Editorial

Spiele in Zeiten der Krise

Die Olympischen Spiele in Rio sollten der Höhepunkt der Amtszeit von Präsidentin Dilma Rousseff werden. Aber die Parlamentskammern haben sie im Zuge eines Amtsenthebungsverfahrens suspendiert. Die Spiele im August starten ohne sie an der Staatsspitze.
Dilma Rousseff mit Olympiafahne im Jahr 2012. picture-alliance/dpa Dilma Rousseff mit Olympiafahne im Jahr 2012.

Als vor Jahren Olympia und zuvor die Fußballweltmeisterschaft an Brasilien vergeben wurden, waren die Leute begeistert. Die Nation fühlte sich endlich global anerkannt. Inzwischen ist die Stimmung gekippt. Nach langem Boom ist die Volkswirtschaft in die Rezession gerutscht. Gegen Korruption und Staatsversagen wird protestiert.

Es wird bezweifelt, dass alle Sportstätten rechtzeitig fertig werden. Verspätungen gibt es auch bei großen Infrastrukturvorhaben. Die Veranstalter versprechen aber, die Spiele würden glatt laufen. Der Erfahrung früherer Austragungsorte nach wird das wohl stimmen. Mit etwas Glück wird Olympia Brasiliens Selbstbewusstsein stärken.

Jedenfalls werden die Augen der Welt auf Rio ruhen. Große Sportereignisse faszinieren Milliarden von Menschen. Wettkämpfe sind spannend, und wenn Landsleute gewinnen, erfüllt das viele Menschen mit Stolz. Regierungen wollen davon profitieren.

Sport und Bewegung haben noch viel weitreichendere Relevanz. Training dient körperlicher und mentaler Fitness. Sportliche Aktivität stärkt das Selbstbewusstsein und reduziert Gefühle der Verzweiflung. Mannschaftssport fördert Teamgeist. Soziale Anerkennung, persönliche Wertschätzung und Attraktivitätsvorstellungen sind körperlich konnotiert. Entsprechend sind die Paralympics vermutlich das wichtigste regelmäßige Ereignis für die Förderung der  Inklusion von Menschen mit Behinderungen.

Schattenseiten hat Sport indessen auch. Doping ist eine. Manche Athleten steigern ihre Leistungsfähigkeit mit Pharmaka, oft unter dem Druck privatwirtschaftlicher Sponsoren oder staatliche Förderer. Manipulation und Korruption verzerren Ergebnisse.

Viele Brasilianer ärgert, dass Olympia umgerechnet rund 8,7 Milliarden Euro kosten soll. Davon wird sicherlich ein Teil versickern, und das Land ist in der Tat sozial tief gespalten. Allerdings wird der größte Teil des Geldes sinnvoll in die Zukunft der Megastadt investiert. Olympia bot eine Chance,  besonders ehrgeizig und wirkungsvoll  stadtplanerische Aufgaben anzugehen. Das galt auch schon für die  Fußball-WM in Rio und anderen Städten.

Brasilien hat Probleme. Korruption gehört dazu, Olympia nicht. Es ist beklemmend, dass Rousseff persönlich keine Vorwürfe gemacht werden, wohingegen viele Politiker, die ihren Sturz betreiben, im Verdacht stehen. Übergangspräsident Michel Temer ist weder beliebt noch unverdächtig. Rousseffs Partei ist gewiss nicht sauber – aber das sind die anderen auch nicht.

Richtig wäre es, die Justiz, die unter Rousseff stärker geworden ist, ihre Arbeit machen zu lassen, damit die Bürger bei den nächsten Wahlen ihre Konsequenzen ziehen können. Das  Amtsenthebungsverfahren beruht auf übertriebener Politisierung. Das Gerede vom Systemkollaps ist gefährlich; es kann sich als selbsterfüllend erweisen. Es wäre besser gewesen, Vertrauen in die Institution der Justiz zu setzen, als das Präsidentenamt und das Parlament zu beschädigen. Das hätte auch demokratischen Grundsätzen entsprochen – und dem Prinzip des Fairplay.

Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@fs-medien.de

 

 

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