Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Entwicklungszusammenarbeit

In Afghanistan helfen – trotz der Taliban

Um die Bevölkerung in Afghanistan zu unterstützen, sollte die internationale Gemeinschaft die Entwicklungszusammenarbeit wieder aufnehmen. Als erstes Feld bietet sich die Schulbildung an.
Taliban-Kämpfer in Kabul, Afghanistan. picture alliance / REUTERS | Ali Khara Taliban-Kämpfer in Kabul, Afghanistan.

Seit der Machtübernahme der Taliban am 15. August 2021 ist Afghanistan isoliert: Dem Islamischen Emirat Afghanistan wurde die internationale Anerkennung verweigert. Sanktionen, die seit 1999 gegen die Taliban bestehen, sind auf die Interimsregierung übergegangen. Sie schaden allerdings dabei, die grundlegende Infrastruktur des Landes aufrechtzuerhalten, etwa in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Ernährung.

Die afghanische Wirtschaft liegt weiterhin am Boden. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung leidet unter akuter Ernährungsunsicherheit, auch aufgrund von Dürren (siehe Beitrag von Jörg Döbereiner auf www.dandc.eu) . Internationale Organisationen können den Betrieb vor Ort nur unter größten Schwierigkeiten aufrechterhalten, denn die Sanktionen machen reguläre Geldtransfers nach Afghanistan unmöglich.

Entwicklungszusammenarbeit für Afghanistan wieder aufnehmen

Diese Situation verdeutlicht zwei wichtige Punkte. Erstens: Der Wiederaufbau der vergangenen 20 Jahre war wenig nachhaltig, auch weil er sich zu wenig an der afghanischen Bevölkerung ausrichtete. Zweitens: Die Sanktionen der internationalen Gemeinschaft wirken. Sie sollte diesen Druck nutzen, indem sie mit der Übergangsregierung klug kommuniziert. Trotz der diplomatischen Nicht-Anerkennung der Taliban sollte sie ihre humanitäre Hilfe ausweiten und Entwicklungszusammenarbeit leisten, um die Bevölkerung zu unterstützen.

Derzeit zeichnet sich dafür eine Strategie ab, in der multilaterale Hilfsfonds eine zentrale Rolle spielen. Sie umgehen staatliche Stellen, sodass Geld direkt an Organisationen der Vereinten Nationen (UNICEF, WFP, FAO) fließt sowie an zivilgesellschaftliche Organisationen, die vor Ort Entwicklungshilfe umsetzen. Langfristig muss aber das Ziel sein, die Sanktionen aufzuheben und ein breites Engagement von Hilfsorganisationen zu ermöglichen.

Auf pragmatische Taliban einwirken

Innerhalb der Taliban gibt es Konflikte zwischen pragmatischen Ansätzen und einer orthodox-ideologischen Haltung. Zentrale Aspekte wie die politische Verfasstheit des Landes oder die Rechtsprechung sind umstritten. Die Taliban zeigen bislang keine eindeutige Haltung zur Rolle der Frau im öffentlichen Raum, und auch nicht zu möglichen Terror-Aktivitäten militanter islamistischer Gruppen auf dem Boden Afghanistans. Das eröffnet Chancen der Einflussnahme von außen – gerade jetzt. Die internationale Gemeinschaft sollte deshalb auf die pragmatischen Gruppierungen innerhalb der Taliban einwirken. Die erwähnten Hilfsfonds tragen allerdings dazu bei, Parallelstrukturen auszubilden und den mühevoll aufgebauten Verwaltungsapparat zu schwächen. Daher ist es sinnvoll, für die Grundversorgung der Bevölkerung staatliche Stellen einzubinden – zumindest informell.

Für eine erste Zusammenarbeit bietet sich das Schulwesen an. Die Taliban kündigten an, alle Schulen ab dem 22. März wieder zu öffnen, auch jene für Mädchen. Abgesehen von Meinungsunterschieden in Detailfragen wie Lehrplänen, ist ein Konsens mit der internationalen Gemeinschaft hier offenbar möglich. Diese sollte die Schulbildung finanziell unterstützen – nicht an Bedingungen geknüpft, sondern als vertrauensbildende Maßnahme, für vorerst ein Schuljahr. Über einen kurzfristigen Horizont, vor allem Gehälter für Lehrkräfte, eröffnet die Schulbildung auch die Möglichkeit, einen langfristigen Wiedereinstieg einzuleiten, etwa in Infrastruktur und Ausbildung.

Parallel dazu gilt es, einen informellen Austausch anzustoßen. Das Ziel: gemeinsame Interessen zu definieren, einschließlich der Achtung der Frauen- und Menschenrechte. Gelingt dies, könnten Maßnahmen im Gesundheitssektor und zur Ernährungssicherheit folgen.

Die internationale Gemeinschaft sollte jetzt gemeinsam mit Vertretern der Übergangsregierung einen solchen Fahrplan entwerfen. Dafür bedarf es eines Prozesses der Vertrauensbildung und der Schritte aufeinander zu. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.


Literatur
Schetter, C., und Mielke, K., 2022: Die Taliban. Geschichte, Politik, Ideologie. Beck Verlag, München.


Conrad Schetter ist Direktor des BICC (Bonn International Centre for Conflict Studies).
schetter@bicc.de

Katja Mielke ist wissenschaftliche Mitarbeiterin  am BICC.
katja.mielke@bicc.de