Rezension
Herber Covid-Rückschlag
Die Covid-19-Pandemie hat das Wachstum der Mittelschicht international zum Stillstand gebracht und zu einem starken Anstieg der Armut geführt. Das ist das zentrale Ergebnis einer Analyse des Pew Research Center auf der Basis von Weltbankdaten.
Von 2019 bis 2020 blieb die globale Mittelschicht in ihrer Größe demnach nahezu unverändert und umfasste 2020 rund 1,32 Milliarden Menschen (gegenüber 1,34 Milliarden im Jahr 2019). Von 2011 bis 2019 sei sie um durchschnittlich 54 Millionen Menschen pro Jahr gewachsen. Ähnliches Wachstum sei für 2020 erwartet worden, heißt es, sei aber wegen der Pandemie ausgeblieben. Die Autoren gehen davon aus, dass die Mittelschicht nun 17,1 Prozent der Weltbevölkerung ausmacht statt erhoffter 17,8 Prozent. In der Studie werden die Mitglieder der Mittelschicht über eine Kaufkraft zwischen 10 und 20 Dollar pro Person und Tag definiert. Für Pew ist die „obere Mittelschicht“ eine separate Kategorie (bis zu 50 Dollar) und in den 17,8 Prozent nicht erfasst.
In einigen Weltregionen schrumpfte die Mittelschicht zuletzt den Angaben zufolge – und zwar besonders deutlich in Südasien und Ostasien/Pazifik. Andererseits lebe ein Drittel der globalen Mittelschicht in China, das durch Corona keinen starken wirtschaftlichen Einbruch erlitt.
Die Armut hingegen hat Pew zufolge deutlich zugenommen. 2020 waren 803 Millionen Menschen betroffen – 131 Millionen mehr als vor der Pandemie erwartet. Rund zehn Prozent der Weltbevölkerung seien nun arm. Dabei gelten zwei Dollar Kaufkraft pro Kopf und Tag als Armutsgrenze. Vor der Pandemie wurde prognostiziert, dass der Anteil der Armen von seinerzeit neun Prozent auf ein Rekordtief von 8,7 Prozent fallen würde. Covid-19 hat also laut Pew Fortschritte zunichte gemacht. Die globale Armut sei nun wieder grob auf dem Niveau von 2017. Von 2011 bis 2019 seien im Schnitt 49 Millionen Menschen pro Jahr der Armut entkommen. Besonders stark angestiegen sei sie aber zuletzt in Südasien (plus 78 Millionen Menschen) sowie in Subsahara-Afrika (plus 40 Millionen Menschen).
Die Zahl der Menschen, die von 50 Dollar pro Tag oder mehr leben, ist den Daten zufolge gesunken und liegt weltweit bei geschätzten 531 Millionen. Das seien 62 Millionen weniger, als vor der Pandemie vorhergesagt wurde. Von 2011 bis 2019 sei diese Schicht noch um durchschnittlich 15 Millionen pro Jahr gewachsen.
Ende letzten Jahres litten fast 690 Millionen Menschen an chronischem Hunger und 135 Millionen Menschen an akuter Ernährungsunsicherheit, wie die aktuelle Ausgabe des Global Hunger Index (GHI) besagt. Er wird jährlich von den zivilgesellschaftlichen Organisationen Welthungerhilfe und Concern Worldwide erstellt.
Ein Oxfam-Bericht mit dem Titel „The Inequality Virus“ kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Er urteilt, es habe zwar in den vergangenen zwei Jahrzehnten Fortschritte bei der Armutsbekämpfung gegeben, aber Ungleichheit habe zugenommen, und die Pandemie habe die Probleme verschlimmert. Oxfam zufolge hat sich das Vermögen der 1000 reichsten Milliardäre in der Pandemie nicht nur sehr schnell erholt – von März bis Dezember 2020 sei das Gesamtvermögen aller Milliardäre sogar um 3,9 Billionen Dollar gewachsen.
Nach Weltbank-Schätzung lebt etwa die Hälfte der Weltbevölkerung von weniger als 5,50 Dollar pro Tag. Oxfam geht davon aus, dass die Zahl der Menschen, die in diesem Sinn arm sind, im Jahr 2020 um 200 bis 500 Millionen gestiegen sein könnte.
Links
Oxfam International, 2021: The inequality virus.
https://oxfamilibrary.openrepository.com/bitstream/handle/10546/621149/bp-the-inequality-virus-250121-en.pdf
Pew Research Center, 2021: The pandemic stalls growth in the global middle class, pushes poverty up sharply. March 2021.
https://www.pewresearch.org/global/2021/03/18/the-pandemic-stalls-growth-in-the-global-middle-class-pushes-poverty-up-sharply/
Welthungerhilfe und Concern Worldwide, 2020: Global Hunger Index.
https://www.globalhungerindex.org/pdf/en/2020.pdf
Maren van Treel ist Redaktionsvolontärin bei FAZIT Communication.
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Rishikesh Thapa ist Praktikant bei E+Z/D+C.
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