Least developed countries
Klimaschutz wirklich umsetzen
2016 war das wärmste Jahr seit der Wetteraufzeichnung. In dem Jahr haben schwere Dürren mein Heimatland Äthiopien und viele andere Länder in Ostafrika heimgesucht. Tausende von Viehhaltern haben ihre kostbaren Tiere verloren und wurden zur Flucht gezwungen.
In Bangladesch wird zunehmend das Trinkwasser knapp, weil immer mehr Salzwasser ins Landesinnere dringt und die Not der 2,5 Millionen Menschen verschlimmert, die ohnehin schon unter Frischwasserknappheit leiden (siehe Beitrag von Feisal Rahman in E+Z/D+C e-Paper 2017/4, S. 22, und D+C/E+Z Druckausgabe 2017/05-06, S. 30). Wetterextreme wüten zerstörerisch in immer mehr Ländern, darunter Vanuatu, das dieses Jahr von dem schlimmsten Mai-Zyklon der südlichen Hemisphäre seit der Wetteraufzeichnung getroffen wurde.
Ereignisse wie diese geschehen immer häufiger auf der ganzen Welt. Sie sind ein Alarmzeichen, das darauf hindeutet, was uns bevorsteht, wenn wir so weitermachen wie bisher. Die am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries – LDCs) sind besonders gefährdet, obwohl sie am wenigsten Treibhausgase ausgestoßen haben.
Laut einem Bericht der World Meteorological Association sind die globalen Temperaturen bereits um bedenkliche 1,1 Grad über vorindustriellem Niveau gestiegen. Wenn wir nicht gegensteuern, werden die Temperaturen schätzungsweise auf 2,6 bis 4,8 Grad bis Ende dieses Jahrhunderts steigen.
Die globale Erwärmung verläuft nicht gleichmäßig. Afrika beispielsweise erwärmt sich 1,5 Mal schneller als der globale Durchschnitt laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Ein globaler Temperaturanstieg von 2 Grad würde einen Anstieg von 3 Grad in Afrika bedeuten, was weitere extreme Dürren und verlorene Lebensgrundlagen nach sich zöge.
Als Meteorologe kann ich einschätzen, welche verheerenden Folgen ein solcher Temperaturanstieg hätte. Der britische Wissenschaftler Kevin Anderson meint, dass ein Anstieg von vier Grad „sich nicht mit einer organisierten globalen Gemeinschaft vereinbaren ließe, man sich wahrscheinlich nicht anpassen könne, die meisten Ökosysteme zerstört würden und der Anstieg mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht stabil wäre“.
Als Vater ist das nicht die Zukunft, die ich mir für meine Kinder wünsche. Als Mensch ist es nicht die Zukunft, die ich mir für mein Land oder die Welt vorstelle.
Dennoch ist das die Zukunft, auf die wir derzeit zusteuern. Trotz des internationalen Konsenses, der in Paris erreicht wurde, bedeuten die heutigen Verpflichtungen der Länder keinen Weg in eine sichere Zukunft. Schätzungen zufolge würde sich die Welt, auch wenn aktuelle Versprechen umgesetzt werden, immer noch um 3,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts erwärmen. Die Versprechen sind nicht ausreichend, das in Paris gesteckte Ziel der internationalen Gemeinschaft zu erreichen, „den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Level zu begrenzen“.
Universeller Handlungsbedarf
Um für heutige und zukünftige Generationen einen sicheren Planeten zu gewährleisten, ist es unabdingbar, dass wir die Worte des Abkommens schleunigst in konkrete Handlungen umsetzen, die unsere Welt schützen.
Die LDCs erfüllen ihren Teil und haben im Zuge des Paris-Abkommens ambitionierte Pläne geschmiedet, die viele Versprechen enthalten, um den Klimawandel zu begrenzen. Diese beinhalten mehr als ihren fairen Anteil an den erforderlichen globalen Anstrengungen. Die LDC Renewable Energy and Energy Efficiency Initiative for Sustainable Development, kurz LDC REEEI, soll die Verpflichtungen in konkrete Maßnahmen umsetzen. Die Initiative soll Millionen unterversorgten Menschen Zugang zu nachhaltiger, sauberer Energie bringen, Jobs schaffen und zum Erreichen der Sustainable Development Goals (SDGs) beitragen. LDC REEEI ist eine von vielen Initiativen, die den Zugang zu Energie in LDCs und anderen Entwicklungsländern unter Federführung der Global Partnership on Renewable Energy and Energy Efficiency fördert.
Bislang verursachen die LDCs nur einen kleinen Anteil an den globalen Emissionen. Die Welt kann aber nur in eine sichere Zukunft gelenkt werden, wenn alle Länder konsequent ihre Verantwortung für den Klimawandel übernehmen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten agieren. Das Paris-Abkommen spiegelt diese Realität wider und erkennt an, dass eine effektive Antwort auf den Klimawandel eine holistische sein muss, die die Interessen aller Menschen auf der Welt berücksichtigt.
Zusätzlich zu den Klima- und Anpassungszielen einigte sich die internationale Gemeinschaft in Paris darauf, die „Adaptionsfähigkeit zu verbessern, die Resilienz zu stärken und die Verletzlichkeit gegenüber dem Klimawandel zu reduzieren“. Einem alleinstehenden Artikel im Abkommen über Verluste und Schäden wurde ebenso zugestimmt. Er spiegelt die harte Realität wider, dass auch bei raschem Handeln die bereits ausgestoßenen Emissionen weitere Auswirkungen mit sich bringen werden, an die sich die LDCs und andere Länder nicht anpassen können.
Das Pariser Abkommen erkennt auch an, dass alle Länder die entsprechenden Mittel brauchen, um dem Klimawandel effektiv begegnen zu können. LDCs und anderen Entwicklungsländern fehlen häufig die Kapazitäten, um die Infrastruktur zu entwickeln, um Emissionen zu reduzieren und um die Bevölkerung vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Deshalb bekräftigt das Abkommen die Verpflichtung der Industrieländer, Entwicklungsländern finanzielle, technologische und kompetenzfördernde Hilfe zu gewährleisten.
Dennoch gibt es eine große und beständige Lücke zwischen den benötigten und den tatsächlich bereitgestellten Ressourcen. Schätzungen zufolge benötigen Entwicklungsländer 4 Billionen Dollar, um die Pläne, die sie im Zuge des Paris-Abkommens gemacht haben, umzusetzen. Derzeit sind 10,3 Milliarden Dollar vom Green Climate Fund mobilisiert. Andere Quellen wie der Least Developed Countries Fund sind praktisch leer.
Das Pariser Abkommen vorantreiben
Die 23. UN-Klimakonferenz (COP23) im November in Bonn bietet die Möglichkeit, die Diskussion voranzutreiben, um diese Lücken zu füllen. Diese multilateralen Treffen bieten die Plattform für Länder, Wissen auszutauschen und gemeinsam an der Umsetzung der Ziele und Verpflichtungen des Paris-Abkommens wie der oben angesprochenen LDC REEEI zu arbeiten.
In den Verhandlungen wird die LDC-Gruppe weiter auf ein konkretes Regelwerk zur Implementierung des Pariser Abkommens dringen. Dieses beinhaltet die Forderung nach Transparenz und Rechenschaftspflicht der Länder, indem ihre Reduktionsziele und zukünftigen Maßnahmen öffentlich überprüft werden. Auf der COP23 müssen wir die Regeln zur Umsetzung der Maßnahmen wesentlich vorantreiben, damit wir über Diskussionen zum Prozedere hinaus zu konkreten Ergebnissen kommen.
Der Klimawandel ist zweifelsfrei die größte kollektive Bedrohung der Menschheit. Ihn zu stoppen benötigt eine globale Antwort, die ambitiös und fair zwischen den Ländern verteilt ist und die Ärmsten und Verletzlichsten der Welt schützt. Um das zu erreichen, bleibt weltweit viel zu tun. Länder müssen ihre Treibhausgase schleunigst reduzieren, um eine weitere Erwärmung zu verhindern. Den LDCs und anderen Entwicklungsländern muss adäquate Hilfe gewährleistet werden, um die besonderes verletzlichen Gemeinschaften zu schützen.
Wir müssen die Umsetzung der in Paris definierten Ziele nüchtern evaluieren und unsere Handlungen entsprechend anpassen, wenn wir unseren Planeten und unsere Zukunft sichern wollen. Das Fortbestehen der Menschheit steht auf dem Spiel und wir müssen gemeinsam daran arbeiten, eine glückliche Zukunft für uns alle zu garantieren.
Gebru Jember Endalew ist Vorsitzender der Least Developed Countries Group im UNFCCC-Prozess.
ldcchair.ethiopia@gmail.com