Ostafrika
Ein deprimierendes Lager im Nordwesten Kenias
Die kenianische Gesellschaft betrachtet die Flüchtlinge immer misstrauischer, besonders die Somali. Grund dafür sind Terroranschläge der Al-Shabaab-Miliz, einer islamistischen Truppe aus dem kriegsgebeutelten Somalia. Nach einer Welle der Gewalt 2013 und 2014 gab die kenianische Regierung die Direktive, dass alle Flüchtlinge aus Nairobi und anderen Städten in die Lager Dadaab und Kakuma zurückkehren müssen. In Stadtgebieten kommen Flüchtlinge häufig mit der Polizei in Schwierigkeiten, wenn sie ohne Ausweispapiere aufgegriffen werden.
Kakuma wurde 1992 in einem halbtrockenen Gebiet im Nordwesten Kenias errichtet. Die meisten Bewohner kommen aus dem Südsudan, Sudan und Somalia. Sie sind wegen jahrzehntelanger Konflikte in ihren Heimatländern geflohen.
Das Lager ist eine Stadt aus endlosen Reihen einfacher, identisch aussehender Gebäude. Im November 2015 waren mehr als 180 000 Bewohner aus über 21 Ländern registriert. Die meisten leben seit Jahren dort und warten darauf, in Drittländer umgesiedelt zu werden. Die im Lager tätigen Agenturen bieten nicht genügend Jobs für alle, und wer einen Job hat, wird nur mit Wertmarken bezahlt. Das kenianische Gesetz erlaubt Flüchtlingen nur dann Geschäfte zu machen oder eine Erwerbstätigkeit auszuüben, wenn sie ihren Flüchtlingsstatus aufgeben und als Auswanderer arbeiten – und entsprechend Steuern zahlen.
Etwa 58 Prozent der Bewohner Kakumas sind Minderjährige. Sie gehören zu einer Altersgruppe, die zur Schule gehen oder eine Berufsausbildung machen müsste. Aber es gibt kaum Bildungschancen im Lager. Wenn junge Menschen so sozial benachteiligt leben müssen, ist es klar, dass sie nicht so viel zur Befriedung ihres Heimatlandes beitragen werden, wenn sie dahin zurückkehren. Vielmehr kann Chancenlosigkeit Konflikte noch verschärfen – etwa, wenn sich frustrierte Jugendliche gewalttätigen Milizen anschließen. Ein Beispiel dafür sind Afghanen, die in pakistanischen Flüchtlingslagern aufgewachsen sind und sich später den Taliban anschlossen.
Laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) sind 70 Prozent aller Flüchtlinge weltweit Langzeit-Flüchtlinge, die mehr als fünf Jahre aus ihrer Heimat vertrieben sind. Viele von ihnen haben keine Papiere, so dass sie keinem Staat zugehören. Jedes Jahr kommen unzählige Kinder zur Welt, die in Flüchtlingslagern aufwachsen. Die größten Gruppen sind in Pakistan und im Iran lebende Afghanen, aber es leben auch Hunderttausende von Somali und Südsudanesen in verschiedenen ostafrikanischen Ländern. Palästinenser und Saharaui genießen international einen erblichen Flüchtlingsstatus.
Millionen von Menschen weltweit leben laut UNHCR in „andauernden Flüchtlingssituationen“. Der Definition nach haben sich die Bedürfnisse der Flüchtlinge mit der Zeit entscheidend verändert, aber weder UNHCR noch Gastländer haben die Kapazitäten, darauf zu reagieren. Christine Cheng und Johannes Chudoba von der Princeton University stellen fest, dass sich die Flüchtlinge „noch Jahre nach Ankunft im Gastland in einem Abhängigkeitszustand“ befinden. Sie fügen hinzu: „Die Bedürfnisse von Flüchtlingen in andauernden Flüchtlingssituationen sind anders als die, mit denen es der UNHCR in Akutsituationen zu tun hat.“ Zuallererst geht es um menschliche Sicherheit, dann erst kommen weitere Grundbedürfnisse. Dazu gehören nicht nur Nahrung und Schutz, sondern auch Bildung, Job, Ausbildung, Gesundheitsversorgung und der Zugang zu Krediten. Viel zu selten werden auch diese Bedürfnisse erfüllt. (rs)