Erneuerbare Energien
Den Kohleausstieg erleichern
Immer mehr Orte weltweit leiden unter den Folgen extremer Wetterereignisse. Sie beschädigen Häuser, Straßen und andere Infrastruktur, von der das Wohlergehen und die Lebensgrundlagen der Menschen abhängen. Zwar sind sich alle einig, dass es wichtig ist, den Klimawandel langfristig zu bekämpfen. Dennoch überwiegt oft der Druck, unmittelbar reagieren zu müssen, um Schäden zu beheben und Existenzgrundlagen wiederherzustellen. Das aber lenkt von längerfristigen Klimazielen ab. Wir verlieren schnell das große Ganze aus dem Blick, insbesondere die Notwendigkeit der Dekarbonisierung, um die Folgen der Erderwärmung zu verhindern oder zu minimieren.
Viele sind erschöpft oder überfordert vom Ausmaß der nötigen Veränderungen: Kommunen und Politiker*innen genauso wie Einzelpersonen. Aber wie werden wir uns dann erst in zehn Jahren fühlen, inmitten noch stärkerer Klimafolgen? Wenn unsere Finanzmittel schon heute strapaziert sind, weil wir auf permanente Klimaschocks reagieren müssen – wie viel schlechter wird es uns erst in zehn Jahren gehen?
Es macht Angst, darüber nachzudenken. Aber es sollte uns zum Handeln bringen. Auf individueller Ebene können wir zu geringeren CO2-Emissionen beitragen, indem wir unsere Konsummuster und Energieverbräuche anpassen. Viel mehr bewirken ließe sich aber auf staatlicher Ebene: Regierungen könnten zum einen den CO2-Fußabdruck ihrer Länder über veränderte Verbrauchs- und Investitionsentscheidungen verkleinern. Zum anderen könnten sie Anreize dafür schaffen, dass eine ganze Reihe von wirtschaftlich relevanten Akteuren aktiv werden: große und kleine Unternehmen, Haushalte mit hohen und niedrigen Einkommen sowie staatliche Stellen auf nationaler und subnationaler Ebene.
Umstieg auf erneuerbare Energieträger
Für eine signifikante Dekarbonisierung ist der Umstieg von Kohle zu erneuerbaren Energieträgern zentral. In den vergangenen zwanzig Jahren hat der Kohleverbrauch in Entwicklungsländern durch Wirtschaftswachstum und steigende Einkommen stark zugenommen. Seit 1990 ist der Pro-Kopf-Stromverbrauch laut Weltbank in China um das Neunfache gestiegen, in Indonesien um das Sechsfache und in Indien um mehr als das Dreifache (Ruppert Bulmer et al., 2021).
In dieser Zeit wurden auch Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen abhängiger von Kohle, die derzeit fast die Hälfte des gesamten Energiebedarfs der Entwicklungsländer abdeckt (siehe Grafik unten). Reichere Länder wechselten hingegen zunehmend zu Erdgas, das bis vor Kurzem leicht und günstig verfügbar war und als „sauberer“ galt als Kohle. Heute aber ist es um die globalen Märkte und auch um die Verbraucherstimmung anders bestellt – wegen des fortdauernden Kriegs Russlands in der Ukraine. Die stockende Öl- und Gasversorgung führte zu einer Energiekrise und machte leider Kohle wieder attraktiver. Die Kohlepreise stiegen, viele Länder öffneten bereits geschlossene Kohleminen wieder oder weiteten bestehende Minen aus.
Um unabhängiger von Kohlestrom zu werden, ist es nötig, massiv in Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und robuste Verteilungsnetze zu investieren und gegen Preisverzerrungen vorzugehen, die exzessiven Energieverbrauch befördern – etwa über eine CO2-Steuer. Sinnvoll sind auch Anreize für geringeren Verbrauch. Für echte globale Fortschritte sind sowohl politische Anstrengungen als auch Investitionen in großem Stil nötig.
Veränderungen im Kohlesektor
Derzeit produzieren zehn Länder 90 Prozent der jährlich weltweit geförderten Kohle. Die ehemals dominanten europäischen und nordamerikanischen Produzenten wurden unter anderem von China, Indien, Indonesien, Australien und Russland verdrängt. Im vergangenen Jahrzehnt gingen die Kohlepreise weltweit zurück, deshalb produzierten viele Kohlebergwerke weniger und bauten Stellen ab. Im Kohlesektor waren 2019 weltweit nur 4,7 Millionen Menschen beschäftigt, ein Drittel weniger als noch 2008. Selbst in den wichtigsten kohleproduzierenden Ländern machen die Arbeitsplätze im Kohlesektor weniger als 0,5 Prozent aller Beschäftigten aus.
Trotzdem spielen diese Jobs oft eine große Rolle für die lokale Wirtschaft. Die Ausgaben der Bergleute, etwa für Wohnen, Essen oder Gesundheit, kommen Stellen in anderen Bereichen zugute. Wird ein Bergwerk geschlossen, gefährdet das also auch andere Sektoren. Solche indirekten Folgen zeigen: Wenn Bergwerke geschlossen werden, kann das die lokale Wirtschaft untergraben, Gemeinschaften aushöhlen und insgesamt große Not mit sich bringen. In den vergangenen Jahrzehnten war das vielerorts zu beobachten. Der wirtschaftlichen Erholung von Bergbauregionen standen auch Umweltschäden entgegen, um die sich niemand kümmerte. Angesichts solcher schlechten Erinnerungen ist es weiterhin politisch heikel, ein Kohlebergwerk zu schließen.
Viele kohleproduzierende Länder kämpfen mit den gegenläufigen Zielen von Dekarbonisierung einerseits und der Schaffung von Arbeitsplätzen andererseits. Die Regierungen haben internationale Organisationen um technische Unterstützung bei der Planung des Kohleausstiegs gebeten. Insbesondere müssen künftige Bergwerksschließungen gut gehandhabt werden. Um Rückschläge zu vermeiden, muss es beim Übergang zu tragfähigen wirtschaftlichen Alternativen für die betroffenen Arbeiter*innen und ihre Gemeinschaften gerecht zugehen. Wo Bergbauland in einen ökologisch besseren Zustand gebracht wird, kann das nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung vor Ort verbessern, sondern es schafft auch neue Möglichkeiten für die Wirtschaft.
Der Ansatz der Weltbank
Die Weltbank hat einen umfassenden, sektorübergreifenden Ansatz für den Kohleausstieg entwickelt, der auf Vorabdiagnose, institutionelle Analysen und das Einbeziehen von Interessengruppen setzt. Von Anfang an gilt es alternative Möglichkeiten der Energienutzung mitzudenken, und auch, welche Folgen diese auf die Arbeitssituation in betroffenen Gemeinden haben könnten. Entscheidende Aspekte sind, in welchem Umfang Arbeiter*innen betroffen sind, ihre Qualifikation und welche alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten es nach Schließung der Mine für sie geben könnte. Dazu gehören auch Arbeiten im Rahmen der Umgestaltung des Geländes, um es anders nutzen zu können, etwa für erneuerbare Energien. Aus diesen Informationen werden dann Maßnahmen abgeleitet, um den Übergang zu erleichtern und anfängliche Einkommenseinbußen abzumildern.
Dieser Ansatz erfordert Zeit und Mühe, er muss zwischen verschiedenen Regierungsstellen koordiniert werden. Wichtig ist dabei, die Bevölkerung nach ihren Anliegen und Prioritäten zu fragen. Am Ende sollte ein kohärenter Übergangsplan stehen – und die passende institutionelle Governance-Struktur zu dessen Umsetzung. Diese Elemente können das Engagement der Regierung stärken und zugleich verschiedene Interessengruppen von dem Konzept überzeugen. Wenn den Regierungen Kosten und Vorteile des Kohleausstiegs klar sind, können sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen und öffentliche Mittel für nachhaltige Investitionen bereitstellen, die der Klimakrise angemessen Rechnung tragen.
Um diese Herausforderung anzugehen, braucht es sowohl öffentliche als auch private Gelder. Auf den jüngsten COP- und G20-Gipfeln verpflichteten sich reiche Nationen dazu, zusätzliche öffentliche und private Finanzmittel zu mobilisieren, um den Kohleausstieg in einigen der größten kohleproduzierenden Länder zu beschleunigen, darunter auch Indonesien und Südafrika.
Immer mehr Menschen weltweit sind den Folgen der globalen Erwärmung ausgesetzt, die Ressourcen der Regierungen werden aber durch kurzfristige Krisenreaktionen strapaziert. Es ist an der Zeit, die strukturellen Herausforderungen der Dekarbonisierung anzugehen. Das erfordert eine sorgfältige Planung, die angemessene Investition öffentlicher Mittel und die Schaffung von Anreizen, damit Wirtschaftsakteure eine Rolle spielen können – von einzelnen Verbraucher*innen über Familien und lokale Gemeinschaften bis hin zu kleinen und großen Privatunternehmen.
Literatur
Ruppert Bulmer, E., Pela, K., Eberhard-Ruiz, A., Montoya, J., 2021: Global perspective on coal jobs and managing labor transition out of coal: Key issues and policy responses. Washington, DC, World Bank.https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/37118
World Bank: Just transition for all: The World Bank Group’s support to countries transitioning away from coal.
https://www.worldbank.org/en/topic/extractiveindustries/justtransition
Elizabeth Ruppert Bulmer ist Lead Economist in der Jobs Group der Weltbank.
eruppertbulmer@worldbank.org