Rechtsstaatlichkeit

Neuer Regierungschef, altbekannte Probleme in Islamabad

Pakistans Supreme Court hat zügig eine Verfassungskrise beendet und die demokratische Gewaltenteilung bestätigt. Große politische Probleme bleiben jedoch ungelöst.
Vereidigung von Shebaz Sharif (weißes Haar) als Premierminister. picture alliance / ASSOCIATED PRESS Vereidigung von Shebaz Sharif (weißes Haar) als Premierminister.

Zwölf Minuten nach Mitternacht war Imran Khan am Sonntag, dem 10. April, nicht mehr Premierminister, denn er hatte die Vertrauensfrage in der Nationalversammlung verloren. Seine Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI) hatte zuvor versucht, dieses Verfahren zu verhindern, was aber am Obersten Gericht scheiterte.

Khan ist umstritten. Dem ehemaligen Cricket-Star wird rachsüchtiges Verhalten gegenüber Oppositionspolitikern und ihren Familien sowie Korruption – unter anderem wegen nicht deklarierter Spenden aus dem Ausland – vorgeworfen. Zudem griff er gern unabhängige Institutionen wie die Justiz oder die Wahlkommission an. Als Außenseiter hatte er 2018 die Wahlen gewonnen, weil viele Menschen die etablierten Parteien leid waren (siehe seinerzeitigen Kommentar von Afshan Subohi auf on www.dandc.eu).

Vor einigen Monaten entstand jedoch eine Parteienkoalition, die Khan absetzen wollte. Es wurde klar, dass sie genug Parlamentsstimmen haben würde. Daraufhin behauptete Khan, er könne beweisen, dass die USA seine Regierung stürzen wollten. Der Nationale Sicherheitsrat, dem Minister und Spitzenmilitärs angehören, bestätigte das allerdings nicht.

Verfassungswidriges Taktieren

Die PTI torpedierte dann parlamentarische Verfahren. Die für den 2. April angesetzte Vertrauensfrage strich der stellvertretende Parlamentspräsident von der Tagesordnung. Kurz darauf erklärte Khan in einer aufgezeichneten Videoansprache die Nationalversammlung für aufgelöst.

Grundsätzlich hat der Regierungschef diese Macht, und der Präsident muss seine Entscheidung dann innerhalb von 48 Stunden bestätigen. Allerdings gilt das nicht, wenn eine Vertrauensfrage ansteht, denn dann hat laut Verfassung die Parlamentsentscheidung Vorrang. Dennoch bestätigte Präsident Arif Alvi umgehend Khans Beschluss. Alles lief offenbar nach Plan.

Der Supreme Court wurde aus eigener Initiative tätig, zudem wurden noch am selben Tag mehrere Klagen eingereicht. Nach fünftägiger Sitzung entschied das Gericht am 7. April, dass die Absetzung der Vertrauensfrage verfassungswidrig war. Das einstimmige Urteil erklärte die Nationalversammlung für wieder eingesetzt und ordnete an, die Vertrauensabstimmung müsse bis zum 10. April stattfinden.

Am 9. April traten die Abgeordneten um 10 Uhr morgens zusammen. Die PTI verhielt sich abermals destruktiv. Offensichtlich von Khan angewiesen, hielten PTI-Abgeordnete stundenlange Reden, während die Opposition Abstimmungsbeginn forderte.

Der Supreme Court wurde abermals aktiv. Gegen 23 Uhr berichteten Journalisten, wenn die Abstimmung nicht wie angeordnet laufe, werde um Mitternacht ein Strafverfahren wegen Missachtung des Gerichts gegen den Parlamentspräsidenten eröffnet. Daraufhin trat dieser PTI-Politiker zurück und bat einen Oppositionspolitiker zu übernehmen. Drei Minuten nach Mitternacht begann die Abstimmung; nochmal acht Minuten später war Khan des Amtes enthoben.

Andauernde politische Krise

Der Supreme Court verdient Lob dafür, die Rechtsstaatlichkeit und die Verfassungsordnung verteidigt zu haben (siehe hierzu auch meinen Beitrag auf www.dandc.eu über den Umgang der Justiz mit Vergewaltigungsopfern). Pakistans politische Krise bleibt jedoch ungelöst. Die Nationalversammlung hat Shehbaz Sharif zum neuen Regierungschef gemacht, aber seine 11-Parteien-Koalition kann sich schnell als schwach erweisen.

Khan hat zwar seine Parlamentsmehrheit verloren, aber er hat in den Städten Massen von wohlhabenden Unterstützern zu Demonstrationen mobilisiert. Scharif gehört zudem zu einer der politischen Dynastien gegen die Khan immer gewettert hat. Sein Bruder Nawaz war dreimal Premierminister, vollendete aber keine Amtszeit.

Die Ausgangslage ist sehr schwierig. Pakistans Schuldenlast wiegt schwer, und der Krieg in der Ukraine verschärft die Inflationsprobleme. Lebensmittel- und Treibstoffpreise steigen schnell. Zudem hat die schwere Krise Afghanistans (siehe Conrad Schetter und Katja Mielke auf www.dandc.eu) Auswirkungen auf Pakistan. Positiv ist aber sicherlich, dass Shehbaz Scharif sich als Ministerpräsident von Punjab einen Namen als kompetenter Verwaltungschef gemacht hat.


Marva Khan ist Assistenzprofessorin für Recht an der LUMS (Lahore University of Management Sciences).
marva.khan@lums.edu.pk