Stiftungen
„Die Vorteile überwiegen eindeutig“
Welche Funktion erfüllen Stiftungen und Philanthropen in der Entwicklungsarbeit?
Ich sehe hier zwei wichtige Funktionen: Sie ergänzen sinnvoll die Maßnahmen, die von den Agenturen der Länder durchgeführt werden, oder schießen Mittel zu. Zudem fördern Stiftungen wichtige, unter Umständen auch wertvolle Studien. Unsere Münchener Rück Stiftung fördert beispielsweise Studien über die weltweite Verbreitung von Mikroversicherung. Das sind Versicherungen, die dazu beitragen, dass Menschen in armen Ländern bei Schocks nicht in die Armutsfalle abrutschen. Die Daten können genutzt werden, um staatliche und private soziale Absicherungssysteme zu verbessern. Viele Stiftungen haben einen unternehmerischen Hintergrund. Sie verfolgen deshalb oft eine etwas andere und stärker ergebnisorientierte Herangehensweise als etwa staatliche, politisch getriebene Organisationen.
Wenn ein Großunternehmen eine wohltätige Stiftung gründet, liegt der PR-Verdacht nahe ...
Ja klar, der Verdacht liegt nahe, und das ist im Einzelfall auch begründet. Aber Stiftungen, auch Unternehmensstiftungen, arbeiten ein gutes Stück weit unabhängig von ihren Stifterinnen. Wenn ein Unternehmen eine Stiftung gründet, dann ist das im Kern eine gute Sache. Ich habe Verständnis dafür, dass es stolz darauf ist und das dann gut kommuniziert. Also: ja, es ist auch PR, aber in der Regel PR für eine gute Sache.
Gibt es Unternehmensstiftungen, die Ihrer Einschätzung nach vor allem PR-Funktionen erfüllen?
Ja, das kommt sicher vor. Da aber Stiftungsarbeit in der Regel transparent ist und Stiftungen an ihrer Arbeit und ihren Wertbeiträgen gemessen werden, ergibt sich ein eigenständiges Bild. Reine „PR-Stiftungen“ fallen rasch auf und werden in der Regel entsprechend bloßgestellt.
Wer finanziert und kontrolliert Stiftungen?
Sie verfügen über ein mehr oder weniger großes Stiftungskapital, das kann sogar in die Milliarden Euro gehen. Dieses ist investiert, und die Erträge finanzieren die Stiftungsarbeit. In Zeiten niedriger Zinsen müssen bei kleineren Stiftungen zunehmend andere Geldquellen wie Zustiftungen, Spenden oder Projektförderungen durch Dritte akquiriert werden. Die Satzung legt fest, welche Inhalte die Stiftungsarbeit hat. Über die Stiftungsarbeit und die Finanzen wacht normalerweise ein Aufsichtsrat. Die Kontrolle ist in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich geregelt. In Deutschland kontrolliert eine Stiftungsaufsicht, ob auch tatsächlich der Stiftungszweck verfolgt wird. Sofern die Stiftung den Status der Gemeinnützigkeit hat, wird sie zusätzlich durch das Finanzamt kontrolliert. Insofern ist die Kontrolle deutscher Stiftungen recht umfassend. Die Aufsichtsregeln von Stiftungen mit Sitz im Ausland können aber wie gesagt ganz anders sein.
Wie könnte man ausländische Stiftungen mehr kontrollieren?
Das ist eine gute Frage. Eine große Stiftung wie beispielsweise die Bill & Melinda Gates-Stiftung wird wohl schwer zu kontrollieren sein. Stiftungen werden in der Regel durch eine Aufsicht kontrolliert. Sie müssen laut Gesetz gemeinnützig, non-profit sein und möglichst transparent agieren. Stiftungen unterliegen auch einer speziellen Berichtspflicht. Und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sehen genau hin, wenn es um für sie relevante Fragen geht. Beim Klimawandel, das ist mein Fachgebiet , passt beispielsweise Greenpeace auf. Auffälligkeiten oder Verstöße werden öffentlich gemacht, wie etwa bei den Koch-Brüdern, die in den USA über Stiftungen Klimaskeptiker unterstützen. Im Kern geht es auch bei Stiftungen um Good Governance. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat beispielsweise einen Code of Practice beschlossen, der das Abwandern von Gesundheitsfachkräften aus armen Bedarfsregionen – Brain Drain – regulieren soll. Ich glaube, dass in Zeiten von Social Media Verstöße und Probleme rasch kommuniziert werden. Vielleicht könnte man die Überwachung noch ausbauen, aber das wäre dann sicher ein aufwändiges internationales Vorhaben.
Wie Sie erwähnt haben, finanzieren in den USA die milliardenschweren Koch-Brüder mit Spenden Klimaleugnung in großem Stil und bezeichnen das durchaus als Philanthropie. Wo verläuft die Grenze zwischen politischer Propaganda und wohltätigem Handeln?
Natürlich finde ich das nicht gut. Das machen laut Greenpeace übrigens auch viele andere Stiftungen in den USA. So etwas wird aber immer vorkommen – und schließlich geht es ja auch ein Stück weit um Meinungsfreiheit. Sicher gibt es, je nach Blickwinkel, natürlich auch schwarze Schafe. Es ist wie bei NGOs. Man kann nicht pauschal sagen, dass sie gut oder schlecht sind. Es kommt immer darauf an, worum es geht.
Welche Gefahren birgt die Arbeit von Stiftungen im Entwicklungsbereich?
Nun, zum Beispiel hat die eben erwähnte Gates-Stiftung wegen lukrativer Gehaltsangebote in einigen Regionen Afrikas einen Abzug von Ärzten und Gesundheitspersonal ausgelöst. Das hat dann in den Ländern zu Unterversorgung geführt. Natürlich gibt es Gefahren. Man muss genau hinschauen. Aber insgesamt überwiegen meiner Meinung nach die Vorteile deutlich.
Generell lässt sich sagen, dass reiche Spender zumindest indirekt immer auch ihre eigenen Interessen mit im Blick haben. Die Gates-Stiftung ist stolz darauf, große Datensätze zu verarbeiten. Die Siemens-Stiftung fördert technischen Fortschritt. Ihre Stiftung legt auf Versicherungslösungen Wert. Sollte die Öffentlichkeit Philanthropen-Engagement deshalb nicht mit großer Skepsis begegnen?
Ich glaube, die Widmung von den genannten Stiftungen liegt auf der Hand. Wir versuchen als Stiftung des Rückversicherers Munich Re mit unserer Arbeit Wissen für Mikroversicherung – also Armenversicherung – in Entwicklungs- und Schwellenländern zu verbreiten. Ziel ist es, sogenannte „protection gaps“ zu schließen. Wir setzen uns auch für gute Katastrophenvorsorge ein. Die Siemens-Stiftung setzt sich stark für Entrepreneurship und Innovationen in Entwicklungs- und Schwellenländern ein. Daran kann ich nichts Schlechtes finden. Und ich glaube, dass auch die Gates-Stiftung in großem Stil Gutes bewirkt. Sicher werden Unternehmen und Privatpersonen einen ihnen naheliegenden Stiftungszweck verfolgen. So wird ein reicher Arzt auch eher eine Stiftung für Medizinforschung aufmachen und nicht eine für Musik oder Ähnliches.
David Callahan warnt in seinem Buch über US-Philanthropen davor, dass private Spender in Amerika zunehmend Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen (siehe E+Z/D+C e-Paper 2017/07, S. 4). Das liege unter anderem an engen und überforderten öffentlichen Haushalten. Wie sehen Sie dieses Problem?
Ich teile diese Sorge. Große Stiftungen sind einflussreich und übernehmen zum Teil staatliche Aufgaben, sie führen große Studien zu Themen wie Bildung, Sicherheit und so weiter durch. Man muss schon genau hinsehen und verdächtige Sachverhalte öffentlich machen. Die Medien erfüllen hier eine wichtige Rolle, wie auch Sie mit dem Artikel zu David Callahan. Ich meine aber, dass Stiftungen insgesamt im Vergleich zu anderen Lobby-Gruppen, zum Beispiel der Auto- oder Energielobby – oder der Waffen-Lobby in den USA – eher kleinere Player sind.
Brauchen wir Stiftungen wirklich?
Davon bin ich überzeugt. Wie schon gesagt, schließen Stiftungen Finanzierungslücken oder führen wertvolle Projekte durch, die ohne sie nicht realisiert würden. Stiftungen befördern wichtige Themen. So etwa die Mercator-Stiftung in Deutschland. Sie widmet sich Themen wie dem Klimawandel, der Integration und der kulturellen Bildung. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt hat ein Stiftungskapital von mehr als 2 Milliarden Euro und fördert Projekte zum Umweltschutz. Seit Aufnahme der Stiftungsarbeit 1991 hat sie bis 2016 etwa 9000 Projekte mit mehr als 1,5 Milliarden Euro Fördervolumen unterstützt. Das ist wichtig. Die riesige Bill & Melinda Gates-Stiftung in den USA kümmert sich mit Abermillionen US-Dollar um Themen wie Gesundheitsverbesserung in Entwicklungsländern – etwa bei Malaria, Tbc oder HIV/Aids. Das ist gut.
Thomas Loster ist Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung und Mitglied des E+Z/D+C-Beirats.
tloster@munichre-foundation.org