SDGs
Chinas Bemühungen
China hat maßgeblich zum Prozess der Agenda 2030 und der Einigung auf die 17 Sustainable Development Goals (SDGs) beigetragen. Es hat sein Image als „Hardliner in internationalen Verhandlungen“ überwunden, das China bei den UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen attestiert worden war, wo es standhaft auf dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten bestand. Dieses Prinzip der „Common but Differentiated Responsibilities“ bedeutet, dass die entwickelten Länder die Führung im Bezug auf Emissionsreduktion übernehmen sollen und Entwicklungsländern finanzielle und technische Hilfe gewähren sollen, um auf den Klimawandel reagieren zu können. Der G20-Gipfel in Hangzhou 2016 war ein Anlass, zu dem China seine Führungsrolle in Bezug auf nachhaltige Entwicklung eindrucksvoll demonstrieren konnte.
Heimische Faktoren
Das Konzept der nachhaltigen Entwicklung hat einige Bezugspunkte zu den in der Volksrepublik häufig genutzten Begriffen „Ökologische Zivilisation“ (Ecological Civilisation), „Grüne Entwicklung” und „Ökologischer Marxismus”. Das Konzept der Ecological Civilisation wurde 2012 auf dem 18. Nationalkongress in die Charta der Kommunistischen Partei Chinas aufgenommen. Es dient als Rahmen, um Visionen eines modernen ökologischen Sozialismus zu entwickeln, und betont auch die spezifischen chinesischen Vorstellungen von grüner Entwicklung. Der Begriff Grüne Entwicklung wurde im 13. Fünf-Jahres-Plan (2016 bis 2020) als Top-Priorität hervorgehoben. Er wurde als eines von fünf Themen ausgewählt, um Prioritäten, Reformen und Ziele im Bereich Umwelt- und Klimapolitik zu definieren.
Chinas ökologische Krise und wachsende soziale Ungleichheit haben dazu geführt, dass die Notwendigkeit für eine wirtschaftspolitische Neuausrichtung hin zu mehr nachhaltiger Produktion und Verbrauch erkannt wurde. Extreme Luftverschmutzung und ein zunehmendes Wissen über Ressourcenverbrauch hat neue Wachstumsvisionen in China gefördert, die sich mehr auf nachhaltige Entwicklung konzentrieren. Bürger wurden durch gesundheitliche Schäden, die durch Luftverschmutzung verursacht wurden, sensibilisiert. Journalisten haben Umweltverschmutzungen aufgedeckt und Enthüllungsgeschichten über „Krebsdörfer“ veröffentlicht. Umweltthemen haben Schlagzeilen gemacht, besonders nachdem im Januar 2013 die Luftverschmutzung in Peking Rekordwerte erreicht hatte. Medien mit internationaler Reichweite und globale Indizes, wie der Environmental Performance Index der Universität Yale, haben sich mit Chinas Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung und dem Verbrauch der natürlichen Ressourcen beschäftigt.
Die immer größer werdende soziale Kluft treibt laut Experten Chinas Engagement für die SDGs ebenfalls voran. Die Provinzen des Landes weisen deutliche Unterschiede in Bezug auf wirtschaftliche Entwicklung und Umfang von Sozialdienstleistungen auf. Besonders zwischen der Land- und Stadtbevölkerung gibt es große Einkommensunterschiede sowie auch innerhalb der ländlichen oder städtischen Bevölkerung oder zwischen verschiedenen Regionen. Die Einkommenslücke schloss sich zwar seit dem Jahr 2000, aber dieser Trend stoppte kürzlich wieder.
Gerechtigkeit zwischen den Generationen ist ein wichtiges Element nachhaltiger Entwicklung in China. Das Land steht vor großen Herausforderungen in Bezug auf das Altern seiner Bevölkerung. Die Bevölkerung Chinas altert fast mehr als in jedem anderen Land. Chinas Anteil an Rentnern könnte bis 2050 bis zu 44 Prozent betragen.
Auch die Migration bleibt eine große soziale Herausforderung. China hat gerade eine Reihe von Versicherungen und sozialen Sicherungssystemen eingeführt, die auch die Hauptpfeiler des Rentensystems sind. Zudem hat es ein medizinisches Versorgungssystem und soziale Hilfe für ältere und arme Leute eingeführt. Große Teile der Wanderarbeiter können aber soziale Dienstleistungen an ihren Arbeitsplätzen in der Nähe der Städte nicht in Anspruch nehmen.
Ein weiterer Ansporn für nachhaltige Entwicklung sind Chinas Ansprüche im Bereich Innovation und Technologie. China will nicht als Land mittleren Einkommens stagnieren und will von einer Wirtschaft wegkommen, die auf stark verschmutzender Industrie basiert. Das Land will hin zu einer mehr technologie- und serviceorientierten Wirtschaft. Grünes Wachstum durch technische Innovationen ist das Leitthema des 13. Fünf-Jahres-Plans. Nachhaltige Entwicklung wird als Trend gesehen, der Innovationen im Bereich erneuerbare Energien, radikale Ressourcenproduktivität, grüne Chemie, industrielle Ökologie, grüne Nanotechnologie und anderes fördert.
Chinas Strategie proaktiver Urbanisation und die Förderung von Smart Citys ist in die Regierungspolitik eingebunden, wird aber auch vom Privatsektor getragen. Das Smart-City-Konzept basiert auf technologischer Innovation, besonders in den Bereichen Verkehrsanbindung und Datenkommunikation. Smart Citys sind in China Hauptelemente digitaler Modernisierungsstrategien. Die Ministerien für Wissenschaft und Technologie, für Industrie und Informationstechnologie sowie für Wohnungsbau und Stadt-Land-Entwicklung haben alle Smart-City-Programme.
Globale Faktoren
Chinas Engagement für eine internationale Umweltpolitik begann 1972, als es erstmals an einem UN-Gipfel teilnahm. Nachdem das Land seinen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat wiedererlangt hatte, bot die Stockholmer Konferenz zu menschlicher Umwelt eine gute Möglichkeit für die Volksrepublik, ihre Forderung nach einer Führungsrolle innerhalb der Vereinten Nationen zu untermauern.
Chinas Erfolg beim Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) und sein gutes Abschneiden in so vielen Bereichen der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, speziell der Armutsbekämpfung, ist einer der Faktoren, die Chinas Engagement für die nachfolgende Agenda 2030 und die SDGs begünstigt haben. Der prozessorientierte Ansatz der UN zur Erreichung der Nachhaltigkeits-Entwicklungsagenda und die Ausarbeitung der 169 Ziele und 232 Indikatoren passt gut zu Chinas eigenem Politikansatz. Dieser basiert auf dem ebenfalls ziel- und indikatororientierten Fünf-Jahres-Plänen auf Zentral- und Provinzebene. Der Ansatz des SDG-Rahmenwerks verschafft China genügend Zeit und Austauschmöglichkeiten, um internationale Initiativen und Verpflichtungen in nationale Politik zu integrieren.
Chinas Süd-Süd-Kooperation ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt für die Förderung der SDGs und der Unterstützung von Maßnahmen zum Klimaschutz. China hat traditionell eine führende Rolle in der Süd-Süd-Kooperation gespielt, hauptsächlich innerhalb der Gruppe 77, der größten zwischenstaatlichen Organisation von Entwicklungsländern in der UN. Kürzlich hat China als BRICS-Mitglied (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) einige multilaterale Initiativen angestoßen, vor allem die Gründung zweier multilateraler Entwicklungsbanken: BRICS Bank und Asian Infrastructure Investment Bank. China hat auch seine Zusammenarbeit mit Afrika durch die Gründung und Unterstützung des Forum on China-Africa Cooperation (FOCAC) ausgeweitet. Außerdem hat es die Perspektiven und Interessen von Entwicklungsländern in verschiedene globale Vereinbarungen eingebracht.
Die herausragendste außenpolitische Initiative Chinas ist derzeit die neue Seidenstraßeninitiative (Belt and Road-Initiative, siehe dazu auch D+C/E+Z e-Paper 2018/01, S. 6). Die von Präsident Xi Jinping angestoßene Strategie konzentriert sich auf Chinas Anschlussfähigkeit und Kooperation mit eurasischen Ländern zu Lande und zu Wasser. Das gemeinsame Communiqué, das nach dem Belt and Road-Forum im Mai 2017 herausgegeben wurde, hält fest, dass die beteiligten Parteien verpflichtet sind, die Zerstörung der Erde zu verhindern, natürliche Ressourcen in gerechter und nachhaltiger Weise zu verwalten und umfassende, ausgeglichene und nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zu erreichen.
Zuletzt muss Chinas neue herausragende Rolle als Treiber nachhaltiger Entwicklung und Klimapolitik als Ziel seiner erweiterten Außen- und Sicherheitspolitik betrachtet werden. Die Unterstützung von Abkommen zur nachhaltigen Entwicklung und Klimapolitik sieht China als Chancen, sein Engagement in globalen Fragen herauszustellen. Solche Abkommen helfen China auch, von sensiblen Themen abzulenken wie der Protestbewegung in Hongkong, dem Konflikt im Südchinesischen Meer, dem Nordkorea-Problem und Handelskonflikten mit anderen Ländern.
Berthold Kuhn ist Politikwissenschaftler und Berater für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung. Er arbeitet als Privatdozent an der Freien Universität Berlin und freiberuflich. Er hat im Rahmen der University Alliance for Sustainability zwei Forschungsaufenthalte an der Universität Peking durchgeführt, ein weiterer steht bevor.
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