Finanzmärkte
Rückzug aus Schwellenländern
Rund 29 Milliarden Euro seien aus den begehrten Wachstumsregionen seit Anfang des Jahres abgewandert, wurde Mitte März die französische Investmentbank Natixis in der Tageszeitung Le Monde zitiert. Im vergangenen Frühjahr hätten die Börsen noch monatliche Zuwächse von 165 Milliarden Dollar pro Monat verbucht, so eine Studie. Waren in Istanbul, Shanghai oder São Paulo in den Jahren 2009 und 2010 Gewinne zwischen 50 und 80 Prozent möglich, so melden Experten seit Januar aus Schwellenländern Gewinne, die um 12 Prozentpunkte niedriger sind als in Industrieländern.
Am stärksten betroffen ist die Stock Exchange of India; der Leitindex in Mumbai sank im Januar um 12 Prozent. Auch der Börsenplatz Bovespa (Brasilien) verlor drei Prozent. Als einziges Schwellenland unter den BRIC-Staaten, das Zuwächse verzeichnet, glänzte China mit 2,4 Prozent im Plus. Auslöser ist vor allem eine galoppierende Inflation: Seit Ende 2010 werden Rohstoffe weltweit teurer, vor allem Getreide, Zucker und Kakao.
Aufschub durch Katastrophen in Japan
Obwohl die Erdbeben in Japan im internationalen Börsenhandel entgegengesetzt wirken, rechnen Experten auf Dauer mit weiter steigenden Rohstoff- und Lebensmittelpreisen. Rund 30 Prozent des Budgets, das private Haushalte in Entwicklungsländern ausgeben, wird in Nahrungsmittel gesteckt. In China wurden die Mindestlöhne im Jahr 2010 deshalb um ein Fünftel angehoben, Peking beabsichtigt auch in Zukunft eine Erhöhung um 13 Prozent pro Jahr.
Insgesamt steigen indessen die Unterschiede zwischen Arm und Reich. Trotz allem steht für Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fest, dass in BRIC-Ländern die Zukunft des globalen Wachstums stattfindet. Laut OECD werden Schwellenländer ab 2030 rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf der Erde ausmachen.
Neue Finanzkrise immer wahrscheinlicher
Der Rückzug von Investoren aus Boomregionen dürfte die Gefahr einer neuerlichen „Blase“ im internationalen Finanzmarkt weiter vergrößern. Das Risiko einer Krise für die gesamte Weltwirtschaft sei heute größer als 2008, warnen Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IMF) in einer Studie vom 9. März: „Dadurch, dass Großbanken die kritischen Institute aufgekauft haben, stieg die Konzentration von Risiken insgesamt.“ Die jeweils fünf größten Banken von 12 Staaten bewegen heute im Schnitt 335 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Vor der Finanzkrise waren es 307 Prozent.
In Deutschland überwiegt dennoch Optimismus. Sinkendes Interesse von Investoren ist laut Deutschem Industrie- und Handelskammertag (DIHK) auch ein Zeichen dafür, dass Märkte funktionieren. Manche Anleger fürchteten eine Überhitzung in jungen Boomländern, so DIHK-Experte Ilja Nothnagel: „Etliche Schwellenländer schwenken eben auf langsamere Wachstumspfade ein, während die Konjunktur in Deutschland und USA wieder anspringt; auch deshalb werden Portfolios umstrukturiert.“ (ph)