Entwicklung und
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Armutsursachen

Risiko Schwangerschaft

Die Rate der Müttersterblichkeit ist weiterhin erschreckend hoch und wirkt sich negativ auf Wohlstand, Bildung und Wirtschaftswachstum aus. Dabei kann selbst mit geringen finanziellen Mitteln viel für die Gesundheit von Frauen erreicht werden – Malaysia und Sri Lanka sind gute Beispiele dafür.

[ Von Franziska Baur ]

„Komplikationen während der Schwangerschaft und der Geburt sind die häufigsten Todesursachen für Frauen in Entwicklungsländern“, stellt der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) fest. Dabei ist Müttergesundheit das fünfte der UN-Millenniumsentwicklungsziele und sollte damit schon lange ein wichtiges Thema für die Entwicklungspolitik sein. Dem UNFPA zufolge ist es aber das Ziel, das am weitesten von seiner erfolgreichen Umsetzung entfernt ist.

In Fachkreisen sind diese Missstände bereits seit Jahren bekannt. Die Experten sind sich dennoch einig, dass es durchaus möglich ist, Schwangeren und werdenden Müttern eine effektive und gleichzeitig kostengünstige Versorgung zu bieten. Schon allein der Zugang zu grundlegender medizinischer Versorgung und eine Schwangerschaftsbetreuung durch Geburtshelferinnen können vielen schwangeren Frauen das Leben retten. Diese und einige andere unterstützende Maßnahmen für Frauen könnten die Müttersterblichkeitsrate um ganze 95 Prozent senken. Schätzungen des UNFPA zufolge würde man dafür jährlich weniger als 1,5 Dollar pro Person benötigen.

Die Reduzierung der Müttersterblichkeit würde zudem auch andere Bereiche positiv beeinflussen. Denn es ist erwiesen, dass die Gesundheit von Müttern sowohl Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum eines Landes als auch auf Armutsreduzierung, Bildung und Kindergesundheit hat.

Zwar haben Experten stets auf die zentrale Rolle der Müttergesundheit hingewiesen, in den meisten Ländern wurden bisher aber nur geringe Fortschritte erzielt. Grund dafür ist dem UN-Jahresbericht 2009 zufolge besonders das politische Desinteresse am Thema Müttersterblichkeit und Gesundheit von schwangeren Frauen. Diese Vermutung wurde auch auf dem Millenniumsgipfel 2010 in New York aufgegriffen und als Grund für die geringen Erfolge benannt. Zusagen, die auf internationalen Konferenzen gemacht wurden, scheiterten bei der Umsetzung oder gerieten gänzlich in Vergessenheit.

Geringer Fortschritt auf diesem wichtigen gesundheitspolitischen Feld hat selbstverständlich auch damit zu tun, dass es unmittelbar um Dinge wie Familienplanung und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen geht. Kulturelle Normen und soziale Machtverhältnisse bremsen Entwicklung in hohem Maße. Defizite lassen sich nicht einfach mit Mangel an Medikamenten und schwacher medizinischer Infrastruktur erklären. In ganz unterschiedlichen Weltregionen hat es sich zudem bewährt, traditionelle Geburtshelferinnen fortzubilden, um die Müttersterblichkeit zu senken (siehe E+Z/D+C Schwerpunkt 9/2008: „Gesunde Mütter“).

Wie wichtig das politische Engagement einer Regierung ist und dass auch mit geringen finanziellen Mitteln Fortschritte erzielt werden können, zeigen beispielhaft Sri Lanka und Malaysia. Beide Länder konnten die Müttergesundheit deutlich verbessern, da sie die Versorgung von Schwangeren als zentralen Punkt in ihre Programme zur Armutsbekämpfung aufnahmen.

Große Wirkung für wenig Geld

Malaysia investierte sowohl in die Ausbildung von Fachpersonal, in das Gesundheitssystem sowie in die kulturelle Aufklärungsarbeit. Den Erfolg dieses Ansatzes zeigt die deutlich gesunkene Müttersterblichkeitsrate: Derzeit liegt die Gefahr einer werdenden Mutter in Malaysia, bei oder unmittelbar nach der Geburt zu sterben, bei 30 zu 100 000 Lebendgeburten. Laut den Daten des Evangelischen Entwicklungsdienstes wurde die Müttersterblichkeit im weltweiten Schnitt nur von 480 auf 450 Todesfälle bei 100 000 Lebendgeburten gesenkt.

Einem UNDP-Bericht aus dem Jahr 2004 zufolge trugen besonders folgende Punkte zur drastischen Reduzierung der Müttersterblichkeit in Malaysia bei:
– Der Zugang zur Gesundheitsversorgung für Mütter wurde erleichtert und die Qualität verbessert, unter anderem durch Programme zur Unterstützung bei der Familienplanung.
– Die medizinische Versorgung in ländlichen Gebieten wurde ausgeweitet.
– Der Staat investierte in die Ausbildung von Geburtshelferinnen.
– Durch eine enge Zusammenarbeit mit den Dorfgemeinden wurden soziale und kulturelle Barrieren und Skepsis gegenüber modernen medizinischen Methoden abgebaut.

Auch Sri Lanka hat durch ähnliche Anstrengungen die Situation von Frauen und Müttern verbessert. Dazu trug dem Center for Global Development (CGD) zufolge der Aus- und Umbau des Gesundheitssystems bei, der bereits in den 50er Jahren begann. Seitdem hat die Qualität der medizinischen Versorgung zugenommen und es wurde mehr Geld in die Ausbildung des medizinischen Personals investiert. Heute kann sowohl die Stadt- als auch die Landbevölkerung kostenlos medizinische Versorgung in Anspruch nehmen.

Die Qualität der Gesundheitsversorgung ist viel besser geworden und gleichzeitig kos­tengünstig: Mit Ausgaben von lediglich drei Prozent des BIP in das Gesundheitssystem erzielt Sri Lanka bessere Erfolge als Indien, das mit fünf Prozent fast das Doppelte investiert. Im Bezug auf Müttergesundheit misst das CGD besonders den ­Geburtshelferinnen große Bedeutung bei. Die Geburtshelferinnen unterstützen die werdenden Mütter nicht nur medi­zinisch, sondern schaffen auch Vertrauen in das gesamte Gesundheitssystem.

Aussichten für werdende Mütter?

Die beiden Länderbeispiele zeigen, wie Müttergesundheit in Entwicklungsländern verbessert werden kann und dass weitreichende Reformen auch mit wenig Geld umgesetzt werden können. In vielen nationalen Armutsreduzierungsstrategien (PRSPs) werden jedoch bis heute Themen, die im Zusammenhang mit Frauenrechten stehen, also auch Müttergesundheit, zu wenig beachtet.

Dabei werden die Auswirkungen unterschätzt, die die Vernachlässigung dieses Sektors mit sich bringt. Die Gesundheit von Müttern wirkt sich auf die gesamte Gesellschaft aus – sowohl auf die wirtschaftliche Situation eines Landes als auch auf die Schulbildung der heranwachsenden Generation, die Geschlechtergleichstellung, die Gesundheit von Kindern und die Bekämpfung von HIV/Aids. Investitionen in diesem Bereich sind daher dringend notwendig. Die Gesundheitssysteme in Malaysia und Sri Lanka können dabei als anspornende Modelle gesehen werden.

Auf dem Millenniumsgipfel in New York nannte Thoraya Obaid, Direktorin des UNFPA, die Verbesserung der Gesundheit von Frauen und Kindern „eine der wichtigsten sozialen Aufgaben unserer Zeit“. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon mahnte, dass sich die zukünftigen entwicklungspolitischen Bestrebungen – sowohl finanzieller als auch politischer Art – vor allem auf die Reduzierung der Kinder- und Müttersterblichkeit fokussieren müssen. In den kommenden Jahren soll laut den Vereinten Nationen daher stärker in diesen Bereich investiert werden. Mit dieser Zusage scheint das Thema zumindest kurzzeitig aus dem öffentlichen Abseits geholt worden zu sein.