Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Entwicklungszusammenarbeit

Weltweiter Verfall der Demokratie schreitet voran

Autokratien sind weltweit auf dem Vormarsch. Um diesen Trend zu stoppen, müssen die westlichen Demokratien sowohl vor der eigenen Haustüre kehren als auch Demokratien in Entwicklungsländern fördern.
China ist nicht an Demokratie und Menschenrechten interessiert: Präsident Xi Jinping mit Gästen beim Afrika-Gipfel in Peking 2018. picture alliance / Xinhua News Agency / Pang Xinglei China ist nicht an Demokratie und Menschenrechten interessiert: Präsident Xi Jinping mit Gästen beim Afrika-Gipfel in Peking 2018.

Schon vor dem Krieg in der Ukraine war es eine große Herausforderung, internationale Zusammenarbeit und Demokratieförderung voranzubringen. Die Coronapandemie hat viele Fortschritte zur Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals) zum Stillstand gebracht oder sogar rückgängig gemacht. Für politische Entscheidungsträger und Entwicklungsorganisationen hatte der Gesundheitsnotstand oberste Priorität. Zugleich setzte sich eine bereits seit 20 Jahren andauernde Phase des demokratischen Rückschritts fort. In einigen Regionen wurde diese Entwicklung durch die Pandemie sogar beschleunigt.

In Libyen und im Jemen verschärften sich Konflikte. Andere flammten wieder auf, etwa in Äthiopien und Aserbaidschan. In Afghanistan sind die Taliban nach dem Abzug des Westens wieder an der Macht. In Guinea, Mali, im Tschad und zuletzt in Burkina Faso kam es zu Militärputsche
n (siehe Vladimir Antwi-Danso auf www.dandc.eu).

Darüber hinaus sind autoritäre Populisten in westlichen Ländern erstarkt. Obwohl Donald Trump in den USA nicht wiedergewählt wurde, hat er ein besorgniserregendes Erbe hinterlassen: Die Republikaner tun, was sie können, um Minderheiten das Wählen zu erschweren; die Lüge, Präsident Joe Biden habe die Wahl gestohlen, wird weiter verbreitet; und die Drahtzieher des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar 2021 genießen immer noch Straffreiheit. Eine Minderheitsregierung in den USA wird immer wahrscheinlicher (siehe Katie Cashman und Hans Dembowski auf www.dandc.eu). Zudem sind auch in den EU-Mitgliedsstaaten Ungarn und Polen demokratische Rückschritte zu verzeichnen.

Die internationale Entwicklungspolitik der westlichen Länder zielt auf die Förderung der Demokratie ab. Doch Autokraten auf der ganzen Welt demontieren demokratische Abläufe, Institutionen und Freiheiten. Dieser Trend wirft grundlegende Fragen zur Rolle der Entwicklungszusammenarbeit auf (Niels Keijzer und Christine Hackenesch haben sich mit diesem Thema 2015 auf www.dandc.eu beschäftigt):  Bis zu welchem Punkt ist eine Zusammenarbeit mit Autokratien angemessen? Was sollte die Politik anders machen?

Die Autokratisierung eines Landes beginnt in der Regel mit Maßnahmen zur Kontrolle der Medien, zur Einschränkung der akademischen Freiheit und zur Dezimierung der Zivilgesellschaft. Mit dem Ziel zu polarisieren, behandeln autokratische Kräfte ihre Kritiker respektlos und stempeln sie als Feinde ab. Sobald sie im Amt sind, nutzen aufstrebende Autokraten den Regierungsapparat, um Fehlinformationen zu verbreiten und die Opposition zu diskreditieren. In der Regel gehen sie dann dazu über, formale Institutionen zu untergraben, einschließlich Justiz und Wahlsystem

Zeichnen sich in einem Partnerland demokratische Rückschritte ab, haben westliche Regierungen im Wesentlichen drei Möglichkeiten. Sie können:

  • sich einigen und auf bestimmte Auflagen bestehen,
  • Lösungen finden, die das Problem umgehen oder
  • die Zusammenarbeit einstellen.

Diese Fragen betreffen längst nicht nur die Entwicklungszusammenarbeit, das zeigen die seit Beginn des Ukrainekriegs gegen Russland verhängten Sanktionen. Da westliche Regierungen ihre internationale Entwicklungspolitik seit drei Jahrzehnten auf Demokratieförderung ausgerichtet haben, ist dieser Bereich jedoch besonders betroffen. Er kann und sollte eine wichtige Rolle beim Schutz der Demokratie spielen. Dabei gilt es aber, etablierte Ansätze immer wieder kritisch zu hinterfragen.

Konditionalitäten

Oft wird Entwicklungszusammenarbeit an demokratische Maßnahmen geknüpft. Das Problem: Es ist schwierig, auf solchen Bedingungen – sogenannte Konditionalitäten – zu bestehen. Sanktionen zu verhängen, erfordert einen starken politischen Willen, eine konsequente Anwendung der Regeln und eine genaue Beobachtung der politischen Dynamik im Partnerland. Das ist eine große Herausforderung – selbst dann, wenn die Bedingungen für die Zusammenarbeit in förmlichen Vereinbarungen mit der Partnerregierung festgelegt sind.

Sanktionen eignen sich etwa als kurzfristige Reaktion auf einen Militärputsch, mit ihnen lassen sich Forderungen nach einer zivilen Regierung und freien Wahlen untermauern. Als Reaktion auf den Trend zu autokratischer Herrschaft sind sie allerdings weniger wirksam. Ein großes Risiko besteht darin, dass internationale Institutionen ihre Bedingungen nicht konsequent genug einfordern. So werden Sanktionen zu leeren Drohungen. Vieles hängt ab von der Bereitschaft der Geberregierungen, eine gemeinsame Politik nachhaltig und koordiniert zu verfolgen.


Wo Demokratie ins Straucheln gerät, reicht kein „weiter so“. Laufen Programme weiter, kann das Autokraten stärken. Andererseits kann Entwicklungszusammenarbeit durchaus etwas bewirken, etwa wenn sie Institutionen fördert, die ein Mindestmaß an demokratischer Legitimität haben.

„Umgehungslösungen“

Wenn die Autokratisierung ein bestimmtes Maß erreicht hat, kann es sinnvoll sein, die nationale Regierung zu umgehen. Die Idee dahinter ist, die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen zurückzufahren und stattdessen direkt subnationale Behörden oder zivilgesellschaftliche Organisationen zu adressieren.

Die Wirksamkeit dieses Ansatzes hängt davon ab, wieviel Kontrolle die Regierung hat und wie schlimm die Repressionen sind. Wo der Staat „überall“ ist oder wo zivilgesellschaftliche Organisationen keine externe Finanzierung annehmen dürfen, wird er kaum funktionieren. Generell hängt die Wirksamkeit solcher „Umgehungslösungen“ davon ab, wie viel Spielraum die Zivilgesellschaft noch hat und wie sehr sich die Partnerorganisationen für Demokratie einsetzen. Außerdem kann diese Art von Lösung teuer werden, und Ressourcen können von autokratischen Kräften „gekapert“ werden.

Bis zu einem gewissen Grad kann auch eine regionale Zusammenarbeit eine Option sein. Beispielsweise könnte ein geringeres Engagement in Mali einhergehen mit einem stärkeren Engagement in der ECOWAS (Economic Community of West African States – Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten), der regionalen Organisation, der Mali angehört. Ein solcher Ansatz erlaubt erstens, das Engagement bei Bedarf recht einfach wiederaufzunehmen. Zweitens lassen sich so die in Nachbarländern gemachten Erfahrungen nutzen.

Rückzug

Hat sich die Gewaltherrschaft voll entfaltet, gilt es die Zusammenarbeit zu überdenken: Wenn sie eine autokratische Regierung stärkt, ist sie Teil des Problems. In einem solchen Kontext ist ein endgültiger Rückzug gerechtfertigt. Fortgesetzt werden sollte nur die grundlegende Unterstützung für die Bevölkerung, vor allem durch humanitäre Hilfe. Die langfristige Entwicklung sollte erst wieder unterstützt werden, wenn sich die politischen Rahmenbedingungen verbessern. Es ist dabei wichtig, die Grenzen der Entwicklungszusammenarbeit zu erkennen. Sie kann zwar Veränderungsprozesse eines Landes unterstützen, aber nicht dessen politische Dynamik grundlegend verändern.

Angesichts der Tendenzen zur Autokratisierung ist es umso wichtiger, die Demokratie zu stärken. Dafür müssen die Geber geeignete Ansatzpunkte finden. Sie müssen zudem die Auswirkungen ihrer Programme auf die Demokratie in den Partnerländern fortlaufend bewerten und den Kurs ändern, wenn die Bedingungen es erfordern.

Liberale Demokratien wie Deutschland unterstützen weiterhin langfristig die Etablierung und Stärkung demokratischer Institutionen im Ausland. Deutschland setzt hierfür seit langem auf zivile Machtstrukturen und kooperiert auch mit autokratischen Regimen – in der Hoffnung, dass sich Institutionen so weiter diversifizieren und zur Demokratisierung beitragen. Dieser Ansatz treibt zwar nicht direkt Autokratisierung voran, begünstigt aber womöglich den Trend dazu. Die politischen Entscheidungsträger sollten darauf achten, solche Programme zu stoppen, bevor sie untragbar werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass nichtdemokratische Regime – besonders China – zunehmend auf Entwicklungsländer zugehen. Peking wirbt für ein anderes Entwicklungsparadigma, demzufolge eine starke Regierung entscheidend ist, Demokratie und Menschenrechte aber nicht. Dabei sind beide zentral für eine nachhaltige Entwicklung der Menschheit (siehe Imme Scholz auf www.dandc.eu).

Nicht zuletzt müssen die westlichen Regierungen bedenken, dass ihre eigene Legitimität angekratzt ist. Zum einen sind militärische Interventionen, die Demokratisierung unterstützen sollten, spektakulär gescheitert, etwa in Afghanistan (siehe Paul D. Miller auf www.dandc.eu) und Mali. Zum anderen sind die USA und die EU selbst von demokratischen Rückschritten betroffen.

Als Joe Biden im März in Warschau von einem Konflikt zwischen Demokratie und Autoritarismus sprach, hatte er nicht unrecht. Was er allerdings nicht sagte: Sowohl in Polen als auch in seinem eigenen Land, den USA, sind autoritäre Kräfte erschreckend stark. Biden hätte anerkennen müssen, dass der von ihm benannte Konflikt nicht einfach zwischen verschiedenen Ländern tobt – sondern vielmehr innerhalb von Ländern.

Demokratische Regierungen müssen die Demokratie im Ausland fördern – das gilt für die Außenbeziehungen im Allgemeinen, nicht nur für die Entwicklungszusammenarbeit. Die EU-Staaten täten gut daran, ihre Reaktionen auf Autokratie und demokratische Rückschritte zu koordinieren. Es ist an der deutschen Bundesregierung dazu beizutragen, einen solchen Prozess in Gang zu setzen.


Aline Burni ist Politikwissenschaftlerin und Forscherin für internationale Zusammenarbeit am Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE).

Niels Keijzer ist leitender Forscher am DIE.
niels.keijzer@die-gdi.de