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Provisorische Unterkünfte

Sicherheit auf Zeit

Zigtausende Rohingya sind aus Myanmar nach Bangladesch geflüchtet. Dort können sie bestenfalls auf humanitäre Hilfe in tristen Flüchtlingslagern hoffen. Die internationale Gemeinschaft beachtet sie zu wenig.
Flüchtlingslager Balukhali im Südosten Bangladeschs im Februar 2019. Mamunur Rashid/picture-alliance/Nur Photo Flüchtlingslager Balukhali im Südosten Bangladeschs im Februar 2019.

Zahlenmäßig gehört Bangladesch zu den zehn größten Aufnahmeländern für Flüchtlinge der Welt. Seit August 2017 ist die Anzahl an Rohingya-Flüchtlingen drastisch gestiegen. Diejenigen, die es über die Grenze schaffen, entkommen völkermordartigen Pogromen (siehe Kasten). Als die Flüchtlinge in Massen kamen – hungrig, erschöpft, traumatisiert und teils sogar verletzt –, empfingen tausende Freiwillige sie mit Essen, Medikamenten, Kleidung und anderen lebensrettenden Mitteln an der Grenze und retteten Menschenleben, bevor internationale Hilfe kam. Doch leider nehmen die Ressentiments seither zu.

Die Flüchtlingslager im Südosten des Landes sind riesig und haben die Umwelt zerstört. Vormals saftig grüne Hügel sind inzwischen Ödland – gerodet für Unterkünfte und Feuerholz. Auch die Trinkwasserversorgung für derartige Menschenmengen strapaziert die Umwelt, eine angemessene Sanitärversorgung ist schwierig.

Anfangs nahmen die Menschen vor Ort die Flüchtlinge herzlich auf, doch bald kam es zu Frust und sozialen Spannungen. In manchen Gegenden leben inzwischen doppelt so viele Flüchtlinge wie Einheimische. Internationale Hilfsmaßnahmen greifen die relevanten Fragen teils auf. Es gibt einheimische Jugendliche, die in den Lagern der Nichtregierungsorganisationen arbeiten – die meisten Einheimischen aber leiden ernstlich Not. Essen, sonstige Waren und Wohnraum sind so teuer geworden, dass viele wegziehen mussten. Wer bleibt, sorgt sich um seinen Lebensunterhalt, sein Eigentum, die Umwelt. Für ihre Not machen sie zunehmend die Flüchtlinge verantwortlich.

Die Regierung spielt eine wichtige Rolle bei der Verwaltung der Lager und der Versorgung der Flüchtlinge, die sie bevorzugt als „gewaltsam vertriebene myanmarische Staatsangehörige“ bezeichnet. Bangladesch ist der Flüchtlingskonvention von 1951 und ihrem Protokoll von 1967 nicht beigetreten. Auch ein nationales Gesetz für Flüchtlinge und Asylsuchende gibt es nicht. Die Behörden können somit weitgehend frei entscheiden.

Beamte und Sicherheitskräfte setzen die Regierungspolitik um. Hauptorgan ist der Refugee Relief and Repatriation Commissioner (RRRC). Er arbeitet eng mit UN-Organisationen und hunderten von internationalen und nationalen NGOs zusammen.
 

Rückführungspolitik

Die Regierung drängt darauf, dass die Flüchtlinge nach Myanmar zurückkehren müssen. Bangladeschs Diplomaten sollen die internationale Gemeinschaft davon überzeugen, dass Myanmar verpflichtet ist, sie wiederaufzunehmen. Im November 2017 unterzeichnete Bangladesch mit Myanmar eine bilaterale Vereinbarung über die freiwillige Rückführung der Rohingya. Der geplante Beginn im Januar 2018 wurde verschoben, auch der zweite Anlauf im November 2018 scheiterte. In Bangladesch protestierten die Flüchtlinge, in Myanmar gingen buddhistische Mönche gegen deren Rückführung auf die Straße.

Die Flüchtlinge fordern die „volle Staatsbürgerschaft“ von Myanmar und eine Anerkennung als ethnische Rohingya, andernfalls verweigern sie die Rückkehr. Myanmars Regierung aber spricht den Rohingya die Staatsbürgerschaft ab und will sie in sogenannten Transitlagern und Aufnahmezentren unterbringen. Zentren für intern vertriebene Rohingya wurden 2012 errichtet, heute leben dort rund 120 000 Rohingya – marginalisiert, ausgebeutet und chancenlos. Gleiche Rechte gibt es für sie nicht. Flüchtlinge in Bangladesch befürchten zu Recht, zurück in Myanmar in die gleiche Lage zu kommen.

Inzwischen sucht Bangladeschs Regierung Alternativen für die Unterbringung der Flüchtlinge. Sie errichtete Lager auf Bhasan Char, einer bis dahin unbewohnten, erst kürzlich entstandenen Deltainsel, auf der häufig Wirbelstürme wüten. Obwohl die Regierung einiges in Dämme investiert hat, warnen Flüchtlingsvertreter und Menschenrechtsgruppen vor einer Katastrophe. Vor allem fürchten sie, dass die Insel zu einer gefängnisähnlichen Siedlung werden könnte, in der Flüchtlinge interniert werden.

Der Druck auf Bangladesch erhöht sich durch die Zwangsausweisung von Rohingya aus Indien und Saudi-Arabien. Derzeit leben in ganz Indien rund 40 000 Rohingya-Flüchtlinge in improvisierten Lagern und städtischen Slums. Nach zunehmenden Belästigungen durch Polizei und hinduistische nationalistische Gruppen sahen sich im Januar etwa 1 300 Rohingya gezwungen, über die Grenze nach Bangladesch zu fliehen.

Saudi-Arabien galt lange als sicherer Hafen, geschätzte 200 000 Rohingya lebten dort. Viele von ihnen haben gefälschte bangladeschische Pässe. Saudi-Arabien hat nun begonnen, sie zu deportieren. Mehrere Dutzend kamen in den vergangenen Wochen so nach Bangladesch. Bis zur Fertigstellung dieses Artikels Mitte März hatte sich die Regierung Bangladeschs nicht dagegen gewehrt. Sie sieht Saudi-Arabien als wichtigen Verbündeten.


Globale Politik

Leider hat die internationale Gemeinschaft es weitgehend versäumt, Gerechtigkeit für die von Myanmar begangenen Gräueltaten einzufordern. Ebenso wenig hat sie sich ernstlich bemüht, in Myanmar eine sichere Umgebung zu schaffen, damit die Flüchtlinge zurückkehren können. Das Problem ist: Die großen Weltmächte verfolgen lediglich ihre eigenen, eng gefassten nationalen Interessen.

China, Russland und Indien stehen grundsätzlich auf der Seite Myanmars. China und Russland haben sich auf UN-Sicherheitsratssitzungen mehrmals gegen Maßnahmen ausgesprochen. Bangladesch liegt viel an guten Beziehungen zu diesen Ländern.

In einem beispiellosen Schritt erklärte sich der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) zuständig für die Untersuchung des Straftatbestands der Abschiebung von Rohingya aus dem Nichtmitgliedstaat Myanmar in den Mitgliedstaat Bangladesch. Erstmals prüft der IStGH damit ohne Auftrag des Sicherheitsrats ein Verfahren gegen einen Nichtmitgliedstaat. Ob dies viel bewirken wird, ist offen. Wichtige globale Akteure – neben Russland, China und Indien vor allem die USA – werden wohl alles tun, um den Fall zu beenden. Sie wollen nicht, dass sich eine internationale Norm durchsetzt, nach der sie eines Tages für ähnliche Taten verantwortlich gemacht werden könnten.

Obwohl der IStGH-Ansatz einen gewissen internationalen Druck auf Myanmar ausübt, bleibt die Regierung stur. Nicht nur geht sie weiterhin grausam gegen die muslimischen Rohingya vor; inzwischen verfolgen sie auch ethnische Minderheiten, die überwiegend buddhistisch sind. Berichten zufolge sind einige von ihnen nach Bangladesch geflüchtet.

Lobenswert ist, dass Bangladesch bisher keine Rohingya zwangsweise nach Myanmar zurückgeführt hat, wo ihr Leben in Gefahr wäre. Es wird jedoch immer offensichtlicher, dass es in absehbarer Zeit keine Rückführung im großen Stil geben wird. Der Frust steigt damit nicht nur bei der Regierung, sondern alarmierenderweise auch bei der lokalen Bevölkerung.

Der kürzlich von der Regierung eingeläutete „Krieg gegen Drogen“ verschärft die Probleme (siehe Hoque und Shamin in E+Z/D+C e-Paper 2018/12 Schwerpunkt). Die Grenzübergänge im Südosten Bangladeschs sind berüchtigt für das Einschleusen illegaler Drogen. Einheimische und verzweifelte Flüchtlinge dienen als Drogenkuriere. Fast ein Dutzend Rohingya wurde schon von Sicherheitskräften getötet. Auch Menschenhandel ist ein großes Problem, insbesondere für Flüchtlingskinder und jugendliche Flüchtlinge.

Die Rohingya in Bangladesch sind weitgehend sich selbst überlassen. Das Einzige, worauf sie hoffen können, ist humanitäre Hilfe in den Lagern. Sie sind zwar vorerst in Sicherheit, aber Bildung, Unterkunft, Menschenrechte und ihre sozioökonomische Entwicklung kommen zu kurz.


Ridwanul Hoque ist Juraprofessor an der University of Dhaka.
ridwandulaw@gmail.com

Ashraful Azad promoviert an der juristischen Fakultät der University of New South Wales. Beide Autoren haben in Flüchtlingslagern mit Rohingya gearbeitet.