Philippinen

Hoffnung auf Frieden

Ein Rahmenabkommen vom Oktober 2012 soll den Langzeitkonflikt zwischen philippinischer Regierung und muslimischen Rebellen auf Mindanao beenden. Vorgesehen ist die Gründung einer muslimisch geprägten Autonomieregion. Es sind jedoch noch viele Hürden zu überwinden.
MILF-Kämpfer bejubeln im Oktober 2012 die Unterzeichnung des Friedensabkommens. picture-alliance/dpa MILF-Kämpfer bejubeln im Oktober 2012 die Unterzeichnung des Friedensabkommens.

Die Unterzeichnung des Rahmenabkommens war ein emotionaler Akt. Im Präsidentenpalast flossen Freudentränen, als Vertreter der philippinischen Regierung und der Moro Islamic Liberation Front (MILF) sich nach jahrzehntelangem Gewaltkonflikt auf Frieden einigten. Das Rahmenabkommen gesteht den separatistischen Muslimen eine neuartige  Autonomieregion namens „Bangsamoro“ zu.

Im In- und Ausland fand das Abkommen großen Anklang. Viele Filipinos hoffen auf eine neue Ära. Sie erinnern sich aber auch daran, dass es eine Welle der Gewalt nach sich zog, als vor vier Jahren der Anlauf zu einem ähnlichen Abkommen scheiterte.

Die Regierung von Präsident Benigno “Noynoy“ Aquino will das aktuelle Rahmenabkommen bis 2016 umsetzen. Dann endet seine Amtszeit. Der Staatschef gab dem Friedensprozess wichtige Impulse und hofft, mit einem Erfolg in die Geschichte einzugehen.

Bis zur Umsetzung des Rahmenabkommens ist der Weg jedoch noch weit. Es klammerte zunächst zentrale Aspekte zur Etablierung Bangsamoros aus. Zwei Vertragsanhänge zu Übergangsbestimmungen und Finanzaufteilung wurden mittlerweile unterzeichnet, doch über Kompetenzverteilung und Normalisierung gibt es noch keine Einigkeit. Vorgesehen ist ein Ende der Verhandlungen bis zum Jahresende.

Ursprünglich sollte es schneller gehen, und Verzögerungen haben Zweifel am politischen Willen der Verhandlungsparteien genährt. Schon war von möglichem Scheitern die Rede. Dabei gilt als sicher, dass beide Konfliktparteien an einer konstruktiven Lösung interessiert sind. Die Verhandlungsführer geben sich denn auch gelassen und sagen, sie nähmen sich Zeit, um echte Fortschritte zu machen und die Anhänge sorgfältig zu formulieren. Die bereits ausgehandelten Anhänge gegen in der Tat Anlass zu Optimismus.

Das gilt besonders für den Mitte Juli unterzeichneten Anhang zur Finanzverfassung. Er legt fest, dass 75 Prozent der in Bangsamoro erhobenen nationalen Steuern vor Ort bleiben. Die Einnahmen aus der Förderung metallischer Mineralien fallen ebenfalls zu 75 Prozent an die Autonomieregion. Einnahmen aus Öl, Gas, Kohle und Uran gehen dagegen je zur Hälfte an Bangsamoro und den philippinischen Staat.

Der stellvertretende MILF-Vorsitzende Ghadzali Jaafar ist mit dem Kompromiss über die Energieträger jedoch nicht völlig zufrieden. Er hätte gern mehr erreicht: „Bangsamoro ist sehr reich. Da ist es doch verwunderlich, dass die Menschen hier arm sind“. Er erklärt das damit, dass „die Zentralregierung unsere Bodenschätze kontrolliert“.

 

Ökonomie der Gewalt

Jaafar hält es für ausgeschlossen, dass die MILF-Rebellen ihre Waffen bald niederlegen. Dafür seien weitere Absprachen nötig. Zudem gibt es außer der MILF noch viele andere bewaffnete Milizen. Noch immer kommt es in regelmäßigen Abständen zu Terrorakten, vor allem im Westen Mindanaos, ausgeführt beispielsweise von der MILF-Splittergruppe, Bangsamoro Islamic Freedom Fighters. Entführungen sind so häufig, dass Botschaften weiterhin vor Reisen in die Konfliktgebiete warnen.

In der Praxis leben viele Rebellengruppen auf Mindanao davon, sich mit Waffengewalt Ressourcen anzueignen. Sogenannte „Gewaltmärkte“ prägen die Südphilippinen. Der Begriff wurde vom Ethnologen Georg Elwert geprägt und bezeichnet Konflikte, die lokalen Kriegsherren und ihren Verbündeten profitable Geschäfte sichern. Gewaltmärkte entstehen und verstetigen sich, wo Staaten ihr Gewaltmonopol nicht durchsetzen können.

Die Kämpfe auf Mindanao haben bislang über 150 000 Menschenleben gefordert und Hunderttausende zu Binnenflüchtlingen gemacht. Allein während der Gewaltwelle im Anschluss an das Scheitern der Friedensverhandlungen im Jahr 2008 wurden zeitweilig über eine halbe Million Menschen zu Vertriebenen im eigenen Land.

Die Geschichte des Konflikts ist lang und kompliziert. Zunächst dominierte die Moro National Liberation Front (MNLF) den muslimischen Widerstand. Sie nahm den bewaffneten Kampf in den 1970er Jahren auf, als die Philippinen noch von dem Diktator Ferdinand Marcos beherrscht wurden. 1996 schloss sie dann einen Friedensvertrag mit der Regierung des gewählten Präsidenten Fidel Ramos.

Im Jahr darauf begannen auch Verhandlungen zwischen Regierung und MILF. Es gab Annäherungen und Rückschläge. Im Jahr 2000 erklärte der damalige Präsident Joseph Estrada, den später eine breite Bürgerbewegung aus dem Amt jagen sollte, sogar einen „all-out war“ des philippinischen Staates gegen die MILF.

Wenn der neue Friedensvertrag erfolgreich Grundlagen für Wachstum und Wohlstand im Süden der Philippinen legt, wird das Gewaltpotenzial in der Region deutlich reduziert werden. Das Fundament für den Frieden bleibt wackelig, solang nicht alle Akteure und Gruppen einbezogen werden. Zudem muss rechtsstaatlichen Prinzipien Geltung verschaffen werden.

Grundlegender Wandel

 

Vermutlich wird die Umsetzung des Rahmenabkommens samt Anhängen schwierig. Warlords, Privatarmeen, Milizen, Rebellengruppen und kriminelle Banden sind mittel- und langfristig nur mit tief greifenden wirtschaftlichen, politischen, rechtlichen und sozialen Reformen in den Griff zu bekommen. Die Verwaltung der künftigen Autonomieregion tritt  jedenfalls kein leichtes Erbe an.

Es ist sogar gut möglich, dass sie scheitert. Das lehrt jedenfalls die Geschichte. 1996 wurde nach dem Friedensschluss mit der MNLF eine Autonomous Region in Muslim Mindanao (ARMM) eingerichtet. Sie gilt heute als ein an Gewalt, Korruption und Vetternwirtschaft gescheitertes Projekt.

Das neue Rahmenabkommen sieht tiefgreifende politische Reformen vor. Bangsamoro soll einen Status bekommen, der dem eines Bundeslandes in einem föderalen System entspricht. Das ist innovativ, denn die Philippinen werden bislang zentral regiert. Für die neue Autonomieregion sind ein Landtag, eine Landesregierung und genuine Regionalparteien vorgesehen.

Das Rahmenabkommen sieht auch eine Transition Commission vor, die die Verfassung für Bangsamoro ausarbeiten soll. Aquino hat diese Kommission bereits einberufen. Die Regionalverfassung muss dann vom philippinischen Kongress genehmigt und von der Bevölkerung Bangsamoros in einem Referendum bestätigt werden.

Aquinos Politik ist mutig, denn die Gründung Bangsamoros wird einen Präzedenzfall schaffen. In den nördlichen Bergregionen von Luzon, der größten Insel des Landes, wird bereits eine ähnliche Autonomieregion gefordert.

Amts- und Regierungsführung sind auf den Philippinen generell schwach. Korruption ist weit verbreitet. Wenn Bangsamoro zum Erfolg wird, in dem Demokratie und Rechtssicherheit stärker verankert sind, könnte dieses Vorbild dem ganzen Land aus einer Sackgasse heraus helfen. Manche politische Beobachter hoffen, dass das so kommen wird.

Langer Atem ist vonnöten, Rückschläge sind wahrscheinlich. Die Chancen stehen jedoch heute so günstig wie lange nicht mehr. Den Menschen auf Mindanao und überall auf den Philippinen ist zu wünschen, dass Bangsamoro ein großer Erfolg wird.

Die Autoren formulieren in diesem Artikel ihre persönliche Meinung.

 

Wolfgang Möllers ist stellvertretender Regionaldirektor für die GIZ auf den Philippinen.
wolfgang.moellers@giz.de

Matthias Österle koordiniert den Zivilen Friedensdienst der GIZ auf den Philippinen. 
matthias.oesterle@giz.de