UN Development System

Mehr lokale Kompetenz

Die Aufgaben und Aktionsfelder des Entwicklungssystems der UN haben sich verändert. Eine Anpassung an die neue Situation ist dringend nötig. Statt auf interne Koordination und internationale Debatten zu setzen, sollten die UN-Institutionen Partnerschaften auf Landesebene suchen.
Das UN Development System (UNDS) koordiniert Hilfsgelder: UNDP-Projekt zum Aufforsten der Wüste. Jorgen Schytte/Lineair Das UN Development System (UNDS) koordiniert Hilfsgelder: UNDP-Projekt zum Aufforsten der Wüste.

Das UN Development System (UNDS) ist Teil der neuen Weltordnung und relevant für den Umgang mit globalen Fragen. Es hat sich in den vergangenen 50 Jahren als Reaktion auf den Bedarf armer Länder nach besserer Kontrolle der Entwicklungshilfe herausgebildet. Heute besteht das UNDS aus mehr als 30 Institutionen, die im Entwicklungsbereich aktiv sind.

Einige der größeren Organisationen wie das UN Entwicklungsprogramm (UNDP), das Kinderhilfswerk der UN (UNICEF), die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sind bekannt. Viele von ihnen haben operative wie normative Funktionen. Sie unterhalten oft Büros in Entwicklungsländern.

Früher waren Fragen der wirtschaft­lichen Entwicklung, Armutsreduzierung, Good Governance, Menschenrechte, Rechte von Kindern und Frauen und Umweltmanagement weitgehend den nationalen Regierungen überlassen. Inzwischen greift die internationale Gemeinschaft diese Themen auf. Das UNDS soll sie angehen; es kann Länder unterstützen und Entwicklungen beobachten.

Das UNDS muss das Ziel haben, innenpolitische Konzepte zu stärken und zu verbessern. Daher sollten die UN-Institutionen enge Arbeitsbeziehungen mit nationalen Regierungen und zivilgesellschaftlichen ­Organisationen aufbauen. Die UN sollten nicht als Fremdkörper betrachtet werden, der sich in die inneren Angelegenheiten eines Landes einmischt. Die UN-Institutionen ergänzen vielmehr nationale Einrichtungen und geben der Innenpolitik eine internationale Dimension.

Zu diesem Zweck müssen UNDS-Institutionen neue Strategien entwickeln. Nötig sind neue Ansätze der Selbstverwaltung und neue Konzepte zur Zusammenarbeit mit nationalen Institutionen. Es muss sich einiges ändern. Statt wie bisher zwischenstaatliche und internationale Debatten in New York oder Genf zu betonen, muss die Kooperation mit nationalen und lokalen Behörden vertieft werden.

Die Umstände haben sich seit den 1940er Jahren, als sich die Grundlagen des UNDS herausbildeten, drastisch geändert. Einer der Hauptgründe, Organisationen wie das UNDP und UNICEF zu bilden, war, dem wachsenden Einfluss bilateraler Geber und den von ihnen dominierten internationalen Finanzinstitutionen ein multilaterales Gegengewicht entgegenzustellen. Entwicklungsländer fühlten sich bei den UN besser aufgehoben.

Heute ist Entwicklungshilfe aber nicht mehr so sehr von kolonialen und wirtschaftlichen Beziehungen geprägt, und die Bedeutung des UNDS bei der Vergabe von Entwicklungsgeldern hat abgenommen. Neuen Zahlen des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe (DAC) zufolge steuert das UNDS selbst jährlich nur etwa vier Milliarden Dollar – also gerade mal drei Prozent – zur weltweiten ODA (official development assistance) bei.

Mittlerweile stützt sich das UNDS zunehmend auf Kofinanzierung durch bilaterale Geber. Das UNDS hat die Rolle des Auftragnehmers übernommen, der bilaterale Gebergelder an die Entwicklungsländer verteilt. Es hat kaum Kontrolle darüber, wofür diese Mittel verwendet werden.

Zudem haben sich die Grenzen zwischen ODA und humanitärer Hilfe verwischt. Letztere übernimmt immer mehr Aufgaben der traditionellen Entwicklungshilfe – etwa in den Bereichen Bildung und Gesundheit. Das gilt vor allem in Ländern, die in Krisen feststecken. Humanitäre Hilfe ist deshalb für schwache und fragile Staaten besonders wichtig.

Eine weitere wichtige Entwicklung ist die zunehmende Differenzierung innerhalb der Entwicklungsländer. Den Gegensatz zwischen armer Dritter Welt und reichen entwickelten Ländern gibt es nicht mehr. Entwicklungshilfe, besonders die der UN-Institutionen, konzentriert sich jetzt auf
50 oder 60 Nationen – und damit auf nicht einmal die Hälfte aller Entwicklungsländer.

Selbst die Definition von Entwicklung ist nicht mehr die gleiche. Entwicklung beschränkt sich nicht mehr auf wirtschaftliche und soziale Aspekte, sondern auch auf politische Fragen. Regierungen wenden sich an das UNDS zunehmend mit Fragen zu Good Governance, Menschenrechten oder den Rechten von Frauen und Kindern. In der Tat kennen sich UN-Institutionen damit aus.

Wenn das UNDS seine Bedeutung nicht verlieren will, sind einige radikale Reformen nötig. Hauptanliegen des UNDS sollte sein, den Entwicklungsländern ein freundschaftlicher und akzeptierter Partner zu sein. Um das zu erreichen, sind vier Aspekte neu zu bewertenn

 

1. Die Verwaltungs­organe des UNDS

In Entwicklungsländern kommunizieren die UNDS-Institutionen normalerweise mit den Außenministerien. Diese Ministerien aber haben wenig Erfahrung damit, vor Ort Beziehungen zwischen den UN-Organen und relevanten nationalen Institutionen aufzubauen. Entwicklungsländer, insbesondere die schwächsten und fragilsten, haben nicht die Kapazitäten, UN-Organisationen auf dieser Ebene zu begegnen.

Daher ist es wichtig, Diskussionen auf die Länderebene zu verlagern. Vorbild für solch ein UN-Vorgehen könnte das „Consultative Group"-System der Weltbank sein. Die Consultative Groups verhandeln direkt mit den relevanten Behörden und nicht mit den Außenministerien.

Zudem sollte davon abgesehen werden, ständige Vertreter, die meist Diplomaten der Außenministerien sind, an die UN-Institutionen zu entsenden. Besser wäre es, Beamte aus den einschlägigen Fachbehörden einzusetzen. Das bisherige System hat dazu geführt, dass Personalfragen und der Verwaltung der UN-Organe viel Bedeutung beigemessen wird, während die ­eigentlichen Entwicklungsthemen vernachlässigt werden. Die Politisierung des Systems verhindert die Konzentration auf substanzielle Entwicklungsvorhaben. Eine Veränderung des Systems der ständigen Vertreter wäre enorm wichtig, damit UNDS-Organe sich auf politische und soziale Themen – wie Menschenrechte und Good Governance – konzentrieren.

 

2. Das Streben nach Koordination

Die UN haben sich lange bemüht, das UNDS auf Länderebene besser zu koordinieren. Dazu ernannten sie im Land ansässige UN-Resident Coordinators (UNRC). Die Erfahrung lehrt aber, dass das nicht funktioniert.

Das UNDS leistet nämlich nicht mehr die Hauptfinanzierung, seine Institutionen hängen von den Mitteln bilateraler Geber ab. Derlei lässt sich aber nicht über einen UNRC koordinieren. Die verschiedenen UN-Einheiten sind den jeweiligen bilateralen Gebern gegenüber rechenschaftspflichtig. Doch selbst für UN-finanzierte Aktivitäten braucht es keinen UNRC. Es gibt nicht viel zu koordinieren, wenn UNICEF oder WHO das Gesundheitswesen finanzieren oder die UNCTAD technische Hilfe für Handel und das UNDP für Regierungsführung leisten.

Am wichtigsten ist, dass jede UN-Institution so effektiv wie möglich mit der zuständigen nationalen staatlichen Stelle kooperiert – zum Beispiel die UNICEF mit den Ministerien für Gesundheit und Erziehung oder die FAO mit den Landwirtschaftsministerien. Jede UN-Agency muss in die relevanten nationalen Institutionen eingebettet werden. Dafür ist aber nicht Koordination im UN-Kontext die wesentliche Voraussetzung.

 

3. Differenzierung und Selektion

Das UNDS ist nur für 50 oder 60 Entwicklungsländer relevant. In den übrigen etwa 100 Entwicklungsländern ist es von geringer Bedeutung; oft überwacht es lediglich die UN-Entwicklungsnormen.

Die 50 bis 60 betroffenen Länder sind meist schwache und fragile Staaten. Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe greifen dort ineinander über, und es gibt Spielraum für mehr koordinierte Maßnahmen. Trotzdem muss nicht die Koordination zwischen UNDS-Einheiten verbessert werden, sondern die Koordination zwischen den UN-Organisationen und anderen bilateralen und multilateralen Agencies. UNICEF und UN Women könnten ihre Aktivitäten mit bilateralen Gebern abstimmen – etwa in den Bereichen Gesundheit und Bildung sowie den Rechten von Frauen und Kindern. Letztlich sollten UNDS-Länderbüros in fragilen Ländern oder solchen mit drohender fragiler Staatlichkeit gestärkt werden. In Ländern wie China oder Indien hingegen spielt das UNDS ohnehin nur eine geringe Rolle, also reichen kleine Büros.

 

4. Das UN Field System

Ein unterschätzter Erfolg des UNDS ist das UN Field System (UNFS): In den meisten UNDS-Länderbüros arbeiten heute lokale statt ausländischer Mitarbeiter. Das UNFS ist eine vielversprechende Einrichtung, insbesondere für die ärmeren Entwicklungsländer. Es kann zu einem wichtigen und zentralen Teil des Entwicklungsprozesses werden. Rekrutierung, Training und Einsatz von UN-Außendienstmitarbeitern müssen aber nach einheitlicheren Kriterien vorgenommen werden. Jedenfalls kann das UNFS Lücken in nationalen Institutionen ausgleichen.

 

Leelananda de Silva war als leitender Beamter in der Regierung Sri Lankas zuständig für UN-Angelegenheiten. Von 1978 bis 1982 war er Geschäftsführer des Third World Forums in Genf. Er hat verschiedene UN-Gremien und die Inter-Parliamentary Union in Genf beraten.
ucrajpe@ucl.ac.uk