Wassermangel
Wenn Gletscher auftauen
Außer am Nord- und Südpol hat keine andere Region der Welt solch enorme Eismassen wie das Himalaya-Gebirge. Die Hindukusch-Himalaya-Region (HKH) ist ein komplexes Bergsystem. Es versorgt mehr als 210 Millionen Menschen in den Bergen und 1,3 Milliarden Menschen flussabwärts mit Frischwasser.
Drei große Flüsse – der Indus, der Ganges und der Brahmaputra – entspringen im Himalaya und fließen nach Südasien, während der Gelbe Fluss, der Jangtse, Mekong, Irrawaddy und Saluen auf dem Tibetanischen Plateau entspringen und nach China und Südostasien fließen. Diese gigantischen Flüsse sind eine Wasserquelle für Trinkwasser, zur Bewässerung, für Fischerei und für die Industrie. In Dürrezeiten sind es die Himalaya-Gletscher, die diese Flüsse mit Wasser versorgen und die Grundwasserspeicher auffüllen.
Die Durchschnittstemperatur auf dem Mount Everest – dem höchsten Gipfel des Himalaya-Gebirges – ist jetzt jedoch 1,5 Grad höher als zu Beginn der Industrialisierung, wie eine neue Studie im Wissenschaftsjournal Nature berichtet. Die Konsequenzen drohen verheerend zu sein:
- Gletscherseen werden so voll, dass Dämme brechen und die tiefer gelegenen Dörfer zerstören.
- Jetzt schmelzende Gletscher bedeuten, dass es in der Zukunft im Frühling weniger Schmelzwasser geben wird. Alle Länder, die vom Himalaya-Wasser abhängig sind, werden darunter leiden.
Laut der Studie „Asia’s glaciers are a regionally important buffer against drought“ sind Gletscher eine „einzigartige dürreresistente Wasserquelle“. Das sommerliche Schmelzwasser des Himalayas ist ausreichend für die „jährlichen kommunalen und industriellen Bedürfnisse von Pakistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan und Kirgistan“. In Dürresommern besteht ein Großteil des Flusswassers im oberen Indus und Aral-Becken aus Schmelzwasser. Das weltweit größte System von bewässerter Landwirtschaft befindet sich entlang des Indus-Flusses und hängt völlig von seinem Wasser ab. Die Bauern dieser Region sind sehr dürregefährdet, da der sommerliche Monsun hier weniger stark ist als weiter östlich.
Der Autor der Studie, Gletscherforscher Hamish D. Pritchard von der Cambridge University, zeigt auf, dass die „Bevölkerung der hohen Berge Asiens besonders durch Wassermangel gefährdet ist“. Im vergangenen Jahrhundert war Dürre die schädigendste Form von Naturkatatrophen in dieser Region, verantwortlich für 6 Millionen Tote und mit Auswirkungen auf 1,1 Milliarden Menschen. Pritchard warnt: „Diese Gegend ist von Wassermangel bedroht, aber nicht gut vorbereitet für die lang anhaltenden Dürren, die regelmäßig auftreten.“
Das Problem ist, dass das Gletschereis – der einzige Puffer, der die extreme Wasserknappheit jahreszeitlich sowie längerfristig abfedern kann – allmählich abschmilzt. Schmelzwasser der Gletscher gibt es normalerweise auch in Dürrezeiten. Pritchard erklärt, dass „im Gegensatz zu der Schneedecke, die jährlich variiert, Gletscher den Weg des Wassers durch das hydrologische System verzögern, indem sie die Niederschläge als Eis konservieren, das langsam in geringere Höhen rutscht, bis es schließlich im Sommer schmilzt“.
Klimaforscher sagen für die nächsten Jahrzehnte mehr dürrebedingte Wasser- und Nahrungsknappheit in Asien voraus. Die Probleme werden durch weiteres Abschmelzen des Gletschereises verschärft, was eine klare Auswirkung des Klimawandels ist. In zukünftigen Sommern, so der Autor, könne der Schmelzwasserzufluss in die Flüsse „um die Hälfte oder mehr zurückgehen, wodurch die Bevölkerung flussabwärts unter noch größeren Wasserstress gerät“. Dies könne ein „potentieller Auslöser für einen Preisschock sein, der die ganze Region zutiefst destabilisiert“, warnt Pritchard.
Link
Hamish D. Pritchard, 2017: Asia’s glaciers are a regionally important buffer against drought. Nature magazine.
http://www.nature.com/nature/journal/v545/n7653/full/nature22062.html