Editorial

Das nötige Umfeld

Manche Tatsachen müssen immer wieder ausgesprochen werden. Dazu gehören die folgenden drei:
Kinder aus dem Dorf Idool in Kamerun trocknen ihre Ernte. Fabian von Poser/imagebroker/Lineair Kinder aus dem Dorf Idool in Kamerun trocknen ihre Ernte.

- Es gibt zwar genug Nahrung auf Erden, aber Massen von Armen haben nicht genug Geld, um sich zu kaufen, was sie brauchen. Hunger und Mangel­ernährungen beeinträchtigen sie und besonders ihre Kinder, was körperliche und ökonomische Wachstumschancen angeht.

- Städtische Armut fällt zwar besonders auf, aber Hunger und Mangelernährung sind vor allem ländliche Phänomene. Die Betroffenen leben typischerweise in Agrarregionen. Selbst in fruchtbaren Gegenden leiden Menschen ohne eigenen Boden meist bittere Not.

- Zwar hat die Menschheit heute grundsätzlich genug Nahrung für alle, aber das wird kaum so bleiben. Die Weltbevölkerung wächst – und zwar besonders in armen Gegenden. Zudem sorgt der Klimawandel heute schon für Ernte vernichtende Stürme, Fluten und Dürren.  

All das ist wohlbekannt, und wir wissen auch – zumindest theoretisch –, was zu tun ist. Wie unsere Autoren im E+Z/D+C-Schwerpunkt im März 2012 ausführten, muss sich die Politik auf die arme Landbevölkerung konzentrieren. Die Produktivität kleiner Bauernhöfe, die meist umweltfreundlich arbeiten, muss steigen. Dafür müssen den Leuten bessere Methoden und Fähigkeiten vermittelt werden, und sie müssen mit modernen Produktionsmitteln und solider Infrastruktur versorgt werden. Die Vision ist wunderbar. Wenn die Kleinbauern produktiver arbeiten und die Transportverbindungen besser werden, können neue Unternehmen mit Nahrungsmittelverarbeitung Arbeit schaffen und zur Wertschöpfung beitragen. Von Familien betriebene Landwirtschaft wird so zur Basis der Diversifizierung der dörflichen und kleinstädtischen Ökonomie. Selbst die Landflucht ebbt ab, weil Menschen sich eine Zukunft daheim schaffen.

Klar, die Sache hat einen Haken. Diese Vision besteht seit Jahrzehnten. Sie sollte das Ergebnis der integrierten ländlichen Entwicklungsprogramme (integrated rural development programmes – IRDPs) sein, was aber meist misslang. IRDPs sind schwer zu implementieren, weil ihr Erfolg von vielen Faktoren und Akteuren abhängt. Die Bauern müssen neue Konzepte akzeptieren und neue Fähigkeiten – einschließlich Buchhaltung – zügig anwenden. Lesen und Rechnen sind wichtig, also kommt es auch auf die Schulen an. Die Produktivität muss steigen wie von den Agrarberatern vorgesehen. Teure Infrastruktur muss neu geschaffen werden, um eine Transportnachfrage zu be­dienen, die noch gar nicht besteht. Unternehmer müssen erfolgreich so investieren, wie es die Regionalplaner vorsehen.

IRDPs erfordern offensichtlich sehr viel zielgerichtetes und kompetentes Staatshandeln. Viele Programme sind versandet, ohne viel zu bewirken. Die Lage der landlosen Armen wurde nur selten verbessert. Denn auch ländliche Armut wird sicherlich erst überwunden, wenn der ländliche Raum Teil florierender Marktwirtschaften wird. Private Unternehmen haben eine wichtige Rolle. Sie werden sie aber nur übernehmen, wenn Staatshandeln das richtige Umfeld schafft. Privatinvestoren können vielschichtige ländliche Infrastruktur gar nicht rentabel finanzieren.

Ohne die nötigen Rahmenbedingungen halten Investoren an bekannten Geschäftsmodellen fest. Große Plantagen schaffen zwar nicht viele Arbeitsplätze und belasten die Umwelt, es ist aber klar, wie mit ihnen Gewinn erzielt wird. Das weltweit wachsende Interesse an großen Landtransaktionen ist ein schlechtes Omen. Die Menschheit braucht Strategien, um das Leben der Armen zu verbessern, nicht Geschäfte, die sie weiter marginalisieren.

 

 

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