Algerische feministische Bewegung
Fortschritte und Rückschläge

In Algerien wie auf der ganzen Welt ist bekannt, dass Bildung die weibliche Selbstbestimmung stärkt. Dennoch halten sich online und offline schädliche Stereotypen, die torpedieren, was die algerische Frauenbewegung schon in den 1940er-Jahren erreicht hat. Algerierinnen spielten eine wichtige Rolle im Befreiungskrieg gegen die französische Kolonialherrschaft und erlebten gezielte koloniale Gewalt. Nach der Unabhängigkeit 1962 erkannte die algerische Regierung in der Verfassung von 1976 den Beitrag der Frauen zum Befreiungskampf an.
1984 wurde jedoch das Familiengesetz eingeführt, das traditionelle Normen stärkte und die Autorität des Mannes über die Frau festlegte. Wieder mobilisierte sich die feministische Bewegung. Organisationen wie die 1985 gegründete „Association for Equality of Rights between Women and Men“ forderten zivile Gesetze zur Sicherung der Gendergleichheit und schafften so die Grundlage für eine widerstandsfähige Bewegung, die auch die politische Instabilität des Bürgerkriegs der 1990er-Jahre überdauerte.
Seit Anfang der 2000er-Jahre hat die anhaltende feministische Lobbyarbeit bedeutende Rechtsreformen erwirkt. Meilensteine waren etwa Änderungen des Familiengesetzes 2005 und 2015 hin zu strengeren Strafen für häusliche Gewalt und Belästigung auf der Straße – ein beachtlicher Erfolg für die algerischen Frauen. Ergänzend rief die Regierung 2010 das „Joint Programme for Gender Equality and Women’s Empowerment in Algeria“ ins Leben. Das Programm sollte die Einbeziehung von Frauen in Führungspositionen und Wirtschaft fördern. Diese Bemühungen trugen zu echten Fortschritten bei: 2012 hatten Frauen 31,6 Prozent der Parlamentssitze inne, die damals höchste Quote in der arabischen Welt (Tripp 2019).
Trotz dieser Fortschritte ist Geschlechtergleichstellung in der Arbeitswelt nach wie vor illusorisch. Frauen in Führungspositionen stoßen oft auf große gesellschaftliche Widerstände. Ein aktuelles und viel diskutiertes Beispiel ist der Fall von Zahia Benkara. 2017 war sie eine von vier Frauen, die in Algerien zur Bürgermeisterin gewählt wurden. National und international wurde ihre Leistung gefeiert, vor Ort traf sie jedoch auf heftigen Widerstand. Nicht zuletzt gab es frauenfeindliche und beleidigende Kommentare in den sozialen Medien, in denen sie für ihr Aussehen verspottet und mit einem Mann verglichen wurde. Dieser Fall zeigt die Herausforderungen, mit denen algerische Frauen in ihrem Streben nach Gleichberechtigung permanent konfrontiert sind, und spiegelt die komplexe und wechselhafte Geschichte ihres Kampfes gegen festgefahrene patriarchalische Normen wider.
Links
Tripp, A. M., 2019: The fight for democracy and women’s rights in Algeria: a long legacy of struggle. Turkish Policy Quarterly, 18(1), pp. 59-67.
http://turkishpolicy.com/article/957/the-fight-for-democracy-womens-rights-in-algeria-a-long-legacy-of-struggle
Khadidja Kelalech ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität von Leicester, UK, und forscht zu Frauenthemen in der MENA-Region mit Fokus auf Algerien.
kelalechkhadidja@gmail.com