Just Transition
Das Schlagwort „Just Transition“ mit Leben füllen
Unbestreitbar muss die Weltwirtschaft eine ökologische Wende vollziehen. Die voranschreitende Erderwärmung und die angestrebte Begrenzung auf möglichst nicht mehr als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit machen es notwendig, CO2-Emissionen zu mindern. Dass diese Dekarbonisierung auch sozial gerecht gestaltet werden muss, fordern nicht nur Gewerkschaften seit Jahren. Das Schlagwort lautet „Just Transition“ – ein gerechter Übergang also.
Tatsächlich ist das Streben nach Klimaneutralität und dem Erhalt der Biodiversität keineswegs per se sozial verträglich und partizipativ. Beispielsweise gehen dadurch Arbeitsplätze in CO2-intensiven Branchen verloren. Betroffene dürfen aber durch die ökologische Wende nicht schlechtergestellt werden, sondern müssen profitieren. Andernfalls drohen soziale Widerstände den ökologischen Umbau auszubremsen.
Als der Internationale Gewerkschaftsbund (International Trade Union Confederation – ITUC) 2010 die Forderung nach einer Just Transition erhob, ging es vor allem darum, menschenwürdige Beschäftigung im Zuge des ökologischen Wandels zu sichern und auszuweiten. Arbeitsplätze, die etwa im Kohlesektor verloren gehen, sollten durch Arbeitsplätze im Bereich der regenerativen Energien oder in anderen Sektoren ersetzt werden. Die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization – ILO) sprach sich ebenfalls für eine Just Transition aus und definierte 2015 dafür Leitlinien. Im Zentrum stehen menschenwürdige Arbeit für alle, soziale Inklusion und die Beseitigung der Armut.
Das Prinzip der Just Transition findet sich auch in der Präambel des Pariser Klimaabkommens von 2015 und wurde bei darauffolgenden Klimakonferenzen bekräftigt. Betont wird, dass:
- Regionen, die bisher von fossilen Energieträgern abhängig waren, in besonderem Maße betroffen sind,
- der ökologische Wandel nur in einem breiten sozialen Dialog gelingen kann und
- ärmere Länder von außen unterstützt werden müssen.
Internationale Kooperationen
Seit der Klimakonferenz in Glasgow 2021 schlossen Industrieländer und Länder mit niedrigeren Einkommen verschiedene Energiepartnerschaften miteinander. Kontroverse Diskussionen gibt es derzeit etwa zu der Frage, ob Erdöl und Erdgas als Übergangstechnologien notwendig und vertretbar sind.
Auch bezüglich der sozialen Herausforderungen besteht in der internationalen Debatte kein gemeinsames Verständnis. Die ILO-Leitlinien sind sehr breit gefasst, sodass sich verschiedene Akteure die Schwerpunkte je nach Gusto aussuchen können. In der Praxis zeigt sich, dass es bei Übergangsprozessen aber insbesondere um drei Aspekte geht:
1. Alternative Arbeitsplätze: Der Ausbau regenerativer Energien schafft Arbeitsplätze, allerdings ist es mit einer bloßen Umschulung der Beschäftigten in fossilen Sektoren nicht getan. Neue Arbeitsplätze entstehen nicht notwendigerweise dort, wo Kohle abgebaut wurde, sondern je nach Solar- und Windenergiepotenzial eines Landes unter Umständen weit entfernt. In diesem Fall gilt es, vor Ort qualitativ ansprechende Arbeitsplätze auch außerhalb des Energiesektors zu schaffen.
2. Soziale Sicherung: Ökologische Reformen können zu Preissteigerungen führen. Regierungen sollten dann Maßnahmen der sozialen Sicherung ergreifen, um bei den Bürger*innen die Akzeptanz zu erhöhen. Werden fossile Treibstoffe weniger subventioniert oder stärker besteuert, kann dies zu Protesten führen. Beispielsweise musste die Regierung Ecuadors die Streichung von Treibstoffsubventionen im Oktober 2019 nach massiven Protesten zurücknehmen. Diese Entscheidung war nicht mit sozialen Maßnahmen abgefedert worden. Zielgenaue Maßnahmen der sozialen Sicherung – etwa Direktzahlungen (Cash Transfers) für bedürftige Haushalte – sind in der Regel effektiver und kostengünstiger als Preissubventionen, von denen unnötigerweise auch reiche Haushalte profitieren.
3. Regionale Strukturpolitik: Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern führt dazu, dass Regionen weltweit ihren bisherigen industriellen Kern verlieren. Um eine Abwärtsspirale zu verhindern, sind erhebliche Investitionen in regionalen Strukturwandel nötig. Dies umfasst die Renaturierung der Abbauflächen fossiler Energieträger (etwa Kohleminen), den Ausbau der Infrastruktur, die Förderung von Bildung und Forschung und die Ansiedlung neuer Branchen.
Just Transition ist mehr als nur ein Synonym für nachhaltige Entwicklung. Wenn der Übergang zu einer klima- und umweltfreundlicheren Welt tatsächlich gerecht gestaltet werden soll, ist es nötig, die drei genannten Punkte besonders zu berücksichtigen – und dafür ausreichend Mittel bereitzustellen.
Links
GIZ 2021: Just Transition to a green economy – employment, economic, and social consequences of the transition to an ecologically sustainable economy in developing countries.
https://www.iisd.org/publications/report/just-transition-green-economy
IISD 2022: Just Energy Transition Partnerships: An opportunity to leapfrog from coal to clean energy.
https://www.iisd.org/articles/insight/just-energy-transition-partnerships
Georg Schäfer ist Experte für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Beschäftigungsförderung und Armutsbekämpfung. Er war lange in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit tätig.
geo.schaefer@t-online.de