Transformationsprozess

Transformation erfordert einen Bewusstseinswandel

Während die Politökonomin Maja Göpel in ihrem Buch „Unsere Welt neu denken“ vor allem die großen Herausforderungen der Menschheit in Bezug auf das Klima und die ökologische Krise beschreibt, analysiert sie in „The Great Mindshift“ wie Transformationsprozesse gelingen können. Das auf Englisch erschienene Buch steht als Download kostenlos zur Verfügung.
Wissenschaftlerin Maja Göpel beim globalen Klimastreik von „Fridays for Future“ im September 2021 in Berlin. picture alliance / Geisler-Fotopress | Frederic Kern/Geisler-Fotopress Wissenschaftlerin Maja Göpel beim globalen Klimastreik von „Fridays for Future“ im September 2021 in Berlin.

Die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung ist eine äußerst komplexe Herausforderung  für das gesellschaftliche System. Dabei sei die Koordinierung eines tiefgreifenden und dauerhaften Systemwandels weder ein einzelner Weg noch ein linearer Prozess, zitiert Göpel das UN-Umweltprogramm (UNEP). Das zeige sich zum Beispiel darin, dass die Regeln eines Systems oft aus einer veränderten Denkweise entstehen. Diese Regeln können ihrerseits aber auch die Änderung der Denkweise unterstützen.

Um die großen Herausforderungen der Menschheit meistern zu können, braucht es nach Ansicht der Wissenschaftlerin einen elementaren Wandel des derzeitigen Denkens und der Geisteshaltung. Regeln und Anreize könnten solche strukturellen Änderungen bewirken. Sie seien entscheidend und könnten einen starken Einfluss auf das Systemverhalten ausüben, das sich dadurch dauerhaft ändern könne.

In erfolgreichen Transformationsprozessen wird das neue Ziel – wie beispielsweise eine Neudefinition des Wachstumsbegriffs – laut Göpel langsam aber sicher zur Norm. Das Ziel wird durch eine Reihe von Institutionen, sozialen Beziehungen und Ideen produziert und reproduziert.

Maja Göpel erklärt: „Für mich geht es nicht so sehr darum, dass wir eine Alternative zu Freiheit und Wohlstand oder gar Wachstum finden müssen. Wir müssen ihre Bedeutung für eine Welt mit 9 Milliarden statt einer Milliarde Menschen zurückgewinnen.“ Den Menschen von heute mangele es an geistiger Führung. Die Kommerzialisierung und Homogenisierung von Produktion und Konsum schränkten die Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung eher ein als sie zu erweitern.

In Anspielung auf das Phänomen der Aufklärung im 18. Jahrhundert plädiert Göpel für eine neue, „zweite Aufklärung“ im 21. Jahrhundert. Die Aufklärung bezeichnet eine Entwicklung, die durch rationales Denken Strukturen überwinden wollte, die Fortschritt behindern . Sie stellte etwa wissenschaftliche Erkenntnisse über religiösen Glauben. Göpel hält eine aufklärerische, neue Geisteshaltung in folgenden Bereichen für essenziell:

  • Fortschritt soll nicht nur eine Leistung sein, die in Geld gemessen wird. Fortschritt sollte vielmehr gerecht und ausgewogen sein, gemessen an differenzierten sozialen, ökologischen und kulturellen Indikatoren.
  • Freiheit sollte nicht als unendlicher individueller Konsum begriffen werden, sondern sollte menschliche Sicherheit und Zufriedenheit verkörpern: Es sollte eine Freiheit von der Angst sein, im Wettlauf um die Ressourcen ins Hintertreffen zu geraten und eine Freiheit von dem Gefühl des endlosen Mangels, das mittlerweile in unserer Kultur verankert ist, und das unser Wohlbefinden behindert.
  • Wohlstand sollte nicht immer mehr Konsummöglichkeiten verkörpern, sondern er kann eine neue Bedeutung erhalten: ein ganzheitliches Verständnis der menschlichen Bedürfnisse und diversifizierte Strategien der Bedürfnisbefriedigung.
  • Wirtschaftswachstum sollte kein Selbstzweck sein, sondern verschiedene Arten von Wirtschaftsleistung und -tätigkeit könnten als Mittel zum Zweck dienen, um den Wohlstand innerhalb der planetare  Grenzen zu sichern.

Göpel lobt, dass viele der UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals – SDGs) diesen Prinzipien entsprächen. Sie kritisiert jedoch, dass die SDGs dogmatisch das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts und höhere Einkommen auch für die Reichen propagieren.


Literatur
Göpel, M., 2016: The Great Mindshift.
https://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2F978-3-319-43766-8.pdf


Sabine Balk ist Redakteurin von E+Z/D+C.
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