Westafrika

Nigerias unklare Wahlergebnisse

Das Resultat der nigerianischen Präsidentschaftswahl wird vor Gericht angefochten. Es ist ein gutes Zeichen für die gesamte ECOWAS-Region, dass die in diesem Zusammenhang stattfindenden Proteste friedlich verlaufen.
Friedliche Proteste zeigen, dass viele in Nigeria von den offiziellen Wahl­ergebnissen nicht überzeugt sind.   picture alliance / NurPhoto / Olukayode Jaiyeola Friedliche Proteste zeigen, dass viele in Nigeria von den offiziellen Wahl­ergebnissen nicht überzeugt sind.

Nigerias Unabhängige Nationale Wahlkommission (INEC) hat Bola Ahmed Tinubu drei Tage nach der Stimmabgabe zum Gewinner erklärt. Tinubu war Kandidat der herrschenden Partei All Progressives Congress (APC). Zwei seiner wichtigsten Gegner kündigten an, seinen Sieg vor Gericht anzufechten. Nigeria ist das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS – Economic Community of West African States). Somit wirken sich die Entwicklungen dort auf die ECOWAS besonders aus.

Laut INEC erhielt Tinubu 37 Prozent der Stimmen. Auf Platz zwei landete Atiku Abubakar von der People´s Democratic Party (PDP) mit 29 Prozent und an dritter Stelle Peter Obi von der Arbeiterpartei mit 25 Prozent. Die Wahlbeteiligung war mit 29 Prozent bei rund 90 Millionen Wahlberechtigten überraschend niedrig.

Wahlen in Nigeria sind immer relevant für ganz Westafrika. Wegen seiner riesigen Bevölkerung, großen Wirtschaft und üppigen Ölreserven gilt das Land als „Riese von Afrika“. Was hier geschieht, beeinflusst auch die Nachbarstaaten.

Es ist ein gutes Zeichen, dass die Wahlen im Vergleich zu früheren weitgehend erfolgreich durchgeführt wurden. Trotzdem gab es Unregelmäßigkeiten, Ausbrüche von Gewalt und vermeidbare technische Pannen, weshalb die Ergebnisse nun in Frage gestellt werden. Dass die Verlierer vor Gericht gehen hilft dabei, den demokratischen Prozess in der gesamten Region tiefer zu verankern.

Zudem dürfte die gerichtliche Überprüfung der Wahlergebnisse sowohl die Demokratie als auch die Stabilität in Nigeria stärken, was für die Region entscheidend ist. Bislang forderten die ECOWAS-Regierungen zwar, dass in den Partnerländern Demokratie herrschen müsse, aber in der letzten Zeit gab es Militärputschs in Mali, Guinea-Bissau und Burkina Faso. Nigeria trägt erheblich zur Friedenssicherung in Westafrika bei, unter anderem mit Truppen in Mali, Guinea-Bissau und Sierra Leone.

Immer wieder Unruhen

Wie mehrere andere westafrikanische Länder kämpft Nigeria seit vielen Jahren mit politischen Unruhen und islamistischen Aufständischen. Verschlechtert sich die Lage in Nigeria, wirkt sich das auf die ganze Region aus. Es könnten etwa mehr Geflüchtete in den Nachbarländern auftauchen. Zudem profitieren militante Gruppen von der Unterstützung nigerianischer Verbündeter. Eine ernsthafte Stabilitätskrise in Nigeria würde die gesamte Region destabilisieren. Ghana hat Nigeria aktiv im Kampf gegen Boko Haram und andere aufständische Gruppen in der Region unterstützt. Jede Störung der Sicherheitslage in Nigeria könnte Ghanas Bemühungen um regionale Stabilität und Sicherheit beeinträchtigen.

Nigeria ist seit Langem ein wichtiger Handelspartner für andere ECOWAS-Mitglieder, darunter Ghana. Jegliche Veränderung in Nigerias Wirtschaftspolitik könnte deshalb weitreichende Folgen für Ghana haben. Wird Nigerias Wirtschaft stärker und stabiler, steigert das auch Ghanas Investitions- und Handelsmöglichkeiten. Umgekehrt wären politische Instabilität oder wirtschaftliche Probleme in Nigeria schlecht für Ghanas Wirtschaft.

Gleiches gilt auch für andere westafrikanische Länder. Allerdings profitieren relativ starke und diversifizierte Volkswirtschaften wie Ghana oder Côte d’Ivoire mehr von internationalen Beziehungen als ärmere Länder wie Sierra Leone oder Niger. Zudem sind frankophone Länder dem nigerianischen Einfluss wegen der Sprachbarriere tendenziell etwas weniger ausgesetzt. Das gilt allerdings nicht für Benin und Niger, die beide an Nigeria grenzen.

Regionale Integration  

Die neue nigerianische Regierung wird sicherlich die regionale Integration beeinflussen. Nigeria ist seit Langem ein wichtiger Akteur in der ECOWAS, und deren Zukunft wird auch weiterhin von Nigeria abhängen. Glücklicherweise war die regionale Integration bei den Wahlen unstrittig: Die drei wichtigsten Kandidaten sind alle generell dafür. Die Einführung einer gemeinsamen Währung für die ECOWAS ist ohne nigerianisches Engagement nicht möglich – und das gilt auch für das von der Afrikanischen Union angestrebte kontinentale Freihandelsabkommen (AfCFTA).

Prince Thompson kommt aus Ghana und studiert Entwicklungsmanagement an der Ruhr-Universität Bochum. Derzeit macht er ein Praktikum bei E+Z/D+C. Sein Masterstudiengang gehört zur Arbeitsgemeinschaft entwicklungsländerbezogener Postgraduiertenstudiengänge (AGEP).
prince.thompson94@yahoo.com