Linkspopulismus

Die Währung der venezolanischen Politik

Ende Februar eskalierte die politische Krise in Venezuela. Sowohl Regierung als auch Opposition nutzten Massenkundgebungen, um ihre Stärke zu zeigen. Die internationale Gemeinschaft sollte die Stimmung nicht anheizen.
Oppositionsführer Juan Guaidó bei einer Kundgebung Anfang Februar in Caracas. Leo Alvarez/picture-alliance/Sputnik/dpa Oppositionsführer Juan Guaidó bei einer Kundgebung Anfang Februar in Caracas.

Die Demonstrationen in Venezuela sind eine Reaktion auf die schweren Probleme im Land. Die Regierung von Präsident Nicolás Maduro betrieb Missmanagement in der Wirtschaft und schränkte die politischen Rechte ein. Die Bevölkerung leidet unter Nahrungsmangel, Arbeitslosigkeit, Hyperinflation und prekärer Gesundheitsversorgung.

Die Vielzahl der Protestmärsche seit Januar ist nicht neu. Maduros Lager benutzt sie auch. Hugo Chávez, Maduros Vorgänger, war ein Linkspopulist, dessen Versprechen von sozialer Gerechtigkeit die Massen der Menschen ansprach. Chavisten haben schon immer Kundgebungen genutzt, um ihre Macht zu festigen.

Der Hauptunterschied zwischen früheren und den aktuellen Oppositionsprotesten besteht darin, dass Märsche gegen Maduro heute in ehemaligen Chavisten-Hochburgen stattfinden und sogar ehemalige Chavisten mitmachen. Massenkundgebungen stellen die Macht und Legitimität der Regierung in Frage, die behauptet, „das Volk“ zu vertreten. Andererseits stärken Pro-Regierungs-Demonstrationen Maduro. Die Massendemos sind heute die Währung der venezolanischen Politik.

Beobachter haben in diesem Jahr mehr als 2500 Oppositionsmärsche gezählt. Es ist kein Zufall, dass Juan Guaidó, der Oppositionsführer und Präsident der Nationalversammlung, sich während eines Marsches zum Interimspräsident erklärt hat. Er hat den Ruf eines moderaten Politikers, der nicht eng mit der Oligarchie verbunden ist. Er spricht ein breites Spektrum unzufriedener Bürger an.

Als Reaktion auf Guaidó mobilisieren auch die Chavisten ihre Anhänger. Sie wollen, dass die nationale und internationale Öffentlichkeit sieht, dass die Opposition nicht die gesamte Bevölkerung Venezuelas repräsentiert. Gleichzeitig werden militärische Übungen ausgetragen, um zu beweisen, dass Maduro immer noch die Unterstützung der Streitkräfte genießt.

In anderen Ländern finden Pro- und Anti-Maduro-Kundgebungen statt, die sich auch auf Venezuela auswirken. Mehrere ausländische Regierungen, auch aus der EU, haben eine Anti-Maduro-Haltung eingenommen und fordern einen Regimewechsel. Aus mehreren Gründen ist dieser Ansatz gefährlich:

  • Die Drohungen der US-Regierung, militärisch zu intervenieren, waren wahrscheinlich dazu gedacht, Maduro einzuschüchtern. Tatsächlich haben sie ihn gestärkt. Die Venezolaner schätzen ihre Souveränität, und fast die gesamte militärische Führung steht hinter Maduro.
  • Venezuela verfügt über die größten Ölreserven der Welt. Die Angst vor eskalierender politischer Gewalt treibt den Ölpreis in die Höhe, sodass die Einnahmen der Regierung Maduros steigen. Je höher der Ölpreis steigt, desto besser sind seine Chancen, an der Macht zu bleiben.
  • Die internationale Polarisierung treibt die Regierung Maduros in die Arme Chinas, Russlands und anderer Mächte, die ihren globalen Einfluss verstärken wollen.
  • US-Präsident Donald Trump und der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro sind keine überzeugenden Verfechter der Demokratie in Venezuela, weil sie selbst undemokratisch handeln. Hinzu kommt, dass Elliott Abrams, der Sonderbeauftragte der USA für die Krise in Venezuela, in den 80er-Jahren während der Bürgerkriege in El Salvador, Nicaragua und Guatemala rechtsgerichtete Contra-Rebellen unterstützt hat.

Die Androhung einer militärischen Intervention ist destruktiv. Die gewaltsame Absetzung eines Regimes in ressourcenreichen Ländern hat regelmäßig zu Bürgerkriegen und dem Zusammenbruch staatlicher Institutionen geführt. Es gibt keinen Grund, zu glauben, dass das in Venezuela anders laufen würde.

Guaidó ist sich dieser Risiken bewusst. Die Opposition will einen politischen Übergang, keinen Bürgerkrieg. Deshalb bot Guaidó führenden Chavisten – einschließlich Maduro – sowie Polizei- und Militärangehörigen Amnestie an. In dieser schwierigen Situation dürfen ausländische Regierungen die Stimmung nicht anheizen. Die Herausforderung besteht darin, legitime Forderungen nach einer demokratischen Regierungsführung zu unterstützen, ohne den Chavisten in die Hände zu spielen. Mexiko und Uruguay gehen mit gutem Beispiel voran, indem sie auf Verhandlungen zwischen der Opposition und der Regierung Venezuelas bestehen.


Fabio Andrés Díaz Pabón ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Rhodes University in Südafrika und Forscher am International Institute of Social Studies in Den Haag.
diazpabon@iss.nl

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