Reparationen
Gerechtigkeit nach dem Genozid

Das Schuldeingeständnis seitens einer Kolonialmacht war das erste seiner Art. Es folgten Verhandlungen zwischen der deutschen und der namibischen Regierung, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. Vor vier Jahren wurde eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet. Als Reaktion auf massive Proteste in Namibia, die diese Erklärung als unzureichend kritisierten, nahm die namibische Regierung die Verhandlungen jedoch wieder auf. Mitte 2025 waren die Gespräche noch nicht abgeschlossen.
In einem parallelen Prozess reagierte Deutschland auf den Druck von Nachfahren der Opfer und deutschen postkolonialen Initiativen. Die Regierung arbeitete mit Institutionen zusammen, um menschliche Überreste aus der Kolonialzeit zu suchen und zu identifizieren; darunter Museen, die sich der grausamen Hinterlassenschaften in ihren Kellern bewusst waren.
Tausende Schädel und andere Körperteile – auch aus anderen Kolonien wie Ostafrika – wurden nach Massakern an Indigenen Gruppen, die sich gegen die ausländische Besatzung gewehrt hatten, nach Deutschland gebracht. Einige der Schädel gehörten enthaupteten Anführern. In Deutschland wurden sie Gegenstand rassistischer und pseudowissenschaftlicher anthropologischer Studien. Diese sollten eine „zivilisatorische Mission“ rechtfertigen, indem sie die Überlegenheit der „arischen Herrenrasse“, also der Deutschen, propagierten.
Restitution als bescheidener Anfang
In den Jahren 2011 und 2018 wurden Schädel und andere menschliche Überreste aus Berlin und 2014 aus Freiburg zurückgeführt. Die offiziellen Zeremonien in Berlin waren durch die unzureichende Anerkennung seitens der deutschen Regierung getrübt. Obwohl diese Rückführungen für die Namibier*innen von großer Bedeutung waren und von hochrangigen Delegationen begleitet wurden, handelten einige rangniedrigere Vertreter*innen der deutschen Regierung in respektloser Weise. So verließ beispielsweise Cornelia Pieper, die damalige Staatsministerin im Auswärtigen Amt, 2011 den Veranstaltungsort, ohne auch nur den Anstand zu haben, den Reden der namibischen Delegation zuzuhören. Das ist alles andere als glaubwürdige Reue.
Auch gestohlene Kulturgüter wurden in diesem Zeitraum zurückgeführt. Das Linden-Museum in Stuttgart gab 2019 die Familienbibel und die Peitsche des legendären Nama-Führers Hendrik Witbooi zurück, der 1905 im Kampf gegen die Deutschen fiel. Die Gegenstände waren 1893 während des Hornkranz-Massakers gestohlen worden, das für die Nama den Beginn des Genozids markiert. Das Verfahren und die Einzelheiten der Rückgabe der Gegenstände an die Nachkommen Witboois erwiesen sich jedoch als kompliziert. Der Entwicklungssoziologe Reinhart Kössler vom Arnold-Bergstraesser-Institut für Kulturwissenschaften in Freiburg kommentierte den Prozess: „Die Ansprüche auf Eigentum und Kontrolle seitens des modernen, unabhängigen Staates stehen den Erwartungen und Hoffnungen der Gemeinschaften gegenüber, deren Vorfahren dieser Gegenstände beraubt wurden.“
Im Jahr 2022 gab die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 23 gestohlene Objekte zurück. Das Projekt begann 2019 und endete mit der Eröffnung einer Wanderausstellung der Objekte in Windhoek im Juni 2025. Deutsche Kritiker*innen behaupten, dass einige dieser Objekte nicht gestohlen wurden und nicht hätten zurückgegeben werden dürfen. Dies wirft die grundlegende Frage auf, wer die Macht hat, solche Prozesse zu definieren und zu kontrollieren.
Fortsetzung kolonialer Beziehungen
Eine selektive Rückgabe kann das Ausbleiben echter Reue und Wiedergutmachung für die begangenen Verbrechen nicht kompensieren. Selbst wenn die deutsch-namibische Erklärung – einst als „Versöhnungsabkommen“ bezeichnet – schließlich noch unterzeichnet würde, reicht diese für eine Versöhnung mit den Nachfahren der am stärksten betroffenen Indigenen Gemeinschaften nicht aus. Deren wichtigste Organisationen waren nicht an den Verhandlungen beteiligt.
Letztendlich handelt es sich hierbei um eine Fortsetzung kolonialer Beziehungen. Wie die Nama-Aktivistin Sima Luipert gegenüber Al Jazeera betonte: „Kein Geld der Welt kann den angerichteten Schaden jemals vollständig wiedergutmachen. Es geht um Anerkennung.“ Pfarrer Rupert Tjitee Isaac Hambira, ein Nachfahre der Ovaherero in der Diaspora, erklärte auf einer Konferenz des Ökumenischen Rates der Kirchen in diesem Jahr mit dem Titel „Berlin 1884–1885 und der Rassismus gegenüber Schwarzen: Auf der Suche nach einer gemeinsamen antirassistischen ökumenischen Vision“: „Wahre Versöhnung erfordert mehr als symbolische Gesten. Sie erfordert Gerechtigkeit, die in der Wahrheit verwurzelt ist, von Inklusion geprägt ist und durch echte Transformation gestützt wird. Bis ein solcher Prozess verwirklicht ist, werden wir nicht zustimmen. Wir werden weiterhin die Legitimität dieser Verhandlungen anzweifeln.“
Die Marginalisierung Indigener Gemeinschaften in Verhandlungen, die sie betreffen, verstößt gegen die Erklärung der Vereinten Nationen zu den Rechten Indigener Völker, die 2007 mit Zustimmung Deutschlands und Namibias verabschiedet wurde. Artikel 18 besagt: „Indigene Völker haben das Recht, an Entscheidungsprozessen in Angelegenheiten, die ihre Rechte berühren können, durch von ihnen selbst gemäß ihren eigenen Verfahren gewählte Vertreter mitzuwirken.“ Für die namibische Anwältin Ngutjiua Hijarunguru-Kuṱako ist daher jedes Abkommen zwischen den beiden Regierungen nichtig. „Sie verhandeln über ein Volk, das nicht mit am Tisch sitzt“, sagte sie gegenüber der „taz“.
Wiedergutmachung und Erinnerung
Die Behandlung der Nachkommen der Opfer des Völkermords an den Ovaherero und Nama ist kein Einzelfall. Viele Indigene Gruppen auf der ganzen Welt wurden systematisch vertrieben, ihrer Rechte beraubt und von ausländischen Mächten ermordet. Und viele haben noch immer keine angemessene Entschuldigung erhalten, geschweige denn eine Entschädigung. Doch genau das brauchen viele Indigene Völker, um ihr kollektives Trauma zu heilen und ihre Identität zu stärken.
In seinem Essay „The Burden of Memory, the Muse of Forgiveness“ verweist der nigerianische Nobelpreisträger Wole Soyinka auf die heilende Trilogie aus Wahrheit, Versöhnung und Restitution. Auf dem Weg durch das Tor der Heilung, das Opfer und Täter*innen gemeinsam passieren müssen, um moralische Symmetrie zu erreichen, ist Restitution der letzte, aber zentrale Schritt. Gurminder K. Bhambra, Professorin für postkoloniale und dekoloniale Studien an der School of Global Studies der University of Sussex, betont in ihrem Essay über die koloniale Weltwirtschaft: „Eine Verteilungsgerechtigkeit, die die Notwendigkeit einer Wiedergutmachung für den Kolonialismus nicht anerkennt, wird immer unvollständig bleiben. Schlimmer noch, sie wird zu einem Baustein für die Mauern, die die relativ Begünstigten von den Benachteiligten und Ausgeschlossenen trennen und spalten.“
Fragen zu anhaltend asymmetrischen Machtverhältnissen und selektiven Erinnerungen tauchen nicht nur in Verhandlungen zwischen Staaten auf. Sie können auch ein nationales Problem sein. Die Aufarbeitung des Völkermords, den deutsche Kolonialist*innen an Indigenen Gruppen im heutigen Namibia begangen haben, erfordert die direkte Einbeziehung der zuständigen Vertretungen der betroffenen Gemeinschaften, um den besten Weg für eine Wiedergutmachung zu finden. Dies stünde im Einklang mit dem Motto des unabhängigen Namibia von „Einheit in Vielfalt“ und seinem Slogan „Solidarität, Freiheit, Gerechtigkeit“. Stattdessen löste der exklusive Charakter der Verhandlungen zwischen den Regierungen ohne die jeweiligen Vertreter*innen der Indigenen Völker Feindseligkeiten und Ressentiments aus und schürte ethnische Spannungen mit Gemeinschaften, die innerhalb der Regierung mehr Einfluss haben. Das Recht zu beanspruchen, für andere zu sprechen, verweigert den direkt betroffenen Indigenen Gemeinschaften eine Stimme am Verhandlungstisch. Dies ist eine weitere Form des Kolonialismus.
Pfarrer Hambira verweist auf die Pflicht und Verantwortung, „dass das Leiden unseres Volkes bekannt wird, niemals vergessen wird und sich niemals wiederholt“. Die Arbeit der Erinnerung, des Widerstands und der Würde muss „aus einer leidenschaftlichen Liebe zu unseren Vorfahren, unseren Kindern und der Wahrheit“ fortgesetzt werden.
Henning Melber ist Associate am Nordic Africa Institute in Uppsala, Schweden, und Extraordinary Professor an der University of Pretoria und der University of the Free State in Bloemfontein.
henning.melber@nai.uu.se
Jephta Uavavaera Nguherimo ist Autor und Gründer der OvaHerero People’s Memorial and Reconstruction Foundation (OPMRF).
jephta@hotmail.com