Entwicklung und
Zusammenarbeit

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KfW

„Ausbau der Erneuerbaren bietet enormes Beschäftigungspotential“

Entwicklungsministerin Svenja Schulze über die Notwendigkeit eines sozial gerechten Übergangs für eine nachhaltige Energiewende. Dieser Beitrag entstand in Kooperation mit der KfW.
Entwicklungsministerin Schulze mit (v. r.) Oleksandr Kubrakov, Vize-Premierminister für den Wiederaufbau der Ukraine und Minister für Infrastruktur und Gemeinden, und Maksym Martschenko, Regionalgouverneur Odessa, vor einem zerbombten Umspannwerk in der Nähe von Odessa.  Ute Grabowsky/Photothek Entwicklungsministerin Schulze mit (v. r.) Oleksandr Kubrakov, Vize-Premierminister für den Wiederaufbau der Ukraine und Minister für Infrastruktur und Gemeinden, und Maksym Martschenko, Regionalgouverneur Odessa, vor einem zerbombten Umspannwerk in der Nähe von Odessa.

Das BMZ setzt bei der Unterstützung der Partnerländer auf nachhaltige Energien wie Sonne, Wind, Wasserkraft und Erdwärme. Glauben Sie, dass der Ausbau der erneuerbaren Energieträger ausreicht, um den steigenden Energiebedarf im „Globalen Süden“ zu decken?
Die Länder des Globalen Südens haben ein enormes Potenzial für erneuerbare Energien, das auch eine absehbar zunehmende Energienachfrage deutlich übersteigt. Daneben verfügen viele Entwicklungs- und Schwellenländer über die kritischen Bodenschätze, die für die nachhaltige Transformation des Energiesystems, für Batterien, für Windturbinen und Photovoltaikanlagen unerlässlich sind.

Das bedeutet, Afrika kann weltweit führend bei der Nutzung erneuerbarer Energien werden und direkt einen grünen Entwicklungspfad einschlagen. Voraussetzung ist allerdings, dass wir unsere Anstrengungen international deutlich intensivieren, um den wachsenden Energiebedarf im Globalen Süden nachhaltig zu decken.

Die Politik des BMZ orientiert sich an den „Sustainable Development Goals“ (SDGs). In SDG7 heißt es, dass bis 2030, also in sieben Jahren, alle Menschen Zugang zu einer bezahlbaren, verlässlichen, nachhaltigen und zeitgemäßen Energieversorgung erhalten. Wie realistisch ist es, dieses Ziel zu erreichen?
Die neuesten Daten zeigen leider, dass wir nicht „on-track“ sind. Wenn das Ausbautempo so bleibt, werden 2030 voraussichtlich noch immer 660 Millionen Menschen keinen Zugang zu Strom haben. Es ist offensichtlich, dass die Investitionen in den Energiesektor weltweit erheblich gesteigert werden müssen. Und hier ist es besonders wichtig, Afrika mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Unser Nachbarkontinent darf in den internationalen Finanzströmen in den Energiesektor nicht länger unterrepräsentiert bleiben. Der erste Afrikanische Klimagipfel hat gezeigt, dass Afrika viel zu bieten hat, wenn es um konkrete Lösungen für mehr Klimaschutz und nachhaltige Energieversorgung geht. Wenn Europa und Afrika sich zusammentun, können wir vom klimaverträglichen Umbau der Weltwirtschaft gemeinsam profitieren.

Dabei ist entscheidend, dass die Märkte attraktiv für Privatkapital werden, denn staatliche Unterstützung allein kann diese Mammutaufgabe nicht leisten. Wir unterstützen mit unserer Entwicklungszusammenarbeit daher auch unsere Partnerländer dabei, die Rahmenbedingungen auf den regionalen Energiemärkten entsprechend auszugestalten.

Welche Rolle kann aus Ihrer Sicht die Digitalisierung bei der Sicherung der Energieversorgung in den Partnerländern spielen?
Die Herausforderung der Energieversorgung weltweit ist immer Energieangebot und -nachfrage zusammen zu bringen. Mit zunehmendem Anteil der Erneuerbaren an der weltweiten Stromversorgung und deren teils schwankendem Angebot aufgrund des Wetters und der Tageszeit wird diese Herausforderung nicht kleiner. Digitale Lösungen, wie intelligente Messsysteme und innovative Kommunikationstechnologien, sind deshalb ein Schlüsselfaktor bei der Modernisierung der Stromnetze oder der grenzüberschreitenden Integration der Strommärkte.

Das BMZ unterstützt Entwicklungs- und Schwellenländer dabei, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in moderne Energiesysteme investiert werden kann, insbesondere in den Auf- und Ausbau von Stromnetzen. Gleiches gilt für den grenzüberschreitenden Stromhandel und die Flexibilisierung der Stromsysteme, unter anderem durch Speichertechnologien und die Digitalisierung der Verbrauchs- und Netzsteuerung.

„Grüner Wasserstoff“ gilt heute als innovatives Schlüsselelement zur „Dekarbonisierung“. Welche Rolle spielt dieser Energieträger bei der Zusammenarbeit zwischen BMZ und Partnerländern?
Grüner Wasserstoff wird insbesondere in den Bereichen eine Rolle spielen, in denen eine Dekarbonisierung über eine direkte Nutzung erneuerbaren Stroms nicht möglich ist – das ist vor allem in der Stahlindustrie, Teilen der chemischen Industrie und bei Teilen des Verkehrssektors der Fall. Viele unserer Partnerländer besitzen für die Produktion grünen Wasserstoffs und seiner Folgeprodukte ein enormes Potenzial. Zudem bietet der Aufbau eines Wasserstoffmarktes Chancen für lokale Wertschöpfung, Ausbildung und qualifizierte Arbeitsplätze. Übergreifend können durch die Produktion grünen Wasserstoffs wichtige Beiträge zur Klimaneutralität, zu den globalen Entwicklungszielen und zu einer sozial gerechten Transformation unserer Partnerländer geleistet werden.

In diesem Sinne ist es daher ein zentrales Anliegen des BMZ, Entwicklungs- und Schwellenländer beim Aufbau einer lokalen grünen Wasserstoffwirtschaft, der Entwicklung lokaler und regionaler Wertschöpfungsketten und eigener wasserstoffbasierter Industrien mit Technologietransfer zu unterstützen.

Die Energiewende kann auch zu sozialen Verwerfungen führen, etwa wenn im Bergbau Arbeitsplätze verloren gehen. Wie wollen Sie dafür sorgen, dass beim Umbau von Energiesektoren eine „just transition“, also ein gerechter Übergang, möglich wird?
Ich setze mich als Entwicklungsministerin für eine sozial gerechte und ausgewogene Gestaltung der Klima- und Energiewende ein. Es geht darum, die negativen Folgen von Verschiebungen in Produktions- und Beschäftigungsstruktur für die Menschen vor Ort durch arbeitsmarkt- und sozialpolitische Maßnahmen möglichst zu vermeiden oder zumindest abzufedern. Dabei bietet natürlich in erster Linie der großflächige Ausbau erneuerbarer Energien selbst enormes Beschäftigungspotenzial und Arbeitsplätze für eine wachsende, sehr junge und zunehmend besser ausgebildete Bevölkerung. Mein Ministerium begleitet solche Veränderungsprozesse darüber hinaus auch durch Berufsbildungsprogramme, bedarfsorientierte Trainings und den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme.

Insbesondere mit unseren durch die Bundesregierung unterstützten multilateralen Just Energy Transition Partnerships (JETP) mit klimapolitisch ambitionierten Partnerländern verfolgen wir das Ziel eines sozial gerechten Kohleausstiegs und die Umsetzung der globalen Energiewende. 

Die Fragen stellte Michael Ruffert.

Link
KfW, 2023: Die globale Energiewende nachhaltig und gerecht gestalten.