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Gewählte Regierung

Die doppelte Botschaft des Wahlsiegs von Diomaye in Senegal

Bassirou Diomaye Faye hat die Präsidentschaftswahlen in Senegal mit einem Erdrutschsieg gewonnen. Das Ergebnis zeigt nicht nur, dass die Demokratie in dem westafrikanischen Land lebendig ist, sondern auch, dass die Menschen dort den Einfluss westlicher Regierungen ablehnen.
Diomaye-Unterstützer*innen bei einer Wahlkampfkundgebung im März. picture-alliance/ASSOCIATED PRESS/Mosa’ab Elshamy Diomaye-Unterstützer*innen bei einer Wahlkampfkundgebung im März.

Nach Diomayes Triumph wurde Senegal als Hoffnungsträger der Demokratie in einer unruhigen Weltregion gefeiert. Da in benachbarten Mitgliedsländern der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) die gewählten Regierungen durch Militärputsche gestürzt worden waren, hoben westliche Medien nun hervor, dass es in Senegal seit der Unabhängigkeit 1960 friedliche Machtwechsel, eine starke Zivilgesellschaft, eine unabhängige Justiz und einen gut funktionierenden Sicherheitssektor gebe.

Leider ist das nicht das ganze Bild. Spanische zivilgesellschaftliche Organisationen fordern, dass die EU untersucht, welche Rolle sie beim Tod senegalesischer Protestierender gespielt hat, als der vorherige Präsident Macky Sall am Ende seiner Amtszeit Neuwahlen verhinderte. Die spanischen Aktivisten vermuten, dass Spezialkräfte verantwortlich sind, die die EU als Grenztruppen ausgerüstet hat.

Die Demokratie in Senegal scheint auch in anderer Hinsicht angeschlagen zu sein. Dass sie als Vorbild gilt, liegt vor allem daran, dass sie Angriffe auf ihre Grundfesten immer wieder überstanden hat. Auch Salls Vorgänger, Abdoulaye Wade, ist 2012 erst durch den Druck der Straße aus dem Amt geschieden. Die staatlichen Institutionen schritten, wie auch diesmal, erst dann gegen die verfassungswidrige Mandatsverlängerung ein, als breit angelegte Protestbewegungen ausgebrochen und Versuche, sie zu unterdrücken, gescheitert waren.

Es ist bezeichnend, dass Beobachtungen aus westlichen Ländern die diesjährige verschobene Wahl falsch eingeschätzt und trotz Salls Unpopularität einen knappen Ausgang vorausgesagt hatten. Ihre Fehleinschätzung spiegelt die Kluft zwischen der kleinen Führungselite Senegals, der vermeintliche Fachleute ihre Aufmerksamkeit schenken, und der Mehrheit des Volkes wider.

In westlichen Medien herrscht seit geraumer Zeit Ratlosigkeit darüber vor, warum die Demokratie in ECOWAS-Ländern scheinbar abgewirtschaftet hat. In den Augen der Menschen vor Ort haben die gewählten Regierungen oft schlicht versagt. Wo westliche Beobachtungen Stabilität sehen, erleben Bürger*innen schlechte Regierungsführung, Korruption und mangelnde Unabhängigkeit der Justiz. Da die Entwicklungshilfe ihr Leben nicht verbessert hat, sieht die Bevölkerung sie vor allem als Zahlungen für die bereitwillige Zusammenarbeit der Eliten mit den Geberregierungen.

Es passt in dieses Bild, dass westliche Medien Diomaye und seinen prominenten Premierminister Ousmane Sonko nun als Populisten darstellen, die die Demokratie bedrohen – anstatt darauf hinzuweisen, dass Diomayes Wahlsieg auf den Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Vorgängerregierung zurückzuführen ist, die von westlichen Regierungen unterstützt wurde, aber nur den Interessen der Eliten diente.

Sechs Jahrzehnte nach der formalen Unabhängigkeit wird die wahre Unabhängigkeit gefordert

Viele Menschen in Senegal sagen, dass es an der Zeit ist, dass das Land nach sechs Jahrzehnten seine Unabhängigkeit nicht nur formal erlange. Sie ärgern sich über den anhaltenden Einfluss des Westens auf Regierungsführung und Wirtschaftssystem. Sie haben erlebt, wie korrupte Regierungen die Grundrechte mit Füßen getreten und sich mit nur formal demokratischen Methoden Pfründe und Machtpositionen gesichert haben. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Bevölkerung ihr Vertrauen in Verfassung und Wahlen noch nicht verloren hat.

Diomaye und Sonko versprechen, Korruption zu bekämpfen, Arbeitslosigkeit zu verringern, die Inflation unter Kontrolle zu bringen und die Autonomie Senegals hinsichtlich Energie und Ressourcen zu fördern. Sie haben auch erklärt, dass sie sich gegen den Einfluss Frankreichs wehren wollen, ohne jedoch bisher eine aggressive Konfrontationshaltung gegenüber der ehemaligen Kolonialmacht einzunehmen.

Ein Erfolg bei der Umsetzung der Wahlversprechen würde die Demokratie des Landes stärken, ein Scheitern kann sie leicht weiter aushöhlen. Kritik an den Wahlsiegern Diomaye und Sonko widerspricht in den Augen der Wähler*innen internationalen Forderungen nach mehr Demokratie in der Region. Wenn es den westlichen Regierungen damit ernst ist und sie glaubwürdig auftreten möchten, sollten sie mit der gewählten neuen Führung Senegals konstruktiv zusammenarbeiten.

Markus Rudolf ist bei der Addis Ababa University assoziierter Senior Researcher.
markus.k.rudolf@googlemail.com

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