Klimakonferenz
„Ich hoffe, dass die Verhandlungen wieder substanzieller werden“

Bruno Sirote im Interview mit Leon Kirschgens
Wie engagieren Sie sich in Argentinien für den Klimaschutz?
Ich habe Politikwissenschaften studiert und bin seit sieben Jahren in sozialen Bewegungen aktiv – zuerst bei Amnesty International, später bei Youth for Climate Argentina, wo wir Umwelt- und Klimaschutzthemen mit sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten verknüpfen. Wir klären auf, machen Öffentlichkeitsarbeit und vertreten unsere Interessen in der Politik. Teil davon ist es etwa, dass wir junge Menschen aus Buenos Aires und Córdoba darin ausbilden, eigene Gesetzesvorschläge zu entwerfen und in ihren jeweiligen Provinzparlamenten einzubringen. Besonders wichtig ist mir dabei, dass wir Klimapolitik immer als etwas verstehen, das mit struktureller Ungleichheit zusammenhängt.
Wie haben Sie die Zwischenkonferenz in Bonn erlebt?
Für mich war Bonn meine erste sogenannte Zwischenkonferenz, obwohl ich bereits bei den COP27, COP28 und COP29 vor Ort war. Die Zwischenverhandlungen gelten oft als weniger öffentlichkeitswirksam, aber sie stellen die Weichen für die große Klimakonferenz im Herbst und sind deshalb ebenfalls entscheidend. Zivilgesellschaftliche Organisationen hatten zwar fast zu jeder Zeit Zugang zu den Verhandlungsräumen, eine direkte Einflussnahme auf die Verhandlungen war uns aber nicht möglich, da es sich um eine Konferenz von Staaten und nicht von zivilgesellschaftlichen Organisationen handelte. Dennoch fanden wir Wege, um die Verhandlungen indirekt zu beeinflussen und unsere Standpunkte teilweise in die Ergebnisse der Konferenz einfließen zu lassen.
Alles in allem war es gut, herzukommen; wir konnten uns so viel besser vernetzen und Einblicke bekommen, wie andere Aktivist*innen aus Afrika, Asien oder Europa arbeiten, wie sie Herausforderungen angehen und daraus lernen. Diese Impulse nehme ich mit nach Hause, nach Argentinien, wo sich die politische Situation verschlechtert hat, seitdem Javier Milei 2023 zum Präsidenten gewählt wurde. Die Regierung lehnt es ab, anzuerkennen, dass der Klimawandel menschengemacht ist, und geht zunehmend hart gegen Proteste der Zivilgesellschaft vor.
Was erwarten Sie von der COP30 im brasilianischen Belém? Was muss sich ändern?
Es muss sich vor allem in der inhaltlichen Ausrichtung etwas ändern. In Bonn wurde zum Beispiel kaum substanziell über das globale Anpassungsziel gesprochen, obwohl im vergangenen Jahr beschlossen wurde, Kriterien zu entwickeln, wie Länder sich auf die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels vorbereiten können und wie dies finanziert werden soll. Stattdessen ging es viel um die Frage, ob man eine neue digitale Plattform zur Minderung von Emissionen entwickeln sollte – ein technisches Detail, das vom eigentlichen Problem ablenkt. Ich wünsche mir für die COP30 deshalb vor allem zwei Dinge: Erstens sollten die Verhandlungen endlich wieder mehr Substanz bekommen und klare Fortschritte machen – bei gerechter Klimafinanzierung und bei der Anerkennung der Rolle der Zivilgesellschaft. Zweitens hoffe ich, dass es uns gelingt, eine starke lateinamerikanische Allianz zivilgesellschaftlicher Gruppen zu mobilisieren, die sich gegenseitig Gehör verschafft. Genau daran arbeiten wir derzeit: möglichst vielen jungen Aktivist*innen aus unserer Region die Teilnahme an der COP30 zu ermöglichen. Denn machen wir uns nichts vor – es gibt viele Bedenken, ob wir Aktivist*innen dort überhaupt irgendeine Form von Zugang bekommen.
Bruno Sirote ist Klima- und Umweltschützer bei der argentinischen Jugendbewegung Youth for Climate Argentina.
brunosirote2@gmail.com
Dieser Beitrag ist Teil des „89 Percent Project“, einer Initiative der globalen Journalismus-Kooperation „Covering Climate Now“.