Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Wissenschaftliche Forschung

Das Beste aus einem Biosphärenreservat machen

Deutsche und ghanaische Forscher*innen arbeiten zusammen, um die lokale Bevölkerung in die Entwicklung eines UNESCO-Biosphärenreservats einzubeziehen. Ziel ist es, Forschungslücken zu schließen, um den Gemeinden konkrete Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Am Bosomtwe-See in Ghana müssen sowohl die Interessen der lokalen Gemeinden als auch der Naturschutz berücksichtigt werden. picture-alliance/ZB/Rolf Zimmermann Am Bosomtwe-See in Ghana müssen sowohl die Interessen der lokalen Gemeinden als auch der Naturschutz berücksichtigt werden.

Der Bosomtwe-See entstand vor etwa einer Million Jahren durch einen Meteoriteneinschlag. Er befindet sich etwa 30 Kilometer von Kumasi, der Hauptstadt der ghanaischen Region Ashanti, entfernt und wurde 2016 zum UNESCO-Biosphärenreservat ernannt. Das Biosphärenreservat ist das neueste der drei Reservate in Ghana und umfasst eine Kernfläche von fast 44 000 Hektar. Die Fischbestände des Sees sind Grundlage der lokalen Wirtschaft mit mehr als 70 000 Menschen. Im Umland wird Subsistenzlandwirtschaft betrieben und es werden Nutzpflanzen wie Kakao angebaut.

Der See zieht als wichtiges touristisches Ziel inländische und ausländische Besucher*innen an und trägt so zu Ghanas Bruttoinlandsprodukt bei. Doch das volle touristische Potenzial bleibt bislang ungenutzt: Infrastruktur und Marketing des Gebietes sind unzureichend und es sollten mehr touristische Angebote geschaffen werden. Dafür braucht es ein gezieltes, nachhaltiges und umfassendes Tourismusmanagement.

Durch das rasche Bevölkerungswachstum wurde in den letzten Jahren rund um den See immer mehr gebaut und die Landwirtschaft weiter intensiviert. Folgen sind Abholzung, Verlust der Biodiversität, unsachgemäße Müllentsorgung, Rückgang der Fischbestände und die Verschmutzung des Sees. Deshalb wurden mehrere Forschungsprojekte initiiert, die sich mit den Herausforderungen des Biosphärenreservats beschäftigen. Bislang ist diese Forschung jedoch wenig koordiniert und es fehlt eine klare Ausrichtung. Zudem sind den Gemeinden das Biosphärenreservat, seine Zonen, Funktionen und Regeln weitgehend unbekannt – und der Bosomtwe-See wird in den regionalen und nationalen Entwicklungsplänen nicht umfassend berücksichtigt.

Forschungslücken identifizieren

Damit das Reservat als Schutzgebiet fungieren und ein Modell für nachhaltige Entwicklung werden kann, sind koordinierte Maßnahmen nötig. 2021 wurde deshalb das Projekt Biosphere Learning Laboratory Lake Bosomtwe (BL3B) gestartet. Es läuft bis 2024 und wird vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) finanziert. Hauptziel ist es, ein starkes Netzwerk von Forscher*innen und Lehrkräften aufzubauen.

Das Projekt soll die praktische Lehre und Forschung fördern und den Wissensaustausch zwischen den Partnern stärken. Dazu gehören die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) und mehrere ghanaische Universitäten: die University of Energy and Natural Resources (UENR), die Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST), die Akenten Appiah-Menka University of Skills Training and Entrepreneurial Development (AAMUSTED) und das Forestry Research Institute of Ghana (CSIR-FORIG).

Weiterer Projektfokus ist es, die lokalen Gemeinden und Behörden in die Arbeiten einzubeziehen, um ihre spezifischen Bedürfnisse und Anforderungen an das Biosphärenreservat zu verstehen. Letztlich soll eine Forschungsstrategie entwickelt werden, die die lokalen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen berücksichtigt, so dass die resultierenden Maßnahmen und Projekte sowohl dem Schutz des Biosphärenreservats als auch der lokalen Bevölkerung zugutekommen.

Die Bedürfnisse der Menschen verstehen

Anfang Oktober besuchte ein Team deutscher Wissenschaftler*innen den Bosomtwe-See. Zu Hause arbeiten sie für die HNEE, das Biosphärenreservat Schaalsee-Elbe und die Succow-Stiftung. Nach einem Erfahrungsaustausch mit ghanaischen Akteur*innen, darunter Forscher*innen der drei Partneruniversitäten, besuchten sie die Gemeinden Amakom und Nkawi, um die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung zu ermitteln und daraus relevante Forschungsthemen abzuleiten.

Das Team befragte insbesondere Frauen, Mädchen und junge Menschen. Wie sich zeigte, ist es für die Einheimischen am wichtigsten, zusätzliche Einkommensquellen zu finden, da sie sich nicht mehr allein auf den Fischfang verlassen können.

In einem Workshop mit für Wasserressourcen, Forstwirtschaft, Fischerei und Tourismus zuständigen Beamt*innen der ghanaischen Behörden wurde die Dringlichkeit betont, besonders in der Kernzone des Biosphärenreservats die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben strenger als bislang zu kontrollieren.

Zur Sprache kam auch, dass die lokale Bevölkerung zunehmend von Forschenden frustriert ist, da sie selten über die Ergebnisse der zahlreichen Studien der letzten Jahrzehnte informiert wurden. Die Menschen vor Ort sahen daher kaum einen Nutzen der Forschung für ihre eigene Lebenssituation.

Frühe Studien am Bosomtwe-See konzentrierten sich vor allem auf hydrologische Parameter des Sees wie Wasserqualität sowie auf die Lebensgrundlagen der lokalen Gemeinden. Zu Forstwirtschaft, Landwirtschaft oder Tourismus fand kaum Forschung statt

Relevante Forschungsthemen

Als wichtigste Themen für künftige Forschung im Biosphärenreservat ermittelten die kooperierenden Universitäten deshalb die folgenden:

  • alternative Einkommensquellen (inklusive nachhaltiger Tourismus),
  • Landwirtschaft,
  • Forstwirtschaft,
  • Fischerei,
  • Kommunikation zwischen Forscher*innen und lokalen Gemeinden und
  • gesundheitsbezogene Themen.

Davon ausgehend wurden spezifische Forschungsfragen und -felder entwickelt. So wurde zum Beispiel das Thema Landwirtschaft fünf verschiedenen Dimensionen zugeordnet und spezifische Forschungsbedarfe abgeleitet:

  • Ökonomische Bedarfe, z. B. Analyse der Möglichkeiten für die Installation von Bohrlöchern sowie für das Sammeln von Regenwasser zur Bewässerung.
  • Soziokulturelle Bedarfe, z. B. Analyse von indigenen landwirtschaftlichen Praktiken und von relevanten kulturellen Überzeugungen.
  • Ökologische Bedarfe, z. B. Analyse des Einflusses von Pestiziden auf Boden, Fauna und Flora sowie Entwicklung von Bewirtschaftungsansätzen mit einem geringeren Einsatz von Pestiziden.
  • Management und Governance, z. B. Bewertung der Praktiken des ökologischen Landbaus und ihrer Auswirkungen auf die Wasserqualität des Sees.
  • Übergreifende Bedarfe, z. B. Analyse der landwirtschaftlichen Praktiken im Hinblick auf Bodenfruchtbarkeit und Schädlingsbekämpfung sowie im Hinblick auf die Integration von Schattenbäumen in den Kakaoanbau und das diesbezügliche vorhandene indigene Wissen.

 In den kommenden Monaten werden bis zu acht Studierende der HNEE in Ghana Feldforschung betreiben und gemeinsam mit ghanaischen Studierenden zu den benannten Themen forschen. Ihre Arbeit soll Forschungslücken schließen und zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen allen Partnerhochschulen für künftige Forschungsaktivitäten und Förderanträge führen. Ende 2024 soll es einen Abschlussworkshop mit allen Projektpartner*innen am Bosomtwe-See geben, um die lokale Bevölkerung über die Ergebnisse zu informieren und um zu konkreten Vorschlägen für die künftige Forschungszusammenarbeit zu gelangen.

Tobias Cremer ist Professor an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde für Forstnutzung und Holzmarkt.
tobias.cremer@hnee.de

Friederike Major studierte Landschaftsnutzung und Naturschutz (B. Sc.) an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und unterstützte das Projekt als studentische Hilfskraft.
friederike.major@hnee.de

Yaw Boakye Agyeman ist spezialisiert auf Ökotourismus, Schutzgebietsmanagement sowie Anfälligkeit und Anpassung an den Klimawandel. Er ist Dozent an der University of Energy and Natural Resources in Sunyani, Ghana.
yaw.agyeman@uenr.edu.gh

Franziska Rottig ist spezialisiert auf nachhaltige Tourismusentwicklung mit Schwerpunkt Globaler Süden und koordiniert das BL3B-Projekt an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde.
franziska.rottig@hnee.de

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.