Infrastruktur
Im Aufschwung verbessern
Wegen des Konjunktureinbruchs sind in diesem Jahr sowohl die Energienachfrage als auch die CO2-Emissionen deutlich zurückgegangen. Die Erholung bietet Chancen, Strukturen zu verbessern. International lautet das inoffizielle Motto: "Build back better.” Der IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol fordert Mitgliedsländer zum Beispiel auf, 2019 auf Dauer zum Jahr mit den höchsten Klimaemissionen zu machen, indem sie Konjunkturprogramme zur Förderung sauberer Energie nutzen. UN-Generalsekretär António Guterres unterstützt das, denn saubere Energie verschaffe Ländern eine „sicherere und gesündere“ Entwicklungsbasis.
Wie die USA in den 1930er Jahren zeigten, können auf hohen Schulden beruhende Staatsausgaben eine Volkswirtschaft aus der Depression führen. Besonders sinnvoll ist dabei der Bau von Infrastruktur, weil das nicht nur kurzfristig Arbeit schafft – sondern auch die Grundlage für langfristigen Wohlstand. Heute sind Investitionen in Klimaschutz und -anpassung nötig. Dabei geht es etwa darum, bestehende Gebäude auf erneuerbare Energie umzurüsten, Radwegnetze auszubauen oder natürliche Methoden des Hochwasserschutzes zu reaktivieren. Subventionen für intelligente Stromversorgungsnetze oder die Umstellung von Industrieanlagen auf saubere Energie können die Wirtschaft stimulieren.
Die Fehler von 2008 sollten nicht wiederholt werden. Nach der damaligen Weltfinanzkrise profitierten auch Unternehmen, die intensive fossile Energie nutzen, von Staatsgeld, was langfristige Klimaprobleme verschärft hat. Besser wäre es gewesen, die Politik hätte sich auf die Förderung von zukunftsträchtigen Branchen und Arbeitsplätzen konzentriert.
Leider sind manche Staaten offenbar schon dabei, solche Fehler zu wiederholen. Die US-Regierung hatte laut The Guardian Anfang Juli bereits Darlehen im Wert von mindestens 3 Milliarden Dollar an 5 600 fossile Firmen – wie Betreiber von Kohlekraftwerken und Ölförderer – vergeben. Präsident Donald Trump bedient Interessen ökologisch schädlicher Unternehmen und bestreitet die Erkenntnisse der Klimaforschung. Er tut so, als schade Umweltschutz dem Wirtschaftswachstum, hat aber kein Verständnis von Nachhaltigkeit. Seine Wissenschaftsfeindlichkeit und sein Besessensein von kurzfristigen Wirtschaftsdaten haben in seinem Land vielfach die vorzeitige Öffnung nach halbherzigen Covid-19-Lockdowns beflügelt, sodass die Infektionszahlen im Juli rasant gestiegen sind. Die verschärfte Pandemie dürfte wohl ökonomische Vorteile der Lockerung schnell zunichtemachen.
Die destruktive Haltung der US-Regierung wurde bei einer digitalisierten Weltkonferenz der IEA Anfang Juli abermals deutlich. Gut war indessen, dass 40 Minister von Ländern mit hohem Energieverbrauch teilnahmen und ihr Interesse am Doppelthema Klimaschutz und Konjunkturpolitik zeigten.
Die EU beispielsweise hat kürzlich ein Aufschwungpaket im Wert von 1 850 Milliarden Euro angekündigt, das grüne Branchen stärken soll. China und Indien haben ebenfalls wegweisende Versprechen gemacht. Multilaterale Institutionen wie die IEA sollten nun Druck machen, dass solche Ankündigungen auch wahrgemacht werden. Anstatt den nötigen Wandel zügig umzusetzen, hinken EU, China und Indien bislang ihren eigenen Plänen leider tendenziell hinterher (das Beispiel Indien erläuterte Aditi Roy Ghatak im Schwerpunkt von E+Z/D+C e-Paper 2020/04).
Länder mit niedrigen Einkommen haben in der Regel nicht den Fiskalspielraum, selbst Konjunkturprogramme zu finanzieren. Die internationale Gemeinschaft sollte dort die dringend nötigen Klimamaßnahmen unterstützen.
Jedenfalls verdient die IEA Lob für ihre Agenda der sauberen Energie. Vor zehn Jahren hatte sie noch den Ruf, fossile Energie zu unterstützen und das Potenzial erneuerbarer Optionen geringzuschätzen. Der Sinneswandel ist willkommen. Druck großer institutioneller Anleger hat dazu beigetragen, denn Verantwortliche bei Pensionsfonds und Versicherungen wissen, dass auch die Wirtschaft Nachhaltigkeit braucht. Auch die US-Regierung sollte auf sie hören.
Katie Cashman ist bei der chilenischen Umweltorganisation 2811 für Klimapolitik zuständig. Sie äußert hier ihre persönliche Meinung.
katie@2811.cl