ein Beispiel: Samantha Mwesigwa ist Staatsanwältin im Justizministerium. Sie litt zehn Jahre lang unter der sexuellen Belästigung durch ihren früheren Direktor Christopher Gashirabake, jetzt Vize-Generalstaatsanwalt. Mwesigwa sagt, sie habe „alle juristischen Mittel“ genutzt, um Recht zu bekommen, aber ohne Erfolg. „Das Justizministerium hat mich im Stich gelassen“, sagt sie. Daraufhin machte sie ihre Geschichte in den sozialen Medien öffentlich, und erst jetzt bekommen ihre Anschuldigung der sexuellen Belästigung und das Leugnen des Beschuldigten die nötige Aufmerksamkeit. Es ist zu hoffen, dass ihr Fall nun vor Gericht kommt.

Samantha Mwesigwa ist eine Staatsanwältin. Wie kann sich eine arme Frau ohne diesen politischen Einfluss wehren?

Auf der positiven Seite: Dies ist die #MeToo-Bewegung in Uganda heute. Mutige Frauen fordern Gerechtigkeit, ungeachtet der Konsequenzen, und andere Frauen zeigen ihre Unterstützung durch Hashtags und andere Formen von Online- und Offline-Aktivismus.

Reicht das? Nein, bei weitem nicht. Es dauert so lange, bis Frauen Recht bekommen – wenn überhaupt –, dass sie oft frustriert aufgeben. Die Unterstützung für Täter, die beispielsweise Rachepornos veröffentlichen, ist erschreckend hoch. Eine Frau, deren Nacktfotos ohne ihre Zustimmung veröffentlich werden, wird unter Ugandas Anti-Pornografie-Gesetz für die Herstellung und Verbreitung von Pornografie belangt. Die Polizei macht sogar die gerichtliche Vorladung der Opfer öffentlich und zeigt der Gesellschaft damit, dass es akzeptabler ist, eine missbrauchte Frau noch weiter zu belästigen, als den Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Aber es scheint, dass sich das Blatt in Uganda langsam wendet. Frauenproteste können eine Zeitlang ignoriert werden. Aber sexuelle Gewalt weiterhin zu rechtfertigen – das ist unmöglich.


Lindsey Kukunda ist Autorin, Redakteurin und Trainerin für digitale Sicherheit sowie Leiterin der zivilgesellschaftlichen Organisation Not Your Body. Sie lebt in Kampala in Uganda.
lindseykukunda@gmail.com
@RizaLouise, @NotyourbodyUg