Entwicklung und
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Armut

Zahlreiche Messmethoden

Im September 2015 wollen die UN die Post-2015-Agenda mit globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung, den SDGs, beschließen. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Frage, mit welchen Indikatoren Armut, Wohlstand und Entwicklung gemessen werden.
Slum in Mumbai: Nicht immer ist Armut so offensichtlich wie hier. Böthling/Photography Slum in Mumbai: Nicht immer ist Armut so offensichtlich wie hier.

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche neue Messmethoden entwickelt. Das Global Policy Forum, ein unabhängiger Thinktank, und die zivilgesellschaftliche Organisation terre des hommes stellen in einem aktuellen Report die meistdiskutierten Ansätze vor. Ihnen gemein ist, dass sie die herkömmlichen Fortschrittsindikatoren – vor allem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) – infrage stellen. Am BIP wird kritisiert, dass es auch Aktivitäten erfasse, die nicht dem Wachstum, sondern nur dem Erhalt des Produktionskapitals dienen. Öffentliche Güter und viele nicht-materielle Werte wie Gesundheit, Umweltqualität, Kinderbetreuung und ehrenamtliches Engagement würden nicht berücksichtigt. Außerdem spiegle das BIP Ungleichheiten in der Gesellschaft nicht wider.

Die alternativen Messmethoden versuchen diese Aspekte zumindest teilweise einzubeziehen, erklärt der Report. Eines der Hauptthemen seit dem Aufkommen der Umweltbewegung in den 1970er Jahren ist der Wert von intakten Ökosystemen und seinen Dienstleistungen. Die UN entwickelten verschiedene Methoden, um ein „Ökoinlandsprodukt“ oder „Green GDP“ zu berechnen, etwa das System of Integrated Environmental and Economic Accounting (SEEA) oder das Millennium Ecosystem Assessement (MEA).

Seit einigen Jahren wird das 1990 entwickelte Konzept des ökologischen Fußabdrucks häufig herangezogen. Dieser misst, wie viel Fläche benötigt wird, um alle Energie und Rohstoffe zur Verfügung zu stellen, die ein Mensch verbraucht. Auch das 1972 erstmals genannte Konzept der planetarischen Grenzen wird in jüngster Zeit laut den Autoren wieder häufig aufgegriffen. Es geht davon aus, dass es neun Bereiche wie Klimawandel, Süßwassernutzung oder Versauerung der Meere gibt, deren Überschreitung zu irreversiblen Schäden am globalen Ökosystem führt.


Einkommensarmut als Indikator

In der Entwicklungspolitik war lange die Einkommensarmut als statistische Größe entscheidend, erklären die Autoren. Dabei legten die UN die Schwelle für Armut bei einem Pro-Kopf-Einkommen von einem Dollar pro Tag fest und hoben es später auf 1,25 Dollar an. Dieser Messwert wird heute laut Report vielfach kritisiert, weil er der Vielschichtigkeit von Armut nicht gerecht werde. Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP) versucht seit 1990 mit dem Human Development Index (HDI) und dem Human Poverty Index (HPI, 1996), Armut mithilfe vieler Indikatoren wie Lebenserwartung, Bildung und Gesundheit festzumachen. 2010 ersetzte UNDP den HDI und den HPI durch den Multidimensional Poverty Index (MPI).

Als ganz neuen Trend macht der Report Initiativen aus, die versuchen, alle Dimensionen von wirtschaftlicher, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit in der Messung zu vereinen. Als Beispiel nennen die Autoren Nachhaltigkeitsindikatoren der UN-Commission on Sustainaible Development (CSD) und den Better Life Index der OECD. Der Index ermittelt Durchschnittswerte für elf Dimensionen wie Einkommen, Sicherheit und Lebenszufriedenheit.

Eine allgemein anwendbare Messmethode macht der Report nicht aus – alle hätten Vor- und Nachteile. Allerdings identifizieren die Autoren einige allgemeingültige Kriterien für eine Messung von gesellschaftlichem Wohlstand und nachhaltiger Entwicklung. Sie sollte:

  • die Schwäche des bisherigen BIP-Ansatzes überwinden,
  • mindestens drei Dimensionen von Nachhaltigkeit erfassen, nämlich soziale, wirtschaftliche und politische,
  • Ungleichheiten sowie Benachteiligung gesellschaftlicher Gruppen erfassen,
  • nicht nur die Bedürfnisse gegenwärtiger Generationen, sondern auch die zukünftiger Generationen berücksichtigen,
  • Dimensionen wie Natur oder Klima nicht zu stark ökonomisieren, sondern auch nicht-ökonomische Größen als Maßstab anlegen,
  • globale Zusammenhänge berücksichtigen,
  • möglichst so gestaltet sein, dass sich daraus politische Schlussfolgerungen ziehen lassen und
  • nicht nur quantitativ fassbare, sondern auch qualitative Werte berücksichtigen.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können Messsysteme nach Ansicht der Autoren wichtige politische Instrumente sein. Politik wäre überprüfbar und die Verantwortlichen könnten zur Rechenschaft gezogen werden.

Sabine Balk

Link:
Report: Gut leben global:

https://www.globalpolicy.org/images/pdfs/GPFEurope/GPF-Gut_leben_global-web.pdf

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