Konjunktur
Umfragen mit Potenzial
40 Prozent der befragten Unternehmen der Western Region in Ghana bewerten ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als „gut“ und 39,5 Prozent als „befriedigend“. Über 70 Prozent erwarten verbesserte wirtschaftliche Bedingungen für das eigene Unternehmen in den kommenden sechs Monaten. Dies sind die Ergebnisse der Konjunkturumfrage des vierten Quartals 2017 der Sekondi-Takoradi Chamber of Commerce and Industry (STCCI). Sekondi-Takoradi ist die Hauptstadt der Western Region und mit rund 340 000 Einwohnern drittgrößte Stadt Ghanas. Die Ergebnisse der Umfrage, an der sich rund 150 Unternehmer beteiligten, decken sich mit den positiven Erwartungen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Er prognostiziert ein Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von Ghana von 8,9 Prozent im Jahr 2018 – das zweithöchste weltweit.
„Unsere quartalsweise Konjunkturumfrage soll relevante, verlässliche und leicht verständliche Daten für Wirtschaftsplanung und -Prognosen für Mitglieder der STCCI und andere Unternehmen, vor allem für kleine und mittelständische Betriebe in der Western Region, liefern“, erläutert STCCI-Präsident Ato Van Ess. Die Umfragen würden Unternehmen helfen, ihre Position im Vergleich zu Wettbewerbern besser einschätzen zu können. „Sie ermöglichen Unternehmen, Muster wirtschaftlicher Faktoren zu erkennen. Dadurch können sie notwendige Gegenmaßnahmen entwickeln, falls es negative Vorhersagen gibt, oder sie können die Vorteile positiver Vorhersagen und Trends nutzen“, so Van Ess weiter. Die Umfragen geben auch Anhaltspunkte darüber, ob sich für Investoren und Existenzgründer ein Markteintritt in Sekondi-Takoradi lohnt.
STCCI, die derzeit rund 320 Mitglieder vertritt, hat sich mit ihren Konjunkturberichten ein Alleinstellungsmerkmal in Ghana erarbeitet und wird dadurch von Politik, Verwaltung, Medien und Zivilgesellschaft verstärkt als kompetente Wirtschaftsvertretung wahrgenommen. „Die Umfragen sind schnell zu einer Referenz für viele Institutionen in der Western Region geworden,“ freut sich STCCI-Geschäftsführer Vincent Annan. Die Umfrageergebnisse nutze seine Kammer zudem, um sich für positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen wie besseren Zugang zu Krediten einzusetzen. Denn nach wie vor ist der Zugang zu Fremdkapital für jedes vierte Unternehmen größtes Risiko für die eigene Zukunft. Es ist zu vermuten, dass die Konjunkturberichte auch ein Grund dafür sind, dass mittlerweile erste, vor Ort vertretene internationale Unternehmen der STCCI beigetreten sind.
Viele Herausforderungen
Doch die Erstellung der vierteljährlichen Berichte stellt die ghanaische Kammer vor große Herausforderungen. Besonders die Sammlung und Auswertung der Rohdaten ist äußerst aufwändig, da derzeit noch jedes teilnehmende Unternehmen vor Ort aufgesucht werden muss. Denn nur so ist sichergestellt, dass der Fragebogen ausgefüllt und vor allem zurückgegeben wird. Gerne würde STCCI auch Unternehmer in den entlegeneren Bezirken der Western Region befragen, was aber noch an Geld und Zeit scheitert. Teilweise scheitern die Befragungen, die in der offiziellen Landessprache Englisch formuliert sind, daran, dass die Unternehmer nur eine der vielen lokalen Sprachen sprechen.
Einige Unternehmer sind trotz vorgelegter Visitenkarte der Interviewer und Empfehlungsschreiben der Kammer nicht bereit, an der Umfrage teilzunehmen, aus Angst, Unbekannten Firmendaten preiszugeben. Auch sinkt teilweise die Teilnahmebereitschaft durch Trittbrettfahrerverhalten: Wozu freiwillig an der Umfrage teilnehmen und kostbare Zeit opfern, wenn dies schon andere Unternehmen tun und der Konjunkturbericht zum kostenlosen Download auf der Website der STCCI bereitsteht? Insgesamt überwögen aber die positiven Erfahrungen, berichten Abigail Asante und Aidoo Atta Panyin, die für die Datensammlung zuständig sind: „Viele Entrepreneure nehmen gerne an der Umfrage teil, weil sie das Potenzial für ihre Unternehmen erkennen.“
Mit steigender Bedeutung der STCCI-Konjunkturberichterstattung erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, die Umfragen zukünftig onlinebasiert durchführen und mit Software-Lösungen automatisiert auswerten zu können. So könnten auch mehr Unternehmen erreicht werden, was die Validität der Ergebnisse weiter steigern würde. Perspektivisch könnte STCCI mit seinen Konjunkturberichten sogar Geld verdienen. Denn gerade in Ländern mit schwacher amtlicher Datenbasis könnten Konjunkturdaten an Ministerien, Verwaltungen und die Zentralbank verkauft werden oder an internationale Organisationen und größere Unternehmen.
Die Frage ist, ob Konjunkturbefragungen potenziell für Kammern und Verbände in allen Entwicklungsländern umsetzbar sind. Torsten König, Leiter der Abteilung Konjunktur und Statistik der Handelskammer Hamburg, unterstützte STCCI bei der Einführung der Berichterstattung. Er ist sich sicher: „Konjunkturumfragen funktionieren in jedem Land der Welt. Zumindest die Einstiegsfrage ‚Ist die Geschäftslage Ihres Unternehmens gut, befriedigend oder schlecht?‘ kann praktisch jeder Unternehmer beantworten – vom internationalen Konzernlenker bis zur Marktfrau in Takoradi.“ Das sind eigentlich gute Aussichten für jede Wirtschaftsvertretung.
Michael Konow ist Leiter der Abteilung Internationale Projekte und Partnerschaften der Handelskammer Hamburg.
michael.konow@hk24.de
Link
Sekondi-Takoradi Chamber of Commerce and Industry (STCCI):
http://www.sekonditakoradichamber.org