Weltklima

Weniger zu essen, mehr Denguefieber

Ein aktueller Bericht in der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet warnt vor den schweren Gesundheitsrisiken des Klimawandels. Ein Kind, das heute auf die Welt kommt, wird sein Leben lang gesundheitliche Folgen spüren.
Australien Ende Dezember: Rauch steigt über brennenden Wäldern auf. Glen Morey/picture-alliance/AP Photo Australien Ende Dezember: Rauch steigt über brennenden Wäldern auf.

Die Erde heizt sich auf, und durch die steigenden Temperaturen kommt es immer häufiger zu Überschwemmungen und Dürren. Diese und andere Folgen der Klimakrise gefährden die Ernährungssicherheit und Gesundheit von Millionen Menschen. Laut einem aktuellen Bericht des internationalen Medizin-Fachjournals The Lancet birgt der Klimawandel schwere Gesundheitsrisiken. In einem wärmeren Klima verbreiten sich Infektionskrankheiten nicht nur rascher, die Autoren warnen sogar davor, dass der Klimawandel den gesamten Fortschritt der vergangenen 50 Jahre gefährden könnte.

Mehrere Dutzend Forscher von UN- und anderen Einrichtungen weisen in der Studie „The Lancet Countdown 2019“ auf die zunehmende Luftverschmutzung hin. Ein Grund dafür sind Wald- und Buschbrände, wie sie momentan in Australien wüten. Die Brände waren allerdings bei der Veröffentlichung des Berichts noch nicht ausgebrochen und werden folglich nicht erwähnt.

Hauptverantwortlich für die Verschlechterung der Luftqualität sind aber fossile Energieträger. Mit Blick auf die öffentliche Gesundheit sieht Hauptautor Nicholas Watts die wichtigste Aufgabe darin, den Verbrauch fossiler Energien zu reduzieren. Laut der Studie starben allein 2016 7 Millionen Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung. Die Wissenschaftler mahnen, wenn sich der Energiesektor nicht drastisch ändere, werde sich die Situation weiter verschlimmern. Eine Umstellung auf regenerative Energien würde auch den Klimawandel an sich abschwächen.

Die Autoren dringen auf die Einhaltung des Pariser Vertrags. Wenn die Weltgemeinschaft es versäumt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, werden heute geborene Kinder im Alter von 71 Jahren in einem mehr als vier Grad wärmeren Weltklima leben. „Jedes Kind, das heute auf die Welt kommt, wird erheblich vom Klimawandel betroffen sein“, schreiben die Autoren.


Unterernährte Kinder

Seit 2014 ist die Zahl unterernährter Menschen weltweit stetig gestiegen. Besonders betroffen sind Kinder unter fünf Jahren, heißt es im Lancet Cowntdown. Unterernährung führt zu Wachstumsstörungen und -verzögerungen und vielen anderen Gesundheitsfolgen. Eine große Rolle spielen dabei Angebot, Zugang und Erschwinglichkeit von Nahrungsmitteln. In einem heißeren Klima sind die Ernten schlechter, dies treibt Nahrungsmittelpreise in die Höhe. Die Daten der Studie zeigen auch, dass das globale Ertragspotenzial in den vergangenen drei Jahrzehnten konstant rückläufig war: bei Reis um drei Prozent, bei Mais um vier Prozent und bei Winterweizen sogar um sechs Prozent.

Steigende Wassertemperaturen, Ex­tremwetterereignisse und die Übersäuerung der Ozeane wirken sich auch negativ auf den Fischfang aus. Fisch ist eine wichtige Proteinquelle für 3,2 Milliarden Menschen, besonders in Entwicklungs- und Schwellenländern. Eine eiweißarme Ernährung schlägt auf die Gesundheit, warnen die Wissenschaftler.

Hinzu kommen Infektionskrankheiten, die in wärmeren Temperaturen wieder­aufleben. Moskitos, die das Denguefieber übertragen, können besser überleben. Neun von zehn Jahren mit der größten Wahrscheinlichkeit für Denguefieber-Infektionen sind seit der Jahrtausendwende verzeichnet worden. Die Autoren halten Denguefieber für die sich am schnellsten ausbreitende Krankheit. Sie bedrohe die Hälfte der Weltbevölkerung.

Im Bericht heißt es außerdem, wenn hitzebedingt Gesundheitsprobleme auftreten, zeige sich das häufig in einer verminderten Arbeitsproduktivität. 2018 gingen demnach wegen gestiegener Temperaturen 30 Prozent mehr potenzielle Arbeitsstunden verloren als 2000.

Das Gesamtbild ist eindeutig: Wie stark der Klimawandel die Gesundheit der Menschen beeinträchtigen wird, hängt von ihrem Wohlstand ab. Arme Menschen sind am meisten betroffen. Poornima Prabhakaran ist eine der Autorinnen und tätig an der öffentlich-privaten Forschungseinrichtung Public Health Foundation in Indien. Ihr zufolge werden nur wenige Länder von den Gesundheitsfolgen des Klimawandels so stark betroffen sein wie Indien. Sie nennt Gründe wie die große Bevölkerungszahl, große Ungleichheiten bei der Gesundheitsversorgung, Armut und Mangelernährung. Durchfallkrankheiten seien die Hauptursache für die Kindersterblichkeit in Entwicklungsländern. Mit steigenden Temperaturen verschlimmere sich die Situation.


Wohlhabende Weltregionen

Der Bericht betont, dass die Menschheit immer noch zu viel fossile Energien verbrennt und die globalen Emissionen weiter hochtreibt. China, Indien und Südostasien verheizen weiterhin viel zu viel Kohle, was zu katastrophaler Luftqualität führt. Allerdings sind auch wohlhabende Regionen nicht vor der steigenden Luftverschmutzung gefeit. Feinstaub der Partikelgröße kleiner als 2,5 Mikrometer (PM 2,5) verursacht schwere Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen. Selbst wenn die Feinstaubwerte 100 Jahre auf dem Stand von 2016 stehen blieben, würde die durchschnittliche Lebenserwartung in Europa um fast sechs Monate sinken.

Weitere Gesundheitsrisiken für reiche Länder sind Hitzewellen, besonders in Europa und im östlichen Mittelmeerraum. Dort überaltert die Bevölkerung und ist deshalb besonders gefährdet. Hinzu kommt ein steigendes Risiko für nichtübertragbare Krankheiten. Gleichzeitig weisen die Autoren auf zunehmende Waldbrände hin, besonders in Indien und China.

Die Studie würdigt aber auch einige Erfolge:

  • China ist weniger abhängig von Kohle;
  • in Europa ist die Luftqualität insgesamt besser geworden;
  • etwa die Hälfte aller Länder hat Klima-Notfallpläne erarbeitet.

Die Autoren loben auch, dass sich die Gesundheitssysteme zunehmend an die neuen Bedürfnisse der Menschen anpassen. Sie machen jedoch gleichzeitig deutlich, dass noch viel mehr getan werden muss – und zwar bald.


Link
The Lancet Countdown 2019:
http://www.lancetcountdown.org/2019-report